Neben dem liturgischen Fahrplan für Festgottesdienst und Prozession schmunzelten die Priester über ein Zeitfenster zur „Bio-Pause“, wie Jung den Gang zur Toilette augenzwinkernd umschrieb. „Heute wird nichts dem Zufall überlassen“, stellten die langgedienten Priester fest, denen die persönliche Erfüllung des Gelöbnisses aber weit mehr bedeutete als das Protokoll. So blieb am Rande der Prozession auch im Jubiläumsjahr Zeit für manch persönliche Umarmung mit lieb gewonnenen Flörsheimern. Auch zum Bestaunen der aufwendig geschmückten Hauseingänge, Garagenvorplätze, der Kindergartenfassade oder auch der Gasthauszugänge blieb während der Prozession Zeit. Gerade die Mühen der „Hirsch“-Wirtin, die die Galluskirche in einem Sandbild mit den Worten „Vor Gott sind alle gleich“ gestaltete, wurden gelobt. Ja, selbst der Herr Kardinal plauderte vor dem Blumenteppich mit der vierjährigen Hanna, die inmitten der Geistlichen ihre Augen staunend auf den Bischofsstab richtete und wie in Ehrfurcht erstarrt Kardinal Woelki nicht mehr von der Seite wich.
Gott ist für alle da
Gerade in seiner Predigt hatte Kardinal Woelki auch die Menschlichkeit betont und sich dafür stark gemacht, dass der Geist des Verlobten Tages sich eben nicht nur auf das Tragen des Baldachins und der Monstranz am Feiertag beschränken dürfe: „Gehen Sie als lebendige Monstranz durchs Leben.“ Flüchtlinge etwa seien dabei als Geschwister zu sehen. Auch beim Sterben dürften Christen ihre Mitmenschen nicht alleine lassen. „Wir brauchen eine Sterbehilfe, die wirklich hilft: Eine geistliche Begleitung“, sagte der Kölner Kardinal, dem eine palliative und medizinische Betreuung am Ende des Lebens nicht genügen. Gott sei unbestechlich und nicht nur für diejenigen da, die Opfer bringen oder besonders fromm sind. Das Thema des Verlobten Tages „Werft eure Zuversicht nicht weg“ dürfe daher auch nicht missverstanden werden, denn Gottes Liebe fuße niemals auf einem Belohnungssystem für fromme Taten. Vielmehr sollten sich die Gläubigen für ihr Handeln stets die Kraft im Glauben holen, um eben nicht müde zu werden und sich beispielsweise in der Flüchtlingsarbeit zu engagieren oder sich für soziale Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen. „Wir müssen den Geist des Erbarmens wach halten und dürfen uns nicht aus dem Alltag der Welt herausziehen“, so die Worte des Predigers, die mit Applaus bestätigt wurden.
„Großer Gott, wir loben Dich“
Zur Prozession durch die Straßen der Stadt reihten sich mehr und mehr Gläubige ein, schnell war die Tausender-Marke überschritten. Am Christkönigsaltar hatte die evangelische Gemeinde den Vers „Lasst uns mit aufrichtigem Herzen und in voller Gewissheit des Glaubens hintreten“ (Hebr. 10,22) thematisiert, bevor die katholischen Verbände DJK, KAB, Kolping, kfd und KjG am Pestkreuz das Augenmerk auf „Lasst uns an dem unwandelbaren Bekenntnis der Hoffnung festhalten“ (Hebr. 10,23) richteten. Die ökumenischen und karitativen Gruppierungen (Caritaskreis, Asylkreis, Laurentius-Münch-Haus, Hospiz Lebensbrücke, Sozialstation, ökumenische Kleiderkammer und Fundgrube) erarbeiteten die Texte zu „Lasst uns aufeinander achten und uns zur Liebe und zu guten Taten anspornen“ (Hebr. 10,24). Das Logo des Jubiläumsjahres war auf dem großen Blumenteppich am Mainufer zu sehen. Ministranten und Konfirmanden hatten den Blumenteppich in der Frühe gelegt. Gemeinsam mit Schülern der örtlichen Schulen baten sie unter anderem um Mut, ihren Glauben zu leben, um Freunde für Flüchtlinge und um gegenseitige Achtung im Schulalltag. Am Rande der Altäre sammelten sich erstmals stets Mitglieder der Gehörlosengemeinde, die die geistlichen Texte durch Pfarrer Christian Enke in Gebärdensprache übersetzt bekamen. Auch für manch Hörenden unterstrichen die Gebärden das Gesagte auf außergewöhnliche Weise.
Nach der langen Prozession drängten sich die Gläubigen zum Abschlusssegen in die Galluskirche. Beim ergreifenden Schmettern des Chorals „Großer Gott wir loben Dich“ war das Spiel der Solisten auf der Orgel nur stellenweise zu hören. Anders hingegen bei der musikalischen Gestaltung des Festgottesdienstes. Die Kantorei sang die Messe in G-Dur von Franz Schubert und machte mit der Motette „Nos sumus testes“, die 2014 zur Einführung von Rainer Maria Kardinal Woelki als Erzbischof von Köln entstanden war, dem Ehrengast eine besondere Freude. Neben der Kantorei wirkten zahlreiche Solisten mit. Die musikalische Leitung lag in den Händen von Diözesankirchenmusikdirektor Andreas Großmann.
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