Nicht nur der Coronaeffekt hilft

Kriminalitätsstatistik des Main-Taunus-Kreises für 2020 liegt vor - Weniger Diebstahl, mehr Betrügereien

Die zwölf Kommunen des Landkreises im Vergleich der Häufigkeitszahlen. Flörsheim zählt zu den Städten und Gemeinden mit leicht gestiegenem Wert.

Schwere Zeiten machen gerade sehr viele Erdenbürger durch, auch, was die Geschäfte angehen. Warum sollte es den Gaunern da besser gehen? Überrascht sind die Fachleute der Polizeidirektion Main-Taunus über die Zahlen daher nicht, die sie in der Kriminalstatistik des Jahres 2020 abbilden. Wie auch immer die Bürgerinnen und Bürger in ihrem persönlichen Umfeld die Sicherheitslage erfahren oder empfinden, statistisch gesehen lebt es sich in Flörsheim wie dem Main-Taunus-Kreis demnach derzeit so ungefährdet wie lange nicht mehr.

„Alle haben den Coronablues, die Einbrecher auch, das ist unser Glück“, hob Landrat Michael Cyriax angesichts der nun vorgelegten Zahlen hervor. Manche Delikte sind in Coronazeiten eben nur erschwert auszuüben, der Lockdown schließt etwa auch das potenzielle Diebesgut weg. Wichtig für Polizeidirektor Urban Egert war es verkünden zu können, dass das Gesamtniveau der Kriminalität 2020 spürbar abfiel. Um 4,1 Prozent auf 9625 registrierte Straftaten sank die Fallzahl – auf den ersten vierstelligen Wert (2016: 11398) und die „niedrigste Kriminalitätsbelastung seit Jahrzehnten“, wie der Bericht vermerkt. „Der Trend, den wir die vergangenen Jahre eingeläutet haben, setzt sich fort, das ist nicht nur auf Corona zurückzuführen“, ist Egert überzeugt.

Zweiter Maßstab einer erfolgreichen Polizeiarbeit und quasi die sportliche Herausforderung für die Beamtinnen und Beamten ist es Jahr für Jahr, dass die Aufklärungsquote steigt. Auch hier kann Egert einen Erfolg vermelden. Auf den bisherigen Rekordwert aus 2017 von 60,5 Prozent konnten die Ermittlerteams im Main-Taunus-Kreis nochmal 0,2 Prozentpunkte draufsetzen. Noch vor 20 Jahren, ergänzt der Leiter der Polizeidirektion, seien diese Werte im 30-Prozent-Bereich verharrt.

Auch das Absinken der „Häufigkeitszahl“, die besagt, wie viele Delikte auf 100.000 Einwohner pro Jahr gerechnet zu verzeichnen sind - man ist fast geneigt zu sagen, die Inzidenz - setzte sich mit 4035 Delikten (minus 165 zu 2019) weiter fort. 2016 etwas gab es noch 4895 registrierte Straftaten. „Diese Häufigkeitszahl ist die niedrigste seit der Einführung der Kriminalstatistik“, betont Egert – und die wird seit 1971 geführt.

Einen Teil des Absinkens der Zahlen macht der Rückgang bei den Wohnungseinbrüchen aus. Hier wurden 1999 noch 1.100 Taten im gesamten Kreis registriert, 2020 gab es nun noch 230 Straftaten dieser Kategorie, die aber nur in 110 Fällen erfolgreich ausgeführt wurden. 120 Mal scheiterten die Möchtegern-Täter also an den Sicherheitstechniken vornehmlich von Fenster und Türen, oder sie wurden gestört und suchten das Weite. Diese erstaunlich geringe Erfolgsquote ist allerdings nichts Besonderes mehr, sie entspricht den Werten der Vorjahre.

Wohnungseinbrüche sinken seit Jahren

Das enorme Ausmaß des Absinkens der Anzahl der Straftaten des „Wohnungseinbruchdiebstahls“ um 62 Prozent seit dem Jahr 2016 hob Egert dagegen hervor. Alleine um 38 Prozent von damals 371 Delikten (183 erfolgreiche) ging der Wert im Vergleich zum Jahr 2019 zurück, und das hat sicher nichts damit zu tun, dass den Tätern der Deliktname zu kompliziert ist. Hier machte sich auch die eingeschränkte Mobilität durch die Coronaeinschränkungen bemerkbar, noch mehr aber bei anderen Diebstahlsdelikten, ist der Polizeidirektor sicher. „Viele Menschen blieben wegen der Kontaktverbote zuhause, und Geschäfte waren wegen des Lockdowns lange geschlossen – da mangelte es einfach an Tatgelegenheiten für Kriminelle“, vermutet Egert. Denn noch deutlicher auf der Hand liegt der Pandemieeffekt bei den Diebstahlsdelikten in Dienst- und Büroräumen (-35,9 Prozent) sowie beim Ladendiebstahl (-32,6 Prozent).

Speziell ein geht der Bericht auf eine besonders ärgerliche Deliktform. Wieder wurden 460 „Betrügereien zum Nachteil älterer Menschen“ registriert und machten damit weiterhin einen erheblichen Teil der Betrugsdelikte aus – und dass es hier ein keineswegs kleines Dunkelfeld nicht zur Anzeige gebrachter Fehlversuche gibt, liegt nahe. Diese Meldungen bei den Polizeistationen über gescheiterte Versuche werden übrigens nicht einzeln verfolgt, stellte Andreas Beese von der Regionalen Kriminalinspektion klar.

Hier gibt es zwei Maschen, die immer wieder versucht werden, erläuterte er. Mit recht geringer Erfolgsquote zwar, aber in sechs Fällen erreichten die Kriminellen 2020 eben doch ihr Ziel und kassierten von Seniorinnen und Senioren insgesamt rund 350.000 Euro ab. Je dreimal zogen der Enkeltrick und der „Falsche Polizeibeamte“. Taten, die über ganze Serien von Telefonaten mit den Opfern eingefädelt werden. Hier setzt die Polizei auf eine enge Zusammenarbeit mit den Präventionsräten, die in den Kommunen mit ihren Aktivitäten auf die Masche hinweisen.

Im Alltag haben es die Beamtinnen und Beamten mit einem Sammelsurium an Straftaten zu tun, die Direktion erstellt jährlich ein Top-Ten-Ranking, das 56,2 Prozent aller Delikte erfasst. Das ist eine über die Jahre recht stabile Rangfolge, die auch 2020 von den Sachbeschädigungen angeführt wird, mit einem Anteil von 11,8 Prozent aller Taten und bescheidenen 21,1 Prozent Aufklärungsquote. Egert spricht von „unnötigen Straftaten“, die keinen Sinn machten, wie das Abtreten von Fahrzeug-Außenspiegeln und Beschädigungen an Sitzbänken.

Der Spruch „Der hatte es mal nötig“ hilft aber auch keinem Täter, der einer (leichten) Körperverletzung beschuldigt wird. Diese Delikte (mit Vorsatz) belegen im Ranking unangefochten Rang 2 mit 823 Taten im vergangenen Jahr. Weil sich Täter und Opfer hierbei in der Regel kennen, kann die hohe Aufklärungsquote von 92,6 Prozent nicht überraschen.

Wie es zu befürchten war, ging im ersten Coronajahr das Aufkommen der Anzeigen wegen „Häuslicher Gewalt“ auch im Main-Taunus-Kreis deutlich nach oben. 434 Fälle und damit ein Drittel mehr als 2019 wurden registriert. 72,1 Prozent dieser Taten (313 Fälle) wurden als Körperverletzung eingestuft, alle Täter sind bekannt. Dass diese 434 Taten von 327 Tatverdächtigen begangen wurden zeigt, dass es eine Menge Wiederholungstäter in dieser Kategorie gibt. Der Anteil männlicher Täter liegt in diesem Bereich mit 76,5 Prozent übrigens leicht unter dem Durchschnittswert bei Gewaltdelikten von 80,5 Prozent.

Die getrennt erfasste, „echte“ Gewaltkriminalität mit schwerer Körperverletzung kam 2020 im MTK 296 Mal vor, was für Rang neun in der Statistik reicht. Auch hier liegt die Quote der ermittelten Täter mit 86,8 Prozent sehr hoch. Die Rauschgiftdelikte sind mit 588 Straftaten im Jahr 2020 ein stabiler dritter Rang in der jährlichen Auflistung. Hier liegt die Aufklärungsquote mit 95,4 Prozent am höchsten, eben ein Klassiker von "Auf frischer Tat ertappt", etwa bei Verkehrskontrollen.

Weil sie sich auf verschiedene Kategorien an Straftaten verteilen, fällt es nicht direkt auf, dass sich der am deutlichsten zutage tretende Negativtrend 2020 beim Anstieg der Betrügereien von 1.261 auf 1.489 Delikte zeigte. Dazu gehören nicht nur Enkeltrick und Co., sondern auch der Warenkreditbetrug (Missachtung des Grundsatzes: Wer bestellt, zahlt auch), der es mit 525 Delikten auf Platz vier der Statistik schaffte.

Tötungsdelikte machen natürlich stets die größten Schlagzeilen, gehören aber auch im Main-Taunus-Kreis zu den absoluten Ausnahmen. An „Straftaten gegen das Leben“ wie bei einer Schießerei in Eddersheim im vergangenen April mit drei Toten, wurden 2020 neun registriert (2019: 12), die alle aufgeklärt werden konnten.

Der Main-Taunus-Kreis sei „definitiv ein sicherer Kreis“, fasst Egert zusammen. Generell sei die Rhein-Main-Region ein Gebiet, das „viele Möglichkeiten bietet, dass Leute straffällig werden“. Die Zahlen dürften daher nicht etwa mit dem des Odenwaldkreises verglichen werden. „Der MTK geht nahtlos nach Frankfurt über, liegt äußerst verkehrsgünstig und ist kein armer Kreis“, zählt der Polizeidirektor auf, was die Gauner dieser Welt anzieht. „Wenn man diese Umstände betrachtet, ist es ein wirklich sicherer Kreis.“

Flörsheimer Zahlen

Die Einzeldaten zu den einzelnen Kommunen bildet der Bericht nur grob ab. Vergleichswerte etwa zu der Fallhäufigkeit sind mit Vorsicht zu genießen. So steht das beschauliche Sulzbach mit seiner Häufigkeitszahl von 6813 einsam an der Spitze der zwölf Städte und Gemeinden des Kreises. Das hat aber nichts mit dem Geschehen im Ort selbst zu tun, sondern damit, dass das Main-Taunus-Zentrum in der Gemarkung liegt. Den niedrigsten Wert (1954) weist Liederbach auf, Flörsheim liegt mit 4649 Delikten auf 100.000 Einwohner gerechnet (+115 zu 2019) im oberen Mittelfeld des Kreises (Rang 4) und um 614 Taten über dem Kreiswert, aber immer noch um fast 800 Fälle unter dem Landesschnitt (5449).

Flörsheim gehörte mit einem Anstieg um 29 auf nunmehr 1007 registrierten Straftaten auch zu den fünf MTK-Kommunen, in denen das Kriminalitätsaufkommen 2020 sozusagen gegen den Trend anstieg, bei einem Plus von 2,9 Prozent allerdings in keinem auffälligen Maße. Wie die Polizeidirektion generell keine speziellen Problemgebiete im Kreis ausmachen kann. Manche sehen das in Flörsheim bekanntlich anders, Zahlen, die das belegen, gibt es aber nicht.

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