Und dennoch beschloss das Gremium nun den Abriss des Kolosses. Nicht mangels Nutzer, sondern wegen eklatanter Sicherheitsbedenken: Es bröckelt am Steg, und das nicht erst seit gestern.
Im Verlauf des Jahres 2013 wohl wird die 101 Tonnen wiegende Konstruktion abgerissen, der Eisenverwertung zugeführt und nach elf Jahrzehnten aus dem Ortsbild verschwinden. Selbst bei den aktuellen steigenden Preisen für Metallschrott ist dies für die Gemeinde keineswegs ein gutes Geschäft, denn sie wird den Rückbau zu finanzieren haben, auch den der Betonverbindung, der vom Ende des Stegs am Ende der Gleisreihe über die B43 weiterführt.
Bürgermeisterin Ulrike Steinbach (SPD) erläuterte bei einem Vorort-Termin des Gremiums die Geschichte eines Krisengebildes, das vor einigen Monaten endgültig und gutachterlich sein Todesurteil erhielt. Schon, dass die Gemeinde Eigentümerin des Steges ist, war nicht die Idee der Bischofsheimer Gremien. Vielmehr verdonnerte das Eisenbahnneuordnungsgesetz des Bundes, das am 27. Dezember 1993 Gültigkeit erlangte, auf einer EU-Richtlinie basierte und die Trennung der Bahn-Infrastruktur vom eigentlichen Bahnbetrieb zum Ziel hatte, den Übergang auch dieses Steges auf den Gemeindebesitz an – blitzartig, schon zum 1. Januar 1994.
Da hatten die Bischofsheimer nun also ein tolles Geschenk bekommen und ihren damals schon 93 Jahre alten 100-Tonner an der Backe. Auf knapp 110 Metern Länge überspannt der Steg 19 Gleise. Im Jahr 1956 wurde die gesamte Konstruktion um 1,44 Meter angehoben, als die Elektrifizierung des Bahnbetriebs auch Bischofsheim erreichte und Stromleitungen unter dem Steg hindurch mussten. Eine neuerliche Aktion dieser Art wäre heute nicht mehr zu empfehlen, das gäbe wohl ein Debakel.
Zum Zeitpunkt der Übergabe, so ein damals erstelltes Gutachten, war mit dem Bauwerk noch alles in Ordnung. Seither ging es bergab mit den Noten. Die vergeben die Gutachter nämlich als Grobbewertung des Zustandes eines Bauwerkes, mit der Bestnote eins und dem Minuswert vier. Bei der turnusmäßigen Überprüfung im Jahre 2007 setzte es die erste Abwertung auf die Note drei, im vergangenen Jahr folgte Note vier. Und die bedeutet allerhöchsten Handlungsbedarf wegen sicherheitstechnischer Bedenken.
Nun gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten für die Gemeinde, wollte sie den Böckler-Siedlern ihre Alternativverbindung erhalten: Sie könnte den Steg grundlegend sanieren, oder ihn durch einen Neubau ersetzen. Das sollte man meinen, dass eine Sanierung für eine klamme Gemeinde eher zu stemmen sein müsste. Aber dem ist nicht so. Denn eine Sanierung im laufenden Betrieb ist nicht möglich. Der Steg müsste vielmehr komplett zerlegt, abtransportiert und zu neuem Glanze erweckt wieder zusammengebaut werden. Das macht finanziell natürlich keinen Sinn. Im Gegenteil: „Ein Neubau wäre am wirtschaftlichsten“, zitiert Steinbach die Gutachter.
Und nun der Auslöser des großen Magengrummelns im Rathaus und Gemeindevorstand: Die billigste aller Varianten, der Abbau und ersatzlose Abtransport des Steges, wird die Gemeinde 750.000 Euro kosten, lauten die Schätzungen. Die anderen Varianten, sprich Komplettsanierung oder Neubau, würden im Millionenbereich landen, mit mindestens drei Millionen Euro müsste die Gemeinde bei einem Neubau rechnen – in der Sparversion.
Das potenzielle Risiko durch den maroden Zustand des Steges ist weniger darin zu sehen, dass Bürger beim bloßen Benutzen zu Schaden kommen könnten oder der Koloss einstürzen könnte. Gefahren gibt es vor allem für die unter dem Bauwerk durchfahrenden Züge, die von Gesteinsbrocken der bröseligen Beton-Wegeplatten getroffen werden könnten. Und mit solch einer Geschichte will Bischofsheim bestimmt nicht in die Schlagzeilen geraten, besonders wenn es Personenzüge träfe.
Der überall in den Trägern und Wänden zu findende Rost hat zwar die Statik des Steges noch nicht beeinträchtigt. Die zahlreichen entstandenen Lücken zwischen Gehplatten und metallener Seitenwand allerdings sind auch nicht unbedenklich, zum Beispiel wenn Kinder groben Unfug treiben sollten. Dann könnten sie durch die Lücken, zum Beispiel mit Stangen die Oberleitungen treffen. Das wäre dann schlicht lebensgefährlich.
Die Gemeinde muss daher nun laufend den Zustand der Platten und Wände überprüfen und die schlimmsten Stellen grob flicken. Ein wieder voll nutzbarer Steg ließe sich durch solche Flickschusterei aber natürlich nicht wiederherstellen. In den kommenden Monaten wollen Verwaltung und Gemeindevorstand den Dialog mit den Bewohnern der Böckler-Siedlung suchen, um ein Bild davon zu gewinnen, ob das Thema „Abriss des Eisernen Stegs“ dort überhaupt als Aufreger taugt. Gemeindevorstand Marion Schorr, die aus der Siedlung stammt, erwartet da einiges. Weniger deshalb, weil ohne den Steg bedeutend vielen Bewohnern der Böckler-Siedlung Umwege in den Ort drohten. „Es ist eine emotionale Sache“, meinte sie vielmehr. Wer will schon abgeschnitten werden, auch wenn er den Weg zur anderen Seite selbst nicht so häufig nutzt?