Die Aussichten sowohl von Innenministerin Nancy Faeser als auch Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil, auch der neuen Bundesregierung anzugehören, sind angesichts der Umfragewerte für die SPD ungewiss. Beide wollen unabhängig davon am 23. Februar in den neuen Bundestag gewählt werden. Die langjährige Landespolitikerin Faeser, auf Platz vier der hessischen Landesliste stehend, müsste schon Norbert Altenkamp (CDU) das Direktmandat im Wahlkreis Main-Taunus abjagen, um dem kommenden Bundestag sicher anzugehören. Der Bundestagswahlkampf ist kurz und entsprechend intensiv, da ist eine kluges Zeitmanagement gefragt.
Der Gast der Schwalbacherin bei ihrer Wahlkampftour in ihrem Heimatkreis am Montagnachmittag hingegen hat seit 1998 sieben Mal in Serie das Direktmandat in seinem Wahlkreis Gifhorn-Peine geholt. Beide wirkten dennoch gleichermaßen tiefenentspannt bei ihrem gemeinsamen Termin in Flörsheim, an dem auch Parteifreunde vom Ortsverein, Ex-Bürgermeister Michael Antenbrink, Fraktionschefin Melanie Ernst, der Stellvertretende Vorsitzende Franz Kroonstuiver und Pressesprecher Gerd Mehler teilnahmen. Das Gespräch diente freilich auch eher der Informationsaufnahme über das Geheimnis eines gut funktionierenden Unternehmens, denn der Besuch beim Logistik-Dienstleister Rigterink war nicht öffentlich. Direkt im Anschluss lud das Duo dann zu einer „echten“ Wahlkampfveranstaltung nach Hattersheim ein.
Seit Anfang 2016 ist das Unternehmen aus Nordhorn mit seinem unübersehbaren Lagergebäude an der Landstraße nach Hochheim präsent. Was drinnen passiert, wissen die wenigsten Flörsheimerinnen und Flörsheimer. Der 1949 gegründete Familienbetrieb wird heute in dritter Generation von den Brüdern Arne, Helge und Eike Rigterink geführt und hat sich auf den Bereich Lebensmittellogistik spezialisiert. Was das Unternehmen für die SPD-Bundespolitiker so interessant macht, ist seine offensive Ausrichtung auf eine sehr moderne Firmenphilosophie, über die das Cheftrio den prominenten Gästen zunächst mit einen Imagefilm einen Überblick gab.
Die Firma Rigterink vertritt ganz klare Positionen zu bestimmten wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Diskussionen, ist etwa stolz darauf, Mitarbeiter aus allen Herren Ländern zu beschäftigen, weshalb ihr insbesondere die Offenheit des Arbeitsmarktes für Zuwanderung und der Abbau von Hürden für Arbeitsberechtigungen wichtig ist. Für den Arbeitsminister hoch interessant zu hören, dass Rigterink ausdrücklich betont, dass Kenntnisse der deutschen Sprache für die Jobs, die sie in ihrem Lagergebäude zu besetzen haben, eigentlich nicht notwendig sind. „Man müsste nicht unbedingt erst einen Sprachkurs bestehen, das geht auch andersherum.“ Die eher einfachen Arbeitsabläufe ließen sich auch ohne große Erklärungen vermitteln, die deutsche Sprache kommt dann mit dem Arbeitsalltag.
Dennoch hat Rigterink auch wie andere Branchen zunehmend mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen und wünscht sich auch hier einen Abbau von Zugangshürden, besonders um LKW-Fahrer zu gewinnen. Wer in Deutschland als Zuwanderer den hiesigen Führerschein machen will, sollte die Prüfung daher auch in seiner Muttersprache oder in englisch ablegen können, schlagen die Firmenchefs vor – sie sehen ihr Unternehmen auf diesem Gebiet in Konkurrenz zu anderen europäischen Ländern, denn gesucht werden LKW-Fahrer nicht nur in Deutschland. Die entsprechenden rechtlichen Regelungen für den Arbeitsmarkt betreffen Heils wie Faesers Ressort gleichermaßen – der Auftrag wäre klar. Heil verwies auf das 2023 geänderte Einwanderungsgesetz, das genau diesen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt durch weniger Bürokratie und schnellere Verfahren erleichtern soll. In der zweiten Stufe seit vergangenem März auch für Nicht-EU-Bürger – das Problem, die bisweilen behäbigen Behörden auf die neue Linie zu bringen, scheint der Umsetzung aber bisher entgegenzustehen.
Flörsheim ist einer von neun Standorten, die das Unternehmen von der niederländischen Grenze sich im Laufe der Jahrzehnte in der ganzen Republik aufgebaut hat. Als Logistikzentrum mit 40.000 Quadratmetern Grundfläche ist Flörsheim dabei einer der wichtigeren Standorte. Hier werden 180 Mitarbeiter aus 20 Ländern beschäftigt, die für große, bekannte Unternehmen die Produkte aus den Produktionsstandorten übernehmen und für die Anlieferung in die Einkaufsmärkte zusammenstellen. In vielen Fällen werden sie dafür im südlichen Gebäudetrakt von den Mitarbeitenden in Display-Kartons einsortiert, so dass die Kunden sie vom LKW direkt einsatzbereit in ihr Lager abstellen können.
Nicolas Storck war als Logistiker des US-amerikanischen Nahrungsmittelkonzerns Mars beim Besuch der Bundesminister dabei. Der bekannte Schokoriegel-Produzent, der aber auch hinter Marken wie Wrigley und Miracoli steckt und zudem mit Kitekat, Whiskas und Catsan auch einiges für die Katze im Repertoire hat, ist ein wichtiger Kunde für das Logistikunternehmen. „Wir schätzen Rigterink als sehr flexibles, kundenorientiertes Unternehmen, das auch sehr auf Nachhaltigkeit achtet“, hob der Mars-Logistiker die Zufriedenheit mit seinem Dienstleister hervor.
Tatsächlich hat Rigterink mit seinem auf Energieeffizienz ausgerichteten Flörsheimer Gebäude den branchenintern vergebenen Preis für grüne Logistik „Lean and Green“ seit Oktober 2024 in der zweiten Stufe erreicht. Natürlich bezieht das Unternehmen zudem trotz der höheren Kosten ausschließlich Öko-Strom. Bei der Einführung von E-LKWs wäre Rigterink gerne weiter. Die ersten beiden Fahrzeuge finden sich in der Flotte zwar mittlerweile, in Flörsheim fehlen sie aber noch – eher ein Problem der Angebote der Hersteller, deren E-Fahrzeuge fast nie Schlafkabinen aufweisen, denn des Willens des Unternehmens, wie Arne Rigterink beteuert. Das soll sich bald ändern, zudem soll das rund 35.000 Quadratmeter große Hallendach demnächst mit Photovoltaik-Panelen ausgestattet werden.
Die Spezialisierung auf Lebensmittel-Transporte hat Rigterink geholfen, die Corona-Delle gut zu überstehen, denn gegessen wurde von den Menschen damals vor lauter Verzweiflung eher mehr als normal. Zum Problem wird dagegen die Inflation in Folge des Ukraine-Krieges, denn wenn die Waren in den Supermärkten zurückhaltender gekauft werden, muss Rigetrink weniger nachliefern. Saisonabhängig ist der Betrieb zudem durchaus auch. So ist das eben, wenn man mit einigen Schokoladenherstellern zusammenarbeitet – auch Ferrero (in Bischofsheim) und Mondelez setzen in Deutschland auf den Verpackungs- und Lieferspezialisten, da wird die Vorweihnachtszeit zum Stresstest.
Das Flörsheimer Gebäude hat Platz für 56.000 klassische Paletten; 466.000 Stück, darunter 231.000 Display-Paletten, wurden 2024 zu den Abnehmern transportiert. Das entspricht ungefähr 10.000 LKW-Fahrten an Material-Anlieferungen, einige mehr wegen der nicht immer im gleiche Maße pickepack voll zu bekommenden Fahrzeuge für die Auslieferungen. Wie das im Arbeitsalltag aussieht, schauten sich die Gäste in der Lagerhalle nach dem Austausch natürlich auch noch genauer an - und dann wurde es auch allmählich Zeit, nach Hattersheim aufzubrechen. Nicht ohne, dass Faeser sich als Ansprechpartnerin des Unternehmens bei Wünschen und Anregungen anbot.