von der Hauptklasse Plastik am Institut für Kunstpädagogik der Goethe-Universität Frankfurt ihre Pforte. Die 14 angehende Kunstpädagogen hatten die Räumlichkeiten am Mainufer mehrfach besucht, um sich so für Kunstobjekte inspirieren zu lassen. Das Winterhochwasser nahmen sich Lea Heidepriem und Julia Neumann zum Thema und setzen einen alten Tisch in ein Becken mit gefärbtem Wasser und Schwarzlichtbeleuchtung. Die Studentinnen griffen so das Thema „versunkene Möbel“ auf und fanden im Erdgeschoss des Turmes einen kellerähnlichen Ausstellungsraum. Im Erdgeschoss zeigte sich dann das Sonnenblumenfeld, dass nicht fröhlich blühende Blumen, sondern vertrocknete Exemplare mit hängenden Köpfen mit menschlichen Zügen beinhaltet. Den Treppenaufgang zum Turm nutzte Jule Füller, die unzählige kleine Männchen aus Draht formte, die sich allein oder zu zweit den Turmaufgang an der Wand nach oben ziehen. Viel abstrakter hingegen die Arbeit von Christiane Krutzik, die einfaches braunes Paketklebeband in Quadrate riss und damit verschieden von Licht durchflutete Objekte schuf. Professor Jochen Fischer betonte die Vielfalt der Ausstellung, hätten sich die Studenten doch auf ganz unterschiedliche Weisen und mit den unterschiedlichsten Materialien dem Thema genähert. Postmoderne Collagen gehörten ebenso dazu wie moderne Videoinstallationen, wo beispielsweise eine ganze Gartenzwergkolonie aus Porzellan zertrümmert wird, um die Überreste dann in neuer Komposition im Kunstforum auszustellen. Erster Stadtrat Markus Ochs betonte, dass seit dem vergangenen Jahr eine von fünf Ausstellungen im Kunstforum Nachwuchskünstlern vorbehalten ist, sollten doch gerade auch die jungen Künstler eine Chance bekommen. Die Ausstellung ist bis zum 27. August im Kunstforum zu sehen.
Die 14 Frankfurter Kunstpädagogikstudenten zeigen derzeit im Kunstforum ihr Können und präsentieren Kunstwerke vieler verschiedener Stilrichtungen. (Foto: Dörhöfer)
Stets Zu- und Abwanderungen
Vortrag zur Flörsheimer Geschichte von Dr. Bernhard Thomas
Flörsheim (drh) - Der ehemalige Physiker Dr. Bernhard Thomas ging am zweiten Vortragsabend seiner Reihe zur Flörsheimer Geschichte der Frage nach, wie viele im Flecken vor 350 Jahren lebten. Einwohnerstatistiken gab es um 1620 selbstverständlich nicht und nur die Todesfälle und Taufeinträge im Kirchenbuch zu sichten, reichten dem Wissenschaftler längst nicht, da sich, so Thomas, die Bevölkerung niemals linear entwickle, sondern es immer wieder Ereignisse gebe, die einen Bevölkerungsschwund oder auch Zuwächse zur Folge hätten. So ließen sich an Thomas’ neuer Bevölkerungskurve geschichtliche Ereignisse wie die Schlacht bei Höchst 1622, der Dreißigjährige Krieg, die Besetzung von Mainz durch die Schweden oder die Pest ablesen. Die Todesfälle nahmen stets zu, wenngleich kurz nach der Pest beispielsweise die Geburten auch wieder rasch anstiegen. Thomas fand für alle bemerkenswerten Bevölkerungsstrukturveränderungen Erklärungen und faszinierte damit die gut 80 Zuhörer im Flörsheimer Keller. Einen Einbruch in der Statistik entlarvte der Forscher als ein „gefaktes Kirchenbuch“. Pfarrer Johann Gallus Vogel (1683 – 1712) hatte das originale Kirchenbuch aus Angst vor den Franzosen doch wohl auslagern lassen und erst im Nachhinein die Eintragungen nicht mehr ganz gewissenhaft vorgenommen. Die wirren Aufzeichnungen im Kirchenbuch mit Randnotizen, Verbesserungen und Nachtragungen zwischen den Zeilen, sowie einige Fehleinträge sprechen für diese Theorie. So fand Thomas das Beispiel eines Herren Cluin, dessen Testamentseröffnung ein Jahr vor seiner Beerdigung war. „Hier stimmen die Daten im Kirchenbuch einfach nicht“, so Thomas.
Im Dreißigjährigen Krieg sei Flörsheim, entgegen vielfacher Behauptungen, nicht zerstört worden. Thomas fand doch in einer Bürgermeisterrechnung Ausgaben für Wein für die Verteidiger und Kosten für die Neuerrichtung der Pforten. „Wäre Flörsheim mehr Schaden zugefügt worden, wären mehr Schäden zu begleichen gewesen und man wäre nicht so schnell wieder zu Alltagsgeschäften wie der Weinlese übergegangen“, so Thomas. Er verglich seine Erkenntnisse auch mit Einwohnerentwicklungen in Mainz oder in Oppenheim, merkte aber zugleich an, dass es bei vielen Ähnlichkeiten auch Unterschiede gebe und nicht alles eins zu eins übertragen werden könne. In Flörsheim hätte es stets Zu- und Abwanderungen gegeben, was beispielsweise an den Herkunftsorten der Bräutigame abzulesen gewesen wäre. Bei der Berechnung der Einwohnerzahl für das Jahr 1620 ging Thomas von für Flörsheim üblichen 30 Geburten im Jahr aus. Eine Frau brachte im 17. und 18. Jahrhundert im Durchschnitt im Alter zwischen 22 und 45 Jahren 7,5 Kinder zur Welt. Das entspricht 0,3 Kinder pro Jahr, so dass für eine Geburt drei Frauen und drei Männer in Flörsheim gelebt haben müssen. So ermittelte Thomas 180 Erwachsene im Alter zwischen 22 und 45 Jahren. Aufgrund der hohen Kindersterblichkeit (60 Prozent der Toten sind Kinder und nur 50 Prozent der Kinder werden 10 Jahre alt) geht Thomas von 270 Kindern in Flörsheim aus. Hinzu kommen 90 alte Menschen. Dieses Verhältnis von 270 Kindern zu 180 Erwachsenen und 90 Alten (3:2:1) entspreche der üblichen Bevölkerungsstruktur, wie es für Zeiten mit hoher Kindersterblichkeit üblich war. Dr. Bernhard Thomas verglich seine Daten beispielsweise auch mit der Statistik von Angola heute, wo immer noch wegen der hohen Kindersterblichkeit das Verhältnis von 3:2:1 passe.
So kam der Wissenschaftler zum Ergebnis, dass in Flörsheim im Jahr 1620 insgesamt 540 Menschen gelebt haben müssen. Diese Berechnung stützte er mit weiteren Nachforschungen, wo er beispielsweise von einer Urkunde über den Viehbestand auf die Einwohnerzahl schloss. Weiterhin half ihm eine spätere Hochheimer Volkszählung bei der Beweissammlung. Ein Jahr nach der Pest machte Thomas eine Zuwanderungswelle aus, hätten die verwitweten Frauen, so Thomas, doch schnell wieder geheiratet, um die Höfe weiter bewirtschaften zu können. Zudem sei Flörsheim wegen seiner Ortsbefestigung ein beliebter Zuzugsort gewesen. Weilbach sei im Dreißigjährigen Krieg komplett zerstört worden und so hätte es viele Weilbacher in den folgenden Jahren auch nach Flörsheim gezogen. Die durchschnittliche Lebens-erwartung hatte im 17. Jahrhundert bei 60 bis 70 Jahren gelegen und Männer konnten meist erst im Alter von 27 Jahren heiraten. Eine Heirat sei nämlich erst dann möglich geworden, wenn der Vater den Hof an den Sohn überschrieben hätte und dieser so eine eigene Familie gründen konnte.
Die Stadtverwaltung überlegt derzeit, wie sie die vielen neuen Erkenntnisse von Thomas in einem Werk veröffentlichen kann, denn seine Forschungsarbeit entlarvte bislang schon viele geschichtliche Irrtümer, die es auszuräumen gilt.
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