125 Jahre SPD in Flörsheim

Historischer Rückblick von Werner Schiele bei der Mitgliederversammlung

Die Ortsvereinsvorsitzende Nadine Kirchheim und Werner Schiele bei der Würdigung der 125-jährigen Geschichte der SPD in Flörsheim während der Mitgliederversammlung.
Die Ortsvereinsvorsitzende Nadine Kirchheim und Werner Schiele bei der Würdigung der 125-jährigen Geschichte der SPD in Flörsheim während der Mitgliederversammlung.

Während der jüngsten Mitgliederversammlung würdigte die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) in Flörsheim ihre 125-jährige Geschichte mit einem umfassenden Vortrag von Werner Schiele, ehemaliger Richter und Buchautor. Er führte durch die wechselvolle Geschichte der SPD, die seit ihren Anfängen im Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit und für die Rechte der Arbeiterklasse stand.

Der Vortrag begann mit einem Blick auf die Ursprünge der sozialdemokratischen Bewegung, die als Protest der deklassierten Handwerker und Lohnarbeiter gegen Ausbeutung und Unterdrückung entstand, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert vorherrschten. Bis 1914 waren Arbeitszeiten von 57 Stunden pro Woche in der Normalschicht keine Seltenheit, und in den Farbwerken Höchst sowie den Diamant Steingut Werken Flörsheim, später bekannt als Keramag, erreichten Schichtarbeiter bis zu 84 Stunden. Die Arbeitsbedingungen waren hart: Überstunden und Feiertagsarbeit waren an der Tagesordnung, und der Lohn reichte kaum zum Leben. Urlaub war ein unbekanntes Konzept, lediglich gesetzliche Feiertage und der Geburtstag des Kaisers am 27. Januar waren arbeitsfrei. Der erfolgreiche Streik der Opelarbeiter im Jahr 1912, der eine Arbeitszeitverkürzung erreichte, wurde als bedeutender Meilenstein hervorgehoben.

Flörsheim, ursprünglich geprägt durch Landwirtschaft, Fischfang, Weinbau und Handwerk, sah nur eine langsame industrielle Entwicklung. Doch mit ihr wandelte sich das Berufsbild. Bis 1914 wurden Fabrikarbeiter zur häufigsten Berufsbezeichnung, eine signifikante Verschiebung weg von einer überwiegend landwirtschaftlich geprägten Gemeinschaft. Die soziale Struktur Flörsheims war stark von konfessionellen Bindungen geprägt, wobei 92,6 Prozent der Bevölkerung katholisch waren. Dies stellte für die sozialdemokratischen Bestrebungen, gegen den politischen Katholizismus der Deutschen Zentrumspartei anzukämpfen, eine besondere Herausforderung dar.

Die Anfänge politischer Aktivität der SPD in Flörsheim können bis ins Jahr 1883 zurückverfolgt werden, als das Sozialistengesetz die Bewegung stark einschränkte. Trotzdem wuchs der Einfluss der SPD stetig, insbesondere nach dem Fall des Sozialistengesetzes 1890. Im Jahr 1898 wurde der „Sozialdemokratische Wahlverein für Flörsheim und Umgebung“ gegründet, ein bedeutender Schritt für die lokale Organisation und Präsenz der Partei.

Werner Schiele beleuchtete auch die schweren Zeiten während der Weimarer Republik, den Einfluss des Nationalsozialismus und die Nachkriegsjahre, die von enttäuschenden Wahlergebnissen und politischen Herausforderungen geprägt waren. Er zitierte statistische Daten, die zeigen, dass die SPD in den 1950er- und 1960er-Jahren zwischen 30 und über 40 Prozent der Stimmen in Flörsheim gewann, in den darauffolgenden Jahrzehnten jedoch einen Rückgang der Wählerunterstützung erlebte.

Schieles Ausführungen endeten mit einer Reflexion über die Entwicklung der SPD in den jüngsten Jahrzehnten. Trotz enttäuschender Wahlergebnisse und politischer Rückschläge hob er die Fähigkeit der Partei hervor, ihre Grundanliegen zu bewahren und neu zu formulieren. Die heutige sozialdemokratische Politik, so Schiele, sei geprägt von dem Bewusstsein, dass Demokratie und sozialer Fortschritt keine Selbstverständlichkeiten sind, sondern Ergebnisse beharrlicher Arbeit.

In seiner Schlussfolgerung zitierte Schiele Willy Brandt und betonte so die Vision der SPD für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Not, in der die freie Entwicklung des Einzelnen zur freien Entwicklung aller beiträgt. Dieses Ziel, so machte Schiele deutlich, bleibe die Leitstung sozialdemokratischer Politik.

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