Ein weißer Klotz bremst ein Projekt aus

Deutsche Bahn errichtet Baucontainer genau dort, wo die Stadt einen Jugendtreffpunkt errichten wollte

Zwischen Prellbock (vorne) und Bahnschienen soll der selbstbestimmte Treffpunkt für die Flörsheimer Jugend entstehen, in Sicht und vor allem W-LAN-Weite des Jugendzentrums Güterbahnhofs (hinten) auf der anderen Seite der Schienen. Jetzt muss die Stadt wohl den Abschluss der Bauarbeiten der Lärmschutzwand abwarten.

Es war ein verfrühtes, aber vor allem verfaultes Osterei im Nest der Stadt. Was da an der Nordseite der Flörsheimer Bahnschienen aufgebaut wurde, ist nicht einmal eiförmig und auch nicht bunt eingefärbt, vielmehr ein schnöder, weißer Klotz. Der Container, von dem aus der Baudienstleister Implenia im Auftrag der Deutschen Bahn die Arbeiten an der Lärmschutzwand koordiniert, deren Vorbereitungen laufen, dürfte an dieser aus Sicht der Stadt ziemlich ungünstigen Stelle ein gutes Jahr stehenbleiben.

„Das ist ein Ding“, sagt Markus Singer von der Mobilen Beratung Flörsheim (Moflo), die die Kinder- und Jugendtreffs der Stadt betreibt, so auch den Treffpunkt „Güterschuppen“. Der befindet sich vom Implenia-Container aus gesehen genau auf der anderen Seite der Bahnschienen. Deshalb hatte sich die Stadt den Standort, den nun die Bauleitung gekapert hat, ausgesucht, um in diesem Jahr ein ambitioniertes Projekt anzugehen.

In die Pläne eines offenen Jugendtreffpunkts an dieser Stelle hatte die Mobile Beratung die künftigen Nutzer einbezogen. Die haben die Entwürfe für einen Ort, an dem sich der ältere Flörsheimer Nachwuchs selbstverantwortlich treffen und was losmachen kann, sogar maßgeblich ausgearbeitet. „Der Standort wurde genau deshalb gegenüber vom Güterschuppen geplant, weil unser WLAN-Signal bis dorthin ausstrahlt“, erläutert Singer.

Die Empörung des Jugendbetreuers macht es schon deutlich: Die Stadt wurde von der Standortwahl der Bahn für ihren Baucontainer völlig überrascht, eine Absprache hatte es nicht gegeben. Singer erinnert an das große Engagement, das die Jugendlichen bei der Entwicklung der Pläne gezeigt hatten. „Die Gruppe war sehr engagiert und es ist ihnen etwas Gutes gelungen. Auch mit Stadt war alles okay – und plötzlich ist da eine Baustelle.“

Das Projekt liegt damit notwendigerweise auf Eis, „es wird nicht gestrichen, muss aber warten, bis die Lärmschutzwand steht“, sagt Singer – Alternativstandorte zu suchen, macht für ihn keinen Sinn, „der Treffpunkt soll sich ja nicht in der Wallachei, sondern an einem zentralen Ort befinden“.

Zugegeben: Selbst, wenn es gelingen sollte, die Bahn oder ihren Dienstleister von einer Versetzung des Containers zu überzeugen, wäre es coronabedingt derzeit nicht ganz klar, ob es mit dem Projekt überhaupt etwas werden könnte in diesem Jahr. Es ist mal wieder bis auf Weiteres keinerlei Planung von Veranstaltungen möglich und im Gange, bei denen sich Menschen treffen und etwas miteinander unternehmen. Das aber ist dummerweise die grundlegende Funktionsweise offener Angebote in der Jugendarbeit.

„Wie es mit unseren Angeboten weitergeht, kann man gar nicht sagen, weil sich wöchentlich etwas ändert“, sagt der Pädagoge. Mit „kontaktlosen“ Angeboten versucht die Moflo in diesen Tagen, für die Osterzeit etwas zu bieten. So durch die Neuauflage der „Schnitzeljagd“ per App vom vergangenen Sommer. In der kommenden Woche (siehe Meldung) ist zudem eine „Ferienaktion to go“ angesetzt, bei der sich Interessierte am Güterschuppen täglich Basteltüten mit Tagesaufgaben abholen können. „Eher etwas für Kinder und junge Teenager, die Älteren wird das nicht so sehr interessieren“, erwartet Singer.

Irgendwie muss das Jugendbüro versuchen, mit den Jugendlichen in Kontakt zu bleiben, damit sie in der Angebotsflaute nicht abhanden kommen, ist ihm bewusst - aber ohne echte Zusammenkünfte ist das kaum möglich. Was auch derzeit weiterläuft, ist die Lernunterstützung mit individueller Beratung, bei der sich Schülerinnen und Schüler, denen die nötigen Endgeräte zum Lernen fehlen oder die Unterstützung beim Bewältigen der Hausaufgaben brauchen, Hilfe geben lassen. Das ist zum Glück kein Massengeschäft, dennoch kommen dabei Menschen in Räumlichkeiten zusammen. „Wir versuchen unter den gegebenen Bedingungen eine sinnvolle Betreuung hinzubekommen“, sagt Singer.

Besonders aus den Erfahrungen mit dem Wickerer Jugendtreff ist ihm bewusst, dass die Option, örtliche Angebote durch Online-Entsprechungen zu ersetzen, nicht auf Dauer funktionieren. In Wicker finden in normalen Zeiten an den Freitagabenden Online-Spieleabende statt, mit gutem Zuspruch, obwohl sie die Spiele genauso zuhause zocken können. „Die Jugendlichen fragen nach, wann macht ihr wieder auf“, berichtet Singer und ist überzeugt: „Die nehmen digitale Angebote nur wahr, weil sie uns in echt kennen. Online ist kein Ersatz für eine echtes Zusammenkommen.“

Wer mit einem konkreten Anliegen im Jugendbüro oder den Außenstellen vorstellig wird, betont der Moflo-Mitarbeiter, den schicken die Mitarbeiter natürlich nicht weg. Ein coronakonformer Weg, das Problem zu besprechen und Hilfestellungen zu geben, lässt sich immer finden, versichert Singer.

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