Das Defizit lässt sich auffangen

Kreistag verabschiedet mit den Stimmen der Koalition den Haushalt 2023 - Konsens um Grundausrichtung

Die Investitionen erreichen in diesem Jahr im Main-Taunus-Kreis über 127 Millionen Euro, vornehmlich für den Schulbau, aber auch die Arbeiten am Erweiterungsbau des Kreishauses schreiten voran.

Das Einbringen des Haushalts ist die Show des Landrats und Kämmerers, die abschließende Sitzung des Kreistags nach der Besprechung der Zahlen im Haupt- und Finanzausschuss vor der Verabschiedung die der Fraktionen, insbesondere der Opposition. Am Montag wurde der im Januar von Michael Cyriax vorgelegte Etat des Main-Taunus-Kreises für 2023 nach bekanntem Muster beschlossen: Die Koalition aus CDU, Grünen und FDP stand hinter den Ausführungen, SPD, FWG, Linke und AfD mochten nicht zustimmen. Kleine Abweichung vom Erwartbaren: Die Freien Wähler enthielten sich diesmal, trotz einer launig vorgetragenen Rede von Fraktionschef Andreas Nickel, in der er kräftig über den Umgang der Mehrheit mit den Anträgen der Koalition herzog.

In ganzen drei Fällen zeigte die Koalition sich gnädig und übernahm Vorschläge der Opposition. Zusammen mit der Linken hatte die FWG 10.000 Euro für die Rechtsvertretung der Bürgerinnen und Bürger beantragt, die sich mit einem Begehren gegen eine auf ein Jahr angelegte Sperrung der L3011 durch Hessen Mobil wegen einer Stützwandsanierung im Abschnitt zwischen Hofheim und Lorsbach wehren. 50.000 Euro wurden für Anwalts-, Gerichts- und Gutachterkosten für das Planfeststellungsverfahren „Ultranet“ zusätzlich eingestellt, auch hier arbeiteten Linke und FWG zusammen. Schließlich erhält „Frauen helfen Frauen Main-Taunus“ auf Initiative der Koalition, SPD und FWG 50.000 Euro für die Verwaltungsarbeit.

„Bisher hatten wir nie Anträge durchgebracht, eine Sternstunde, Glückwunsch“, kommentierte Nickel den Erfolg – der „Glückwunsch“ ging dabei natürlich an die Koalition für ihr weises Entgegenkommen, das war seiner Fraktion die Enthaltung wert. Dabei hatte Nickel zuvor ausgiebig vom rituellen „Burning Monday“ berichtet, der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am vorigen Wochenbeginn, bei der die Koalition die Oppositionsanträge ohne auf sie näher einzugehen rundum ablehnte – außer den beiden eben genannten.

2022 habe der Ausschuss die 34 Anträge der Koalition in 24 Minuten abgebügelt, hatte der FWG-Fraktionschef sich notiert. „Dieses Jahr haben Sie für 54 Anträge ganze 27 Minuten gebraucht.“ Man entwickelt sich eben. „Jeder konstruktive Ansatz wird durch die Koalition brandgerodet“, erläuterte Nickel sein Bild. Die FWG wollte vor allem 1,5 Millionen Euro einsparen, die den Etat des umstrittenen Kreis-Investitionsfonds ausmachen. Das Vergabeverfahren der Fördermittel ist in den Augen der Opposition falsch, weil sich dabei auch wohlhabende Städte und Gemeinde immer wieder Gelder sichern, die sie eigentlich nicht bräuchten. „Das ist kein Steuerungsinstrument für die kommunale Zusammenarbeit.“

Es wäre einer der wenigen großen Beträge gewesen, die die FWG verschieben wollte. Am Grundkonstrukt des Etats änderten auch die durchgewunkenen Anträge aus der Koalition nichts Wesentliches. Vor allem arbeitete der Kreisausschuss in elf Anträgen aktuelle Zahlen zu den verschiedenen Ansätzen wie zur Grundsicherung oder dem ALG II ein. Auf Initiative der Koalition kamen Verpflichtungsermächtigungen für Asylbewerber-Unterkünfte (vier Millionen Euro) und beim Immobilienmanagement (150.000 Euro) in die Ansätze, die nicht unbedingt haushaltsrelevant werden müssen.

Die endgültigen Daten

In der Summe wird der Landkreis mit folgenden Grunddaten durch das Jahr 2023 gehen:

  • Defizit im Ergebnishaushalt: 20 Millionen Euro
  • Nettoneuverschuldung durch Kreditaufnahme: 96 Millionen Euro.
  • Kreisumlage: 31,05 Prozent (wie bisher).
  • Schulumlage: 17,20 Prozent (bisher 15,90).

Im von Cyriax vorgelegten Entwurf waren noch 21,2 Millionen Euro Minus erwartet worden. Das Defizit kann durch die Rücklagen ausgeglichen werden, so dass es keine Probleme mit der Genehmigung gegen wird.

Es bleibt dabei, dass der größte Batzen der Investitionen in den Schulbau geht, insgesamt 64,5 Millionen Euro fließen in die Projekte. „Dabei legt der Kreis Wert auf nachhaltiges Bauen mit dem Fokus auf Energie aus erneuerbaren Quellen“, betont der Kreischef. Derzeit decke der Kreis rund 20 Prozent seines Strombedarfs aus Photovoltaikanlagen und Blockheizkraftwerken, „dieser Anteil soll bis 2030 auf 66 Prozent steigen“.

SPD: Wenig Zukunftsweisendes

Die Hauptkritik der Minderheit war weniger das Grundgerüst als das geringe Tempo, mit dem der Main-Taunus-Kreis in die Zukunft strebt. Oppositionsführer Philipp Neuhaus (SPD) betonte, dass er keine pauschale Kritik an Politik und Haushaltskonstruktion üben wolle. So stehe seine Fraktion hinter den Investitionen in den Schulbau und das Kreishallenbad. Dafür, dass der Kreis „vergleichsweise gut“ durch die Pandemie gekommen sei, dankte Neuhaus dem Kreisausschuss und den Beschäftigten des Behörden.

Bei drei Themenfeldern mochten die Sozialdemokraten trotzdem nicht mitziehen, begründete er die Ablehnung des Haushalts durch seine Fraktion. So wollte die SPD einen „kw“-Vermerk für die dritte hauptamtliche Kreisbeigeordnetenstelle mit B4-Besoldug, „sie ist und bleibt aus unserer Sicht überflüssig“. Die demnächst auslaufende Beigeordnetenstelle sollte demnach nicht wiederbesetzt werden. Die Stelle sei einzig dem Parteiproporz geschuldet. Selbst der Vizepräsident des Hessischen Landeskriminalamtes, „quasi der zweithöchste Polizist in Hessen“, werde nur mit B3 besoldet.

Die SPD hätte zudem gerne die Kreisumlage deutlich gesenkt. Trotz der Senkungen der vergangenen Jahre wüchsen die Einnahmen Jahr um Jahr, rund 130 Millionen Euro mehr zahlten die Kommunen als bei der Amtsübernahme durch Cyriax 2011, 330 Millionen Euro. „ohne dass in gleichem Maße mehr Leistungen des Kreises zu verzeichnen sind“.

Kritik üben die Sozialdemokraten auch am Mangel bezahlbaren Wohnraums. Der neue Wohnungsbaukoordinator werde deutlich schlechter entlohnt und solle laut dem Landrat auch noch für die Wirtschaftsförderung tätig sein. „In diesem Haushalt mit einem Volumen von über 500 Millionen Euro ist nicht ein einziger Cent dafür vorgesehen, auch nur einen Quadratmeter neuen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, kritisiert Neuhaus.

Die Linke hadert mit den Grünen

Sehr detailreich widmete sich Thomas Völker (Linke) dem Konstrukt. Auch er setzte in seinen Ausführungen seine Zustimmung zum „unbeirrten“ Festhalten am Schulbauprogramm „trotz aller Kostensteigerungen“. Daneben allerdings findet er „wenig Zukunftsweisendes“ im Haushaltsentwurf. „Im Prinzip hat sich im Vergleich zum Vorjahr inhaltlich kaum etwas verändert.“ Der Main-Taunus-Kreis sei auf „einer entspannten Kreuzfahrt in ruhiger See, und kein Wölkchen am blauen Himmel“.

Dabei zeige der Landessozialbericht, der erstmals auch nach Kreisen aufbereitet worden sei, dass der Main-Taunus-Kreis viele Superreiche, „zugleich aber auch eine der höchsten Ungleichheits-Spannen in der Bevölkerung in Hessen“ aufweise. Im Kreis seien viele Menschen arm, „selbst wenn sie eine Erwerbsarbeit haben“. Die aktuelle Inflation treffe ärmere Menschen deutlich härter als Einkommensmillionärinnen und -millionäre. „Wo finden wir diese Entwicklung im vorliegenden Haushaltsentwurf berücksichtigt? Nirgendwo!“, kritisierte Völker. Absurd sei es da, dass im Haushalt bei der sozialen Wohnraumvermittlung 28.000 Euro eingespart werden.

Völker arbeitete sich deshalb vor allem an den Grünen ab, um die Kreisbeigeordnete Madlen Overdick. „Die schwarz-grün-gelbe Koalition will einfach nicht die Lebenssituation von armen Menschen nachhaltig verbessern.“ Das mag in dieser Koalitionskonstellation mit CDU und FDP nicht überraschen, erläuterte er. „Wo ist denn dann wenigstens der große Wurf für den Umwelt- und Klimaschutz?“, fragte er an die Adresse der Grünen. Auch da vermochte er nichts Tragendes erkennen im Etatentwurf. „Mir blutet das Herz, was mit den Grünen hier im Kreis eigentlich los ist.“

Overdick habe bereits bekundet, dass es auch im neuen Schuljahr keine Schuleingangsuntersuchung für alle Kinder geben werde. Bei der Erziehungsberatungsstelle gebe es Wartezeiten von über 70 Tagen für eine Erstberatung. „Waffenkontrollen sind seit Jahren nicht existent“. Der Rettungsdienst sei zudem „massiv personell unterbesetzt“. Dass im Jugendamt laut Jugendhilfeausschuss 25 Vollzeitstellen unbesetzt seien, wertet Völker als „klaren Fall von Kindeswohlgefährdung.“

AfD erwartet teures Hallenbad

AfD-Vertreter Hendrik Lehr ging nicht auf einzelne inhaltliche Punkte ein. Vergebliche Liebesmüh beim Abstimmungsverhalten der Koalition, findet er. „Wir könnten auch den Antrag stellen, dass die Arbeitswoche am Montag beginnt.“ Fest steht für ihn, „die Regierung kann mit Geld nicht umgehen“, das zeige das Schulden machen, „das schadet dem Handeln in der Zukunft“. Lehr prognostizierte, dass der Bau des Kreishallenbades „doppelt so teuer wird wie geplant“.

CDU: Ein attraktiver Landkreis

Selbstverständlich zufrieden mit der Konstruktion des Haushalts sind die drei Koalitionsfraktionen. So begann CDU-Fraktionschef Frank Blasch seine Rede gleich mit dem Versprechen, dem Etat zuzustimmen. Die 127 Millionen Euro Rekordinvestitionen sorgten „für einen attraktiven Landkreis mit guten Bildungsmöglichkeiten“. Aber nicht nur die Ausgaben für Bauvorhaben im Zusammenhang mit Schulmodernisierungen und -erweiterungen zählten dazu. auch das geplante „Main-Taunus-Bad“ in Kriftel finde im Haushalt hinreichend Beachtung und soll im Frühjahr 2024 als Kreishallenbad seinen Betrieb aufnehmen.

„Damit wird die für den Schul- und Vereinssport dringend benötigte zusätzliche Wasserfläche geschaffen“, betonte Blasch. Die CDU-Fraktion stehe ebenso zu den Kliniken in kommunaler Trägerschaft und stimme daher auch der Übernahme der zu erwartenden Verluste zu. Die Probleme in der Gesundheitspolitik rühren für ihn eher woanders her. „Der Bund ist dringend dazu aufgerufen, die Rahmenbedingungen für die Kliniken in Deutschland so zu reformieren, dass Krankenhäuser auch wieder ohne Defizite arbeiten können“, forderte der Fraktionschef.

Die höheren Heizkosten für die kreiseigenen Gebäude, aber auch gestiegene Baukosten belasteten den Kreishaushalt deutlich. „Der Landkreis ist durch solides Wirtschaften in der Lage, Rekordinvestitionen zu tätigen und damit gut für kommende Herausforderungen gerüstet“.

Grüne: Für einen bunten MTK

Bianca Strauß (Grüne) setzt sich als Ziel der Ausrichtung des Kreises, „dass sich die Leute im Kreis wohlfühlen“. Sie bewertet im Gegensatz zur Opposition den Haushalt sehr wohl als „stabil und in die Zukunft gerichtet“. Sie nannte Beispiele wie die personelle Aufstockung bei den Bildungsangeboten, 30.000 Euro weist der Etat für die Fachberatung queerer Menschen auf, „Wir wollen einen bunten MTK, Vielfalt ist Bereicherung“, so Strauß.

Die Finanzierung zusätzlicher Unterkünfte für Geflüchtete, mit zehn Millionen Euro ausgestattet, hob sie ebenso hervor., „Der Dank gilt allen Helferinnen und Helfern, es ist gelungen, die Geflüchteten ordentlich aufzunehmen, weil es viel solidarische Hilfe gab“.

Der Kreis werde bei seinen Bauprojekten wie der Hattersheimer Grundschule, die als Energie-plus-Gebäude geplant werde, mit 700 Kilowatt Leistung der Photovoltaikanlagen eine Vorbildfunktion im Kreis ausfüllen, ebenso wie die Variano-Klinik in Höchst als erstes Passivhaus-Klinikum, „da zahlen sich die guten Entscheidungen der Vergangenheit jetzt aus“.

FDP: Kreis als Krisenmanager

Auch Dirk Westedt (FDP) war es wichtig, zunächst denjenigen zu danken, die sich um die Geflüchteten kümmerten, die im Main-Taunus-Kreis ankommen, „unter den Helfenden sind auch unzählige Ehrenamtliche“. In schwer planbaren Zeiten sei die Spitze der Verwaltung als Krisenmanager gefragt. Er sieht im Haushalt eine Ausgabenseite, „die uns Sorge bereiten muss“. Gerade durch die Flüchtlingssituation sei dies so, „Bund und Land sollten ausreichend Mittel zur Verfügung stellen“.

Die Haushaltsansätze wertet der FDP-Fraktionschef als „Zeichen der Verlässlichkeit in unseren gemeinsamen Zielen“. Weil der Main-Taunus-Kreis auch als Zuzugsgebiet beliebt ist, sei der Ausbau von Schulen und dadurch der Anstieg der Schulumlage um 1,3 Punkte notwendig, ab 2026 gebe es schließlich eine Ganztagsgarantie, die es umzusetzen gelte. Mit dem Kreishallenbad und weiteren Projekten verfolge der Kreis „ein gewaltiges Bauprogramm“. Dass für die Investitionen fast 100 Millionen Euro an Krediten aufgenommen werden, gefällt Westetdt gar nicht. „Das sollte einmalig bleiben.“

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