Sehr geehrter Herr Pfarrer Hanauer,
sehr geehrter Herr Pfarrer Beuler,
seit längerer Zeit ärgere und wundere ich mich über Ihren vielfältigen Einsatz und Ihre Aktionen zum Thema Fluglärm in Flörsheim. Es ist auffällig und ungewöhnlich, dass ich mich frage, welch ein Wandel in den Kirchen eingetreten ist und ob es nicht wichtigere Aufgaben zu bewältigen gilt, als sich auf den Fluglärm in Flörsheim, den Flughafenbetreiber Fraport und die Politiker zu konzentrieren.
Seit fast 50 Jahren lebe ich in dieser Region, 5 Jahre in Frankfurt, 20 Jahre in Wicker und 23 Jahre in Weilbach. Wir alle – die Wickerer und die Weilbacher Bürger – erklären uns solidarisch mit den vom Fluglärm am meisten betroffenen Flörsheimer Mitbürgern. Wir sind aus gutem Grund zuversichtlich und erwarten, dass weiterhin die von mehreren Seiten angestrebten und zugesagten Entlastungen und Maßnahmen für die Menschen in der Region ihre Wirkung bringen! Nur Wunder dürfen und können wir sicher alle nicht erwarten!
Es ist überaus erstaunlich und für mich nicht nachvollziehbar, dass sich sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche dieses Themas seit einiger Zeit ganz besonders annehmen. Diese Feststellung teile ich übrigens mit vielen anderen Kirchenmitgliedern und verärgerten Bürgern, da das Verhalten inzwischen erheblich gegen das Verständnis von Kirche, Gerechtigkeit und Gleichheit geht. Wäre es nicht vielmehr Aufgabe der Kirche zu versuchen, die zerstrittene Stadt zu einigen, anstelle sich einseitig zu orientieren und Politik zu machen beziehungsweise zu protestieren.
Ich möchte vorausschicken, dass es in meinem Anliegen nicht um Konkurrenz oder Neid geht, sondern um einen Wunsch an die Kirchen nach Gerechtigkeit und Gleichheit.
Wo waren Sie, die Kirchen, zum Beispiel, als in Flörsheim anlässlich der beiden Bürgerentscheide die Befürworter der Umgehungsstraße bis zum letzten Tag für die so dringend erforderliche Umgehungsstraße gekämpft haben? Anfragen wegen eventueller öffentlicher Stellungnahme der Kirchen zur Umgehungsstraße waren erfolglos, wurden abgewiesen und das damit begründet, dass die Kirchen sich aus diesen Themen rauszuhalten haben. Ich erinnere zum Beispiel an die ablehnende Haltung zur Befestigung eines Banners der BI-Pro auf einem abseits gelegenen Kirchengrundstück der katholischen Kirchengemeinde in Flörsheim, das niemanden gestört und behindert hätte. Die angeblichen Gründe dafür waren, dass die Kirche sich an solchen Diskussionen nicht beteiligt und die Anbringung eines Banners der Befürworter ablehnt.
In diesen schwierigen Phasen vor den Bürgerentscheiden wären Sie im Interesse der Betroffenen ebenso gefragt gewesen, hätten sich zu Wort melden, öffentlich Stellung nehmen und an die in den verschiedenen Ortsteilen vom Verkehrslärm besonders belasteten Menschen denken und auch ihnen zur Seite stehen müssen! Und das gilt meines Erachtens für die unbedingt zu schaffenden verkehrsentlastenden Maßnahmen heute noch genauso!
Welche wahren Gründe stecken dahinter, dass die Kirchen sich außen vor gehalten und immer wieder die Beteiligung an diesem Thema abgelehnt haben? Es wäre sehr interessant, diese Gründe einmal zu erfahren!
Oder fühlten Sie sich damals – wie auch viele andere Flörsheimer Bürger – nicht betroffen, weil ihr Wohnort nicht an einer vom Straßen-Verkehrslärm geplagten Durchgangsstraße liegt?
Wie kann es angehen, dass unter anderem an der Mauer der Galluskirche auf einem großen Plakat steht: „Fluglärm stört den Seelenfrieden“? Und dass am Kirchturm der evangelischen Kirche ein Banner vom krankmachenden Fluglärm hängt mit der Aufschrift, dass der Himmel nicht Fraport gehört?
Wie kann es sein, dass ein Pfarrer sich erlaubt – und dies auch noch in die Zeitung gebracht wird – unseren Herrn zu bitten: „Herr, lasse Hirn vom Himmel fallen?“ Solche Aussprüche eines Pfarrers empfinde ich wirklich als unwürdig und für einen Geistlichen unangemessen. Bei aller Solidarität und Betroffenheit gegenüber den fluglärmgeplagten Menschen geht das doch wohl zu weit!
Wir alle haben – solange wir hier in dieser Region und besonders in Flörsheim leben – den Fluglärm und den Straßenlärm ertragen müssen und warten seit über 40 Jahren vergeblich auf eine Umgehungsstraße.
Vor allem: Wo bleibt bei dem starken Engagement der Kirchen zum Thema Fluglärm eine Gleichbehandlung? Seit wann ist nur der Fluglärm schädlich? Stört der ständige Straßenlärm Tag und Nacht nicht den Seelenfrieden? Wann und wo haben Sie sich für die Bürger und Befürworter der Umgehungsstraße interessiert, die im Lärm und den Abgasen ersticken können. Versuchen Sie sich einmal vorzustellen, was es bedeutet, wenn man Tag und Nacht an den Durchgangsstraßen mit dem Lärm und den ebenso gesundheitsschädlichen Abgasen des Schwerlastverkehrs und den Autoschlangen wohnt!
Die neuerlichen, ständigen Beschwerden der Pfarrer und der Angehörigen von Verstorbenen über gestörte Beerdigungen und Trauerfeiern sind zwar verständlich und schmerzen die Betroffenen sehr, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Aber den Flughafen in der Nähe gibt es schon sehr, sehr lange und Störungen bei vorgenannten Anlässen durch überfliegende Flugzeuge auch schon immer, bevor die Nordwestbahn in Betrieb ging. Vor 37 Jahren zum Beispiel wurde auf dem Friedhof in Wicker die Trauerfeier für meinen verstorbenen Ehemann abgehalten. Es gab damals noch nicht wie heute überall Trauerhallen! Damals musste der Pfarrer zirka 10 Minuten bei der Trauerrede innehalten, da mehrere schwere Maschinen hintereinander laut über den Friedhof donnerten. Wohlgemerkt waren die Triebwerke der Maschinen damals noch viel lauter als heute. Ähnlich war es bei der Beisetzung meines 26-jährigen Sohnes vor 20 Jahren in Wicker durch Sie, Herr Pfarrer Hanauer. (Herr Pfarrer Wildfang aus Weilbach war zu dieser Zeit abwesend.)
Leider gehören diese unvermeidbaren Störungen für die Trauernden in der Nähe eines Weltflughafens auch zum Leben, wenn man sich, aus welchen Gründen auch immer, hier angesiedelt hat oder wegen seiner beruflichen Tätigkeit in der Nähe des Airports wohnen muss. Auch in diesem Punkt müsste meiner Meinung nach ein positives Denken für die Bürger beginnen und nicht an dem Thema „Die Nordwestbahn muss weg“ gearbeitet werden. Welch ein unsinniges Ansinnen! Da fällt einem wirklich nichts mehr ein!
Haben Sie sich ernsthaft einmal damit beschäftigt, wie viele Menschen ihren Lebensunterhalt am Flughafen Frankfurt verdienen? Was wäre die Rhein-Main-Region ohne diesen Arbeitgeber?
Ich bin enttäuscht über Ihre jeweiligen Aktionen und Ihre bisherigen öffentlichen Stellungnahmen!
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Lotze, Lessingstraße 1