Einblick in außergewöhnliche Lebenswelten

Ausstellung über lesbisches, schwules und trans* Leben im Flörsheimer Seniorenheim

Die jüngst in der Dorea Familie Eduard Schwerzel präsentierte Wanderausstellung "Besonders habe ich mich immer gefühlt" hat die Geschichten und Lebenserfahrungen von sieben älteren Lesben, Schwulen und Trans*-Personen im Alter von 64 bis 85 Jahren beleuchtet. Die Ausstellung, eine Initiative der Hessischen Landesfachstelle LSBT* im Alter, hatte zum Ziel, die Besonderheiten, Wünsche, Erwartungen und Ängste dieser oft in der Altenhilfe und Pflege überhörten oder unsichtbaren Senioren und Seniorinnen vorzustellen. Durch persönliche Erzählungen und fotografische Porträts gab sie jenen ein Gesicht und eine Stimme, die meinen, sich verstecken zu müssen. Die Ausstellung präsentiert auf neun Roll-Ups die Geschichten der Personen, vereint durch Fotografien, prägnante Zitate und ausführliche Beschreibungen ihrer Lebenswege, die Einblicke in ihre Erfahrungen und Identitäten geben.

Bei der Eröffnung der Ausstellung unterstrich der neue Einrichtungsleiter, Stefan Nardelli, neben Susanne Wiederhold, der Leiterin des Sozialdienstes, die Bedeutung von Akzeptanz und Vielfalt. Nardelli betonte die Wichtigkeit der Sensibilisierung für die Themen der lesbisch, schwulen und trans*-Senioren (LST*) in der Altenpflege und des Abbaus von Vorurteilen. Die Ausstellung sei ein Zeugnis der Vielfalt, Stärke und Einzigartigkeit jedes Einzelnen und ein erster Schritt auf dem Weg, die Bedürfnisse und Wünsche dieser Gemeinschaft in der Altenpflege angemessen zu berücksichtigen.

"Diese Ausstellung ist unser Beitrag, Sensibilität für das wichtige Thema der LST*-Senioren zu schaffen und Sichtbarkeit zu stärken. Jeder ist willkommen und darf hier so leben, wie er möchte. Wir sind stolz, diesen ersten Schritt zu gehen und gemeinsam eine Welt der Toleranz und des Respekts zu erkunden." so Nardelli.

André Kunert, Regionaldirektor und Geschäftsführer bei der Dorea Familie, hob hervor, wie die Ausstellung und deren Teilnahme ein Zeichen gegen Diskriminierung und für Akzeptanz verschiedener sexueller Orientierungen setzen. Trotz seines persönlich toleranten Umfelds erkannte Kunert die Notwendigkeit, gerade für die Generation der Bewohner, die in weniger offenen Zeiten aufgewachsen sind, ein Bewusstsein zu schaffen.

Durch teilweise kritische Diskussionen im Bekanntenkreis über die Relevanz solcher Ausstellungen in der heutigen Zeit, betonte er die Wichtigkeit der Aufklärung über die rechtliche und gesellschaftliche Entwicklung bezüglich Homosexualität in Deutschland. Die Ausstellung zielt darauf ab, ein geschütztes und akzeptierendes Umfeld zu fördern, in dem jeder frei und ohne Angst seine Identität leben kann. Kunert unterstrich mit den Worten "Normalität braucht viele Zwischenschritte", dass das, was für einige normal erscheint, für andere nicht selbstverständlich ist und Sensibilisierung und Verständnis für Vielfalt essenziell sind.

Bürgermeister Bernd Blisch zeigte sich erfreut über die Eröffnung der Ausstellung im Eduard Schwerzel Haus, betonte die Bedeutung des Seniorenheims als neuen Ort für kulturelle Veranstaltungen und lobte die Initiative, die Einrichtung auch für externe Besucher zu öffnen. Er unterstrich, wie wichtig es ist, dass das Seniorenheim nicht nur ein Platz für Bewohner und ihre Familien ist, sondern auch ein Ort der Begegnung für die gesamte Gemeinschaft. Die Offenheit für Kultur und Austausch sowie die Einladung an die Öffentlichkeit, an Veranstaltungen wie dieser Ausstellung teilzunehmen, wurde als positiver Schritt hervorgehoben.

Der Bürgermeister dankte für das Engagement des Seniorenheims und betonte die Möglichkeit, diese Praxis mit verschiedenen Themen fortzusetzen, um den kulturellen Horizont der Stadt weiter zu erweitern. Er schloss seine Rede mit den Worten: "Es ist eine wunderbare Sache, dass sie das Seniorenheim für die Allgemeinheit öffnen. Es zeigt, dass wir in Flörsheim Orte schaffen wollen, wo Kultur und Gemeinschaft zusammenkommen. Es bereichert unsere Stadt und bringt uns alle näher zusammen."

Elke Kreß von der hessischen Landesfachstelle LSBT* im Alter hob hervor, dass die Ausstellung eine Reise in die Lebenswelten von Menschen anbiete, die ihre Wünsche und Ängste oft nicht sichtbar gemacht haben. Die Ausstellung solle nicht nur zum gegenseitigen Verständnis beitragen, sondern auch zur Diskussion über die Bedarfe und Wünsche von LST*-Senioren anregen. Kreß betonte: "Diese Ausstellung ist eine Einladung, die vielfältigen Lebenswege von LST*-Senioren und Seniorinnen zu erkunden und durch ihre Geschichten ein tieferes Verständnis für die Bedeutung von Akzeptanz und Sichtbarkeit in jedem Alter zu gewinnen." Sie zeige, dass es nie zu spät sei, für seine Identität einzustehen "und dass jede Person das Recht hat, ohne Angst und Vorbehalte ihr wahres Selbst zu leben."

Ein Gesprächsabend mit einer Protagonistin der Ausstellung bot zudem die Gelegenheit, tiefer in die Thematik einzutauchen und den Austausch zu fördern. Sue, eine 71-jährige transidente Frau, teilte ihre bewegende Lebensgeschichte der späten Selbstfindung. Geboren im Körper eines Jungen, spürte Sue schon früh, dass sie sich nicht mit diesem Geschlecht identifizieren konnte. Trotz der gesellschaftlichen Erwartungen heiratete sie und gründete eine Familie, doch erkannte mit der Zeit ihre wahre Identität als Frau. Sue begann ihre Hormonersatztherapie 2018 und durchlief eine Namens- sowie eine Geschlechtsangleichung bis 2022. Schritte, die sie als integralen Teil ihrer Identität und ihres Glücks sieht.

Jahrelang lebte Sue mit dem Geheimnis ihrer Identität und outete sich erst nach ihrer Pensionierung bei ihrer Frau und ihrer Familie, die sie letztendlich akzeptierten und unterstützten. Heute ist Sue eine aktive Rednerin und Befürworterin für die Rechte von transidenten Menschen und der gesamten queeren Gemeinschaft, inspiriert von ihrer eigenen Reise zur Selbstakzeptanz.

"Ich habe lange gebraucht, um zu mir selbst zu finden, aber heute blicke ich in den Spiegel und sehe die Frau, die ich immer war", sagte sie. "Meine Reise war nicht einfach, aber sie hat mich zu meinem authentischen Selbst geführt – und dafür bin ich zutiefst dankbar."

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