Das ewige Licht in der Kapelle ist erloschen

Das Ende eines Kirchenraumes: Die Pfarrer Friedhelm Meudt und Christian Preis entweihen einstige Marienkapelle

Im 6. Obergeschoss des ehemaligen Marienkrankenhauses wurden über Jahrzehnte von der St.Gallus-Gemeinde sonntags Gottesdienste abgehalten, der Raum diente ansonsten als Rückzugsort. Wegen des Umbaus des Gebäudes zu einem Gesundheitszentrum endet diese Funktion des 200 Quadratmeter großen Raums nun mit einem letzten Gottesdienst.

Es geht um Erwartungen und Entwicklungen, die dann doch anders liefen, als viele sich das erhofft hatten. Was am Sonntag hoch oben in der bisherigen Kapelle des ehemaligen Marienkrankenhauses geschah, macht jedenfalls manches Mitglied der katholischen Gemeinde St. Gallus traurig oder auch missmutig. Die SPD als Oppositionskraft in der städtischen Politik hat auch schon reagiert und kritisiert die Entweihung der Marienkapelle im künftigen Gesundheitszentrums „scharf“, wie die Sozialdemokraten hervorheben – nicht die Entweihung selbst, sondern dass es dazu kommen musste, wohlgemerkt.

Die Kirchengemeinde selbst nannte es zurückhaltend „ein seltenes Ereignis“, was nun eher auf Flörsheim denn die sakralen Gebäude in Deutschland insgesamt zutrifft. Es hat in diesem speziellen Fall aber nichts mit dem Schwund von Gemeindemitgliedern zu tun, dass die katholische Kirche auf den eindrucksvollen, 200 Quadratmeter großen Raum im Obergeschoss des im Umbau befindlichen Gebäudekomplexes in der Hospitalstraße künftig verzichten wird. Die Pfarrer Friedhelm Meudt und Christian Preis entfernten bei der letzten Heiligen Messe in der Kapelle die Reliquien und alle religiösen Symbole wie die Osterkerze, streng nach einem vorgegebenen Ritus für solch eine „Profanierung“.

Preis war es, der bis zuletzt die sonntäglichen Messen in der Kapelle gefeiert hatte und daher auch als letzte Handlung das ewige Licht im Raum auspustete. „9 Uhr, St. Gallus. Eucharistiefeier (Krankenhaus)“, kündigte die Kirchengemeinde über viele Jahre hinweg die Gottesdienste in der Kapelle an, zuletzt noch für den vergangenen Sonntag. Und das mag ein Teil des emotionalen Problems sein, der mit dem Abschied von diesem sakralen Raum entsteht. Denn die Kapelle war schon seit mehr als vier Jahren kein Bestandteil eines Krankenhausbetriebs mehr, auch wenn sich das im Sprachgebrauch nicht nur der gläubigen Flörsheimerinnen und Flörsheimer nie festsetzte.

Doch ob Krankenhaus oder nicht, die Kirchengemeinde St. Gallus hat mit der Entweihung einen Kirchenraum aufgegeben, aufgeben müssen, weil dieser in den Planungen des Projekts „Gesundheitscampus“ keinen Platz mehr hat. Die SPD sieht mit dem Ende, genauer im Nichterhalt, einen Bruch von wichtigen Zusagen und Versprechungen, die dazu beigetragen hätten, „dass die Mehrheit der Stadtverordneten schließlich das städtische Grundstück, auf dem das ehemalige Krankenhaus steht, ohne Auflagen und Mitspracherechte den Investoren überließ“. Die Erste Stadträtin Renate Mohr (GALF), heißt es weiter, sei „zumindest blauäugig, wenn nicht sogar willfährig gegenüber den Investoren gewesen“.

Seit April 2014 schon, mit dem Übergang des Gebäudes von der „Fränkischen Provinz der Dominikanerinnen“ an die neu gebildete Marienkrankenhaus gGmbH, zeichnete sich ab, dass die enge Bindung des Klinikbetriebs an die katholische Kirchengemeinde zu Ende geht. Von der Schließung der als Belegkrankenhaus weitergeführten Einrichtung durch die Gesellschaft zum 30. September 2017 war der sakrale Raum im Obergeschoss nicht direkt betroffen, außer dass er fortan nicht mehr so stark frequentiert war, da es keine stationäre Patienten oder Angehörige mehr gab, die ihn hätten aufsuchen können.

Vertraglich geregelt wurde schon 2014, dass das Grundstück im Falle der Aufgabe des Gebäudes als Krankenhaus an die Stadt zurückgeht, die sich freilich erst gar nicht in der Rolle eines Ersatz-Klinikbetreibers versuchte. Die Geschichte des Marienkrankenhauses ging zu Ende, das Bestreben der Stadt war dennoch groß, den Bürgerinnen und Bürgern an diesem Ort zumindest eine medizinische Versorgung vor Ort zu gewährleisten und man suchte einen Investor, der das Gebäude übernimmt, unter den Vorgaben der Stadt saniert und dann an einen neuen Träger übergibt. Erst im Sommer, mit dem Beginn der Umbauarbeiten, übernahm die Ingelheimer J. Molitor Immobilien GmbH als Investor von der Marienkrankenhaus gGmbH das Grundstück samt Gebäude.

Wenn die SPD nach dem Aus für die Marienkapelle nun davon spricht, dass damit „Zusagen und Versprechungen gebrochen“ worden seien, „sowohl der Investoren, als auch der Stadt Flörsheim“, dann beziehen sich die Sozialdemokraten auf die Berichtsunterlagen zum Gesundheitszentrum, die den Gremien vor zweieinhalb Jahren vorgelegt wurden. Konkret führen sie dabei eine Broschüre an, in der der Investor den Fraktionen seine Pläne mit Sachstand 12. August 2019 vorstellte. Hier hat folgende Aussage zu den Überlegungen für den 6. Stock einen eigenen Absatz bekommen: „Die Kapelle im 6. OG bleibt erhalten.“

Eine recht klare Festlegung also. Die damals frisch gebackene Erste Stadträtin Mohr legte der Stadtverordnetenversammlung in der Sitzung am 5. September 2019 eine Beschlussvorlage vor, die „den Abschluss einer vertraglichen Vereinbarung mit der Marienkrankenhaus gGmbH, in der die Stadt auf ihr Rückübertragungsrecht verzichtet“ vorsah. Die gGmbH (oder deren Rechtsnachfolger) ging dafür die Verpflichtung ein, das Grundstück, grob gesagt, vornehmlich für Zwecke der Gesundheitsleistungen zu nutzen. Aber auch für Wohnnutzung, eine Cafeteria und – für das Thema interessant – als „Versammlungs-/ Gemeinschafts-/ Veranstaltungsfläche“, denn hier wird in Klammern angefügt „(ehem. Kapelle)“ explizit genannt.

„Ehemals“ war zu dem Zeitpunkt zweifellos eine falsche Bezeichnung, da die Kapelle auch damals, zwei Jahre nach Schließung des Krankenhauses, als solche weiter genutzt wurde. In der Begründung zu dem Antrag führt die Verwaltung dann auch aus: „Auch die im 6. Obergeschoss befindliche Kapelle soll in die Sanierung mit einbezogen und dauerhaft erhalten werden. Hierzu gibt es Überlegungen, diese zum Beispiel als Ort für alternative und konfessionsübergreifende Trauungen und Hochzeitsempfänge in Kooperation mit der Stadt Flörsheim zu nutzen“.

Und genau hier setzt die Entgegnung von Renate Mohr an. Denn während die SPD in dieser Passage einen Beleg dafür sieht, dass die Stadtverordnetenversammlung dem Vertragsabschluss unter der Prämisse zustimmte, dass die Kapelle in ihrer bisherigen Funktion erhalten bleibt, berichtet sie von anderen Grundannahmen. „Kapelle war in den Überlegungen immer mehr als Bezeichnung für diesen Raum zu verstehen, alle wussten, dass er nicht geweiht bleiben kann“, betont sie.

Spätestens als Molitor-Geschäftsführer Lars Heimann vor elf Monaten im Bauausschuss zum Sachstand der Planungen berichtete, bekamen die Fraktionen aus erster Hand zu hören, dass der sakrale Raum keine Zukunft hat. Das Dachgeschoss werde als Veranstaltungsraum erhalten bleiben, erläuterte Heimann. „Vielleicht lässt sich ganz oben sogar ein Panorama-Restaurant einrichten“, lauteten die Überlegungen ein halbes Jahr vor der Übergabe des Grundstücks an den Projektentwickler.

Dass die Bedingungen für einen geweihten Raum im künftigen Gesundheitszentrum einzuhalten wären, kann Mohr sich nicht vorstellen, „schließlich muss dazu das ewige Licht brennen und eine gewisse Anzahl an Gottesdiensten abgehalten werden“. Seitens der Kirchenvertreter hat sie auch keine Kritik an der Entwicklung zu hören bekommen, „sie waren eher dankbar, dass sie den Raum noch so lange nutzen durften, es gab keinen böse Zungenschlag“. Das wiederum kann die Flörsheimer SPD nicht nachvollziehen. „Traurig ist, dass sich die katholische Kirchengemeinde anscheinend nicht dagegen gewehrt hat“, resümieren die Sozialdemokraten den Verlust des sakralen Raumes.

Die Wehmut, die viele Bürgerinnen und Bürger angesichts des Endes der Kapelle empfinden werden, könne sie nachvollziehen, betont Mohr. „Viele Flörsheimerinnen und Flörsheimer sind dort getauft worden, der Raum hat zu einem Krankenhaus auch unheimlich gut gepasst. Man konnte sich zurückziehen, etwa nach Diagnosen, oder auch in freudigen Momenten.“

Bei einer künftigen Nutzung des Gebäudes als „Gesundheitscampus“ sei der Weiterbestand der Kapelle aber nun einmal nicht zu rechtfertigen. Mohr lobt die Gesprächsbereitschaft der J. Molitor Immobilien über ihre Planungen, „sie müssten eigentlich nichts groß mit uns abstimmen. Aber das Gebäude ist so wichtig und liegt in Flörsheim an einem so zentralen Ort, dass auch Molitor ein Interesse hat, das mit uns zusammen zu entwickeln“. Aus dem „guten Miteinander“ werde am Ende ein Gesundheitszentrum die medizinische Versorgung für 22.000 Bürgerinnen und Bürger sichern, zeigt sich die Erste Stadträtin überzeugt.

Und was ist mit dem Schwimmbad?

Auch bei der Entwicklung zur Zukunft des Schwimmbads und dessen Integration in den „Gesundheitscampus“ werden Hoffnungen enttäuscht. In der Beschlussvorlage der Verwaltung vom August 2019 wird die Überlegung geäußert: „Das im Keller befindliche ehemalige Schwimmbad könnte nach einer grundhaften Sanierung ebenfalls eine neue Nutzung erfahren. Neben einer therapeutischen Funktion wäre hier auch eine Möglichkeit der Inanspruchnahme durch die Grundschule wünschenswert.“ Dies so anzugehen, sei mit Molitor „grundsätzlich vereinbart“ worden. Es sollte noch geprüft werden, ob es eine Kooperation für den Schulsport mit dem Main-Taunus-Kreis geben könnte.

Als Molitor-Geschäftsführer Heimann vor elf Monaten im Bauausschuss den aktuellen Planungsstand berichtete, sah er nur noch wenig Chancen für einen Fortbestand des Schwimmbads. Das Becken zu erhalten wäre zwar ganz nett, gestand er seinerzeit zu, „aber das ist nicht ganz einfach“. Denn wer habe schon Lust, ein Schwimmbad zu betreiben? Zumal das kleine Becken (10 mal 5 Meter) nicht vollwertig etwa für den Schwimmsport nutzbar ist.

„Es gab Interessenten für eine Nutzung“, betont die Erste Stadträtin. „Wir standen mit Schwimmschulen in Verbindung, für Kinderschwimmen und Anwendungen wäre das Becken schließlich durchaus geeignet.“ Doch keiner der Interessenten hätte das Bad mit so vielen Stunden belegen können, dass es sich gelohnt hätte. Treffen um auszuloten was geht habe es auch mit den Hochheimer Schwimmbadbetreibern und der DLRG gegeben – letztlich ohne Ergebnis.

Molitor spart Mohrs Kenntnisstand nach die weiteren Planungen für den Kellerraum derzeit aus, will das Becken vorerst nicht zuschütten – endgültig entschieden ist das Thema daher noch nicht. „Am Ende müsste die Stadt das bezahlen und es betreiben“, vermutet Mohr jedoch. Und das kann sie sich nicht recht vorstellen. „Wenn wir es betreiben, müssten wir dafür eine zusätzliche Stelle schaffen und jemanden einstellen, der danach schaut – zu komplex die Anforderungen, zu umfangreich die Aufgaben, das stünde in keinem Verhältnis.“ Die Stadt fällt hier als Akteur also aus.

Für Kapelle wie Schwimmbad gelte für die Stadt letztlich: „Es geht bei dem Projekt vor allem um die medizinische Versorgung“, hält Mohr fest. Hier sei die Verwaltung sehr glücklich damit, dass die Planungen auf einen deutlich höheren Anteil der Nutzung des Gebäudes für medizinische Dienstleistungen hinausliefen, als Molitor zur Bedingung für die Übernahme des Auftrags gemacht worden seien, er liegt bei rund 60 Prozent.

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