Ein letztes Lied am langen Tisch

Flörsheimer Sängerbund löst sich nach 178 Jahren auf

Ein wehmütiger Moment, als sich die Mitglieder des traditionsreichen Sängerbundes zum letzten Mal in den Clubräumen der Stadthalle versammeln.
Ein wehmütiger Moment, als sich die Mitglieder des traditionsreichen Sängerbundes zum letzten Mal in den Clubräumen der Stadthalle versammeln.

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Es ist ein Anblick, der zugleich feierlich und wehmütig stimmt: An einer langen Tafel in den Clubräumen der Stadthalle versammeln sich die Mitglieder des traditionsreichen Sängerbundes am vergangenen Mittwoch zum letzten Mal, um gemeinsam auf die 1847 gegründete Gemeinschaft anzustoßen – und ihr Lebewohl zu sagen. Die Auflösung ihres Vereins steht bevor, doch an diesem Abend wollten sie noch ein letztes Mal die alten Lieder erklingen lassen, Erinnerungen austauschen und das kameradschaftliche Miteinander genießen.

"Es fühlt sich ein wenig an wie das letzte Abendmahl", sagt ein langjähriges Mitglied mit einem nachdenklichen Lächeln. Der Sängerbund, der Generationen von Musikbegeisterten geprägt und wöchentliche Proben abgehalten hat, wird schmerzlich vermisst werden. Das regelmäßige Singen, das kameradschaftliche Beisammensein und das Gefühl, gemeinsam etwas Großes zu schaffen – all dies war über Jahrzehnte hinweg fester Bestandteil ihres Lebens.

Einer, der dies besonders deutlich macht, ist Günther Chwalek. Er blickt auf unzählige Proben, Auftritte, gesellige Runden zurück und erinnert sich an seine Zeit im Vorstand des Vereins. Eines hat er immer geschätzt: die enge Verbundenheit und das gemeinsame Musizieren, das ihn auch über die Vereinsgrenzen hinaus stets begleitete.

Später sang Chwalek nicht mehr aktiv, hielt dem Sängerbund jedoch die Treue. Als Pressesprecher kümmerte er sich um die Außenwirkung und das Vereinsleben. „Mir ging es immer darum, die Atmosphäre einzufangen“, sagt er lächelnd. „Weniger um die Frage, wie viele Konzerte wir gegeben haben oder wie viele Mitglieder gezählt wurden – wichtiger war mir, die Stimmung der Gruppe wiederzugeben.“

Chwalek betont, dass genau diese Gemeinschaft, der Zusammenhalt und die Liebe zur Musik den Kern des Sängerbundes ausmachten. „Man konnte in manchen Dingen unterschiedlicher Meinung sein, doch nach außen traten wir immer geschlossen auf“, erinnert er sich.

Viele der Anwesenden nicken zustimmend, während sie die Erinnerungen an vergangene Chorfahrten und Konzerte austauschen. Früher seien es weit über 100 aktive Mitglieder gewesen – eine große Sängerfamilie, die nun geschrumpft ist. Verschiedene Gründe, nicht zuletzt das fortschreitende Alter und mangelnder Nachwuchs, führten letztlich zur schweren Entscheidung, den Verein aufzulösen.

Dass das Vereinsheim mittlerweile verkauft ist, besiegelt das Ende endgültig. Formalitäten wie die Abwicklung des Vereinsvermögens werden nun zum letzten Akt einer langen, stolzen Geschichte. "Es tut weh, diesen Schritt gehen zu müssen, aber wir werden uns immer an diese Zeit erinnern", sagt das Vorstandsmitglied.

Während sich an diesem Abend die Stimmen der Sängerinnen und Sänger zum vermutlich letzten gemeinsamen Lied erheben, erfüllt eine seltsam schöne Melancholie den Saal. Sie alle wissen, dass hier etwas Großes zu Ende geht – und doch ist da auch die Dankbarkeit für die unzähligen Momente, die sie gemeinsam erlebt haben.

Hier endet nicht nur ein Verein, sondern auch ein Stück Kulturgeschichte der Stadt. Die Mitglieder verabschieden sich auf denkbar berührende Weise: singend, erzählend, gemeinsam. Nach 178 Jahren schließt sich damit ein Kreis – und doch bleibt die Erinnerung an die Lieder, deren Nachhall weit über die Vereinsgrenzen hinaus klingen wird. So hält man schließlich an diesem letzten Abend inne und spürt das, worum es in all den Jahren eigentlich ging: den Zusammenhalt und die Freude, die nur das gemeinsame Singen schenken kann.

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