Der Auftrag ist erfüllt, das Ziel bleibt unerreicht

Verein "Für Flörsheim" beschloss seine Auflösung - Vermögen fließt "Lebensbrücke" und Bürgerstiftung zu

Die Vorstandskollegen Bernd Blisch, Peter Hartung und Holger Scheuering (v.l.) dankten dem Vorsitzenden mit einem Blumenstrauß für seine Führungsarbeit, Hans-Jakob Gall stand "Für Flörsheim" seit 2006 vor.

Ein Verein ist Geschichte. Einer, der mehr als 21 Jahre lang Flörsheimer Geschichte begleitet und geschrieben hat. Aber einer, dessen Geschichte im vergangenen Juli mit der Nichtannahme seiner Verfassungsbeschwerden durch das Bundesverfassungsgericht zu Ende ging. Das war jedenfalls die Konsequenz, die der Vorstand von „Für Flörsheim“ aus der Niederlage zog, die er in Karlsruhe kassierte. Alle weiteren verbleibenden juristischen Möglichkeiten der Musterkläger, gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Bau und Betrieb der Nordwestlandebahn des Frankfurter Flughafens wegen des Verstoßes gegen die Grundrechte auf Eigentum, Leben und Gesundheit vorzugehen, waren nach dem unbegründet zurückgewiesenen Antrag chancenlos. So hatte es der Rechtsanwalt des Vereins erläutert – in Frage kam nur noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof.

„Die Arbeit ist getan“, sagte Vorsitzender Hans-Jakob Gall daher mehrfach bei der letzten Jahreshauptversammlung von „Für Flörsheim“ in der Stadthalle, zu der 40 stimmberechtigte Mitglieder erschienen sind. Wie erhofft, kam die nötige 80-Prozent-Mehrheit für den ersten der drei anstehenden Beschlüsse, die Auflösung des Vereins, problemlos zustande, einstimmig ohne Enthaltung.

Der Stellvertretende Vorsitzende, Bürgermeister Bernd Blisch, sowie Rechner Holger Scheuering wurden in einem zweiten Beschluss zu den Liquidatoren bestellt, sie müssen den mit einiger Arbeit verbundenen Prozess der Auflösung nun durchführen. Punkt drei und damit die allerletzte Entscheidung, die „Für Flörsheim“ jemals fällte: Die Verwendung des nicht unerheblichen Vermögens des Solidaritätsvereins. Der hatte einstmals über 1000 Beitrag zahlende Mitglieder und erfreute sich zudem – obwohl er vom Finanzamt als reiner Klageverein den Status der Gemeinnützigkeit verweigert bekam und daher nie Spendenquittungen ausstellten durfte – immer wieder finanzieller Zuwendungen.

Rechner Scheuering benannte den Kassenstand zum 31. Dezember 2021 mit 70.085 Euro. Das Geld soll je zur Hälfte an den Hospizverein „Lebensbrücke“ und an die Flörsheimer Bürgerstiftung gehen, lautete der Vorschlag des Vorstands. Mehr als das Zehnfache, fast 724.000 Euro, kamen in den 21 Jahren über Mitgliedsbeiträge und Spenden in die Kasse hinein und flossen zum Großteil in die Anwaltskosten für die diversen Prozesse, die der Verein anstieß. Der Vorstand – sonst berichtet die Flörsheimer Zeitung über diese Banalität nicht, aber in diesem Fall wäre ein anderer Ausgang eben ein großes Problem geworden – wurde von der Versammlung entlastet.

Seit 2006 stand Hans-Jakob Gall „Für Flörsheim“ vor. Er gab in seinem letzten Rechenschaftsbericht einen Überblick über die im Jahr 2000 beginnende Geschichte des Vereins. Wichtig für ihn: Das im August 2017 erteilte Versprechen „Wir gehen den Weg zu Ende“ habe der Vorstand mit den Klagen beim Bundesverfassungsgericht eingehalten – nur eben nicht mit dem erhofften Ergebnis.

Dennoch bleibende, auf die Arbeit des Vereins zurückzuführende Erfolge sieht er in der Festlegung einer Obergrenze von 17 Nachtflügen durch das Land sowie in dem Klammerverfahren, durch das Flörsheimer Hauseigentümer ihre Dächer auf Kosten der Fraport gegen Wirbelschleppen sichern lassen können – ein Erfolgsmodell. „Seit zwei Jahren ist nichts mehr passiert, die Dächer sind wohl inzwischen alle geklammert“, sagte Gall. Dennoch: „Wir werden mit den Überflügen und dem Fluglärm leben müssen – bei Ostwind mit den landenden, bei Westwind mit den startenden Flugzeugen.“

Er verspüre „keine Wut und keinen Zorn“, versicherte der Noch-Vorsitzende, der nach seiner Rede erst den Applaus von den von ihren Sitzen aufgestandenen Mitgliedern entgegennehmen durfte und danach einen Geschenkkorb für seine Frau, die er nicht mitgebracht hatte. Eine andere Aufmerksamkeit war mit viel Aufwand vor der Veranstaltung in den Saal geschafft worden. Künstler Thomas Reinelt, ein Mitglied der ersten Stunde, präsentierte sein Werk „Ambivalenz“ in Farbstrahlern getaucht. Das aus drei Metallfiguren bestehende Ensemble war seinerzeit eine Umsetzung des Themas Fluglärm durch den Künstler und besteht aus

  • einem Rabenmenschen, der erschrocken die Arme hochreißt und den Blick zum Himmel wendet
  • einem Reisenden /Berufstätigen mit Koffer, als Zeichen, dass Grenzen überwunden und Zeit gewonnen werden könne
  • einen Jugendlichen mit dem gefalteten Flieger, symbolisch für die Technikbegeisterung

Der Verein werde aufgelöst, „das Kunstwerk ,Ambivalenz’ wird bestehen bleiben. Es bezeugt damit auch weiterhin durch sein Vorhandensein die Befindlichkeit der Flörsheimer Bevölkerung“, schreibt Reinelt. „Der Zwiespalt innerhalb unserer Gesellschaft soll damit vielleicht ein wenig eine Überbrückung erfahren.“ Alle Mitglieder des Vereins sollten wissen, „dass ihrem Anliegen damit auch ein Denkmal gesetzt ist“, betonte der Künstler.

Der Verein ist übrigens formal noch nicht aufgelöst. Das wird nach dem Beschluss durch die Liquidatoren nun erst eingeleitet. Daher musste der Vorstand das von ihm genannte Datum der Auflösung (am Tag der Versammlung) aus dem Beschluss streichen lassen. Auf dringenden Rat von Ex-Bürgermeister Michael Antenbrink, der sich auf entsprechende Erfahrungen mit Vereinsauflösungen berief.

Er wies zudem darauf hin, dass die beabsichtigte Verwendungsvorgabe für das Geld an die Bürgerstiftung nicht Teil des Beschlusses sein dürfe. So will der Vorstand, dass der Vorstand der Stiftung jährlich einen „Für Flörsheim“-Preis vergeben soll, der mit 2000 Euro dotiert ist. Rechtlich gesehen kann der Bürgerstiftung solch eine Vorgabe offenbar nicht gemacht werden. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass die Stiftung das Geld entgegennimmt und dann den Willen des edlen Spenders ignoriert.

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