Im Main kommt nichts mehr an

Die Flörsheimer Bäche liegen trocken - Wassermangel als Dauerzustand seit mehreren Monaten

Das Getreide ist auch in den Feldern bei Wicker weitgehend abgeerntet,

Es soll ja immer noch Leute geben, vor allem sehr zornig gewordene ältere Mitmenschen, die die ganze Aufregung um die immer heißer und trockener werdenden Sommer für ausgemachten Blödsinn halten, als interessengesteuerten Popanz mal durch den, mal durch jenen Bürgerveräppler. Die Stimmen dürften mit jedem Jahr leiser werden, denn wahlweise lassen sich über zwei verlässliche Quellen die Belege für ein handfestes Klimaproblem auf diesem Planeten einsammeln: die weltweiten, aber auch lokalen Wetterdaten sowie der eigene Erfahrungshorizont derjenigen, die schon das eine oder andere Jahrzehnt die Entwicklungen selbst erleben.

Es verändert sich etwas, auch in unserer Region. Das zeigen nicht nur die verblassenden Erinnerungen der Ü-50-Gemeration an in machen Wintern über Wochen hinweg schneebedeckte Straßen und Felder, als die Fähigkeiten des Nachwuchses, einen ordentlichen Schneemanns zu bauen, auch im seit jeher etwas wärmeren Rhein-Main-Gebiet noch zu den Erziehungszielen der Eltern gehörte. Derzeit registrieren die Weilbacher, dass ihrem Bächlein, das sich mitten durch den Ort schlängelt, das Wasser komplett ausgeht. Und das ist dann doch ein bisher nicht gekanntes Phänomen.

Am Wochenbeginn waren am Bachlauf im Ortszentrum nur noch kleinere Restpfützen zu beobachten, unter der Brücke Haydnstraße war dann ganz Schluss mit Spuren von Wasserbestand. Nicht anders sieht es am Wickerbach aus. Der Abenteuerspielplatz am östlichen Rand von Keramag bot als eine Attraktivität die Hängebrücke über dem Bachlauf. Dass die abgebaut wurde, hatte zwar seine Gründe im Zustand der Konstruktion. Es gibt aber derzeit auch nichts zu spielen am oder im Bach, denn auch der liegt inzwischen trocken.

Dass es kurz hinter der Einmündung der Böttgerstraße in die Straße Am Wickerbach doch wieder ein wenig plätschert im Bachbett, hat mit der Einleitstelle des gegenüberliegenden Klärwerks zu tun. Da kommen einige Liter pro Minute aus dem Rohrsystem angeflossen, übrigens offenbar ganz reines Material.

Genauso sieht es natürlich derzeit an allen Bächen im Landkreis aus, seit Monaten kommt nicht genügend Wasser aus den Zuläufen in die Betten. Selbst Flüsse beginnen inzwischen trockenzuliegen, lediglich den großen Strömen wie Main und Rhein geht so schnell das Wasser nicht aus. Doch die Schifffahrt muss auf beiden Läufen bereits Einschränkungen wie verminderte Lademengen hinnehmen, dabei ist der August sonst nicht der Monat mit den niedrigsten Pegelständen.

Zwei Monate ist es inzwischen her, dass die Kreisverwaltung auf den anhaltenden Regenmangel und die sinkenden Bachpegel reagierte und eine Allgemeinverfügung erließ, die die Wasserentnahme aus sämtlichen Gewässern im Main-Taunus-Gebiet untersagte. Motto: „Schaden durch Trockenheit abwenden.“ Da durfte die zuständige Umweltdezernentin Madlen Overdick noch hoffen, dass sich die Lage durch nassere Tage bald wieder entspannt. Schließlich reagierte sie Anfang Juli damit auf eine bereits „seit langem“ anhaltende Trockenphase.

Die Verordnung gilt unverändert fort, mit dem Unterschied, dass es an Wicker- und Weilbach inzwischen nichts mehr zu entnehmen gibt. Bußgelder für Wasserdiebe von bis zu 100.000 Euro wurden mit der Verfügung angedroht, eher ein theoretischer Wert. Auch Privatleute, etwa als direkte Anwohner der Gewässer, sind mit der Regelung gemeint, es sei denn, ihnen liegt eine amtliche Genehmigung zur Wasserentnahme vor. Die propagierten Ausnahmen wären zumindest an den hiesigen Bächen nichts mehr wert.

Die Landwirte, von denen zumindest die Obstbauern sich im Frühjahr noch über recht gute Ernteerträge freuen durften, werden bei ihrer Getreideernte in diesem Jahr Abstriche hinnehmen müssen. Während es bei den frühen Sorten wohl noch ganz gut aussah, hat das fehlende regelmäßige Regenwasser sich dann doch auf die Wintergetreideerträge ausgewirkt. Sie sind frühzeitig gereift und inzwischen weitgehend abgeerntet. Die Erwartungen gehen in Richtung unterdurchschnittliche Erträge, allerdings bei weitem keine katastrophalen Ausfälle.

Es wird in diesem viel zu trockenen Jahr aber einmal mehr klar: Die zu heißen Sommer scheinen sich zu etablieren, die Land- und Forstwirtschaft muss sich wohl oder übel darauf einstellen, dass es bei allen üblichen Schwankungen offenbar auf längere Sicht nicht mehr besser wird. Der Königsweg, dass einfach wieder genügend Regen fällt, um die Bäche wieder Bäche sein zu lassen, lässt sich kurz- und mittelfristig nicht steuern. Den Erwartungen der Experten nach ist es auch nicht gesagt, dass es ein Segen sein wird, wenn die Niederschlagsmengen steigen, denn die werden vermehrt in Form von Extremereignissen schnell viel mehr Wasser auf einmal bringen, als die Bach- und Flussläufe verkraften können, wie wir es im vergangenen Jahr im Ahrtal erleben mussten.

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