Selbst aus dem Abwasser lässt sich Wärme gewinnen

Das Büro „Infrastruktur und Umwelt“ hat Abschlussbericht zur Kommunalen Wärmeplanung vorgelegt

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Worum es geht beim schrittweisen Umbau der Wärmeversorgung der Stadt auf regenerative Energie, hatte das Büro „Infrastruktur und Umwelt“ im September in der Stadthalle vorgestellt. Nun liegt dem Magistrat und den Gremien der Abschlussbericht der Darmstädter Berater vor, die unter Einbeziehung der Ergebnisse der Veranstaltung einige Details nachreichen und zudem einen Maßnahmenkatalog vorschlagen.

Die Stadtverordnetenversammlung soll diesen „Wärmeplan“ bei der kommenden Sitzung diskutieren und bei Gefallen beschließen. Damit käme die Stadt ihrer Verpflichtung näher, einen Weg zum Erreichen des im Wärmeplanungsgesetz gesetzten Ziels der CO2-neutralen Wärmeversorgung in Flörsheim bis zum Jahr 2045 aufzuzeigen.

Eilig hat es die Stadt nicht mit dem Beschluss. Im Mai 2024 hatte sie die Analyse der Darmstädter Experten beauftragt, eineinhalb Jahre später könnte der Wärmeplan nun verabschiedet werden – Deadline für Kommunen der Größenordnung Flörsheims ist dem Bundesgesetz nach Ende Juni 2028.

Nachgereicht hat „Infrastruktur und Umwelt“ zum Beispiel eine detaillierte Analyse des Abwärmepotenzials der Kläranlage. Dazu hat das Büro sich die Daten dieses Gruppenklärwerks am unteren Lauf des Wickerbachs besorgt, das das Abwasser nicht nur aus Flörsheim, sondern auch aus den Wiesbadener Stadtteilen Nordenstadt, Delkenheim und Breckenheim, aus Hochheim-Massenheim und den Hofheimer Stadtteilen Wallau und Diedenbergen klärt.

4,27 Millionen Kubikmeter Schmutzwasser kommen so im Jahr im Klärwerk an und verlassen es wieder. Die mittlere Temperatur des 2023 ankommenden Wassers betrug 14,7 Grad, des ablaufenden 15,2 Grad. Das Abwasserwärmepotenzial errechnet sich aus den Wärmewerten und dem Trockenwetterabfluss (also wenn es nicht regnet). Eine Wärmepumpe könnte demnach 1,5 Megawatt in ein (zu bauendes) Wärmenetz einspeisen.

Im Jahr kommt die Rechnung unter Berücksichtigung der Betriebsabläufe (5.000 Vollbetriebsstunden im Jahr) auf ein Potenzial von eine 9,6 Gigawattstunden (GWh/a). Selbst bei 13 Prozent Netzverlusten verbleiben immer noch 8,3 GWh/a. Das für viele sicher etwas überraschende Fazit in der Studie: „Das Gruppenklärwerk Flörsheim eignet sich damit zur Versorgung des umliegenden Gebiets. Bei Errichtung größerer Wärmenetze (insbesondere in Flörsheim-Stadtmitte) kann die Abwasserwärme unterstützend eingebunden werden.“

Prioritär: Energieeffizienz

Der Bericht gibt „Maßnahmensteckbriefe“ wieder, die das Entscheidende bei den einzelnen Schritten zu einem Umbau der Wärmeversorgung beschreiben. Für das Büro ist auf dem langen Weg aktuell vorrangig, dass die Stadt bestimmte Schritte zu mehr Energieeffizienz der kommunalen Liegenschaften (Verwaltung, Kitas, Betriebshöfe) im Bestand unternimmt. Die jeweils für die Aufgaben in Frage kommenden Ämter werden ebenfalls genannt.

Schritt 1: Kommunales Gebäudeenergiemanagement aufbauen. Bei einem Kommunalen Gebäudeenergiemanagement (KEM) wird der Energieverbrauch in kommunalen Gebäuden geplant, überwacht und optimiert. Aufgaben sind das Erstellen eines Liegenschaftskatasters, die Verbrauchserfassung und -kontrolle, die Ermittlung von Energiekennwerten sowie die technische und organisatorische Betriebsoptimierung. Möglicherweise könne Flörsheim als Mitglied des Bündnisses Klima-Kommunen bis zu 90 Prozent der Kosten über eine Förderung abdecken.

Schritt 2: Sanierungsfahrpläne für die öffentlichen Liegenschaften erstellen. Hier geht es um die energetische Sanierung der Gebäudehülle und Effizienzmaßnahmen am Heizsystem. Zwar seien in Flörsheim die stadteigenen Gebäude nur zu fünf Prozent am Endenergieverbrauch für die Wärmeversorgung beteiligt. Doch hätten diese eine „Vorbild- beziehungsweise Signalwirkung in der Stadt“. In Flörsheim werden 23 Gebäude in der Stadtmitte, sechs in Weilbach und drei in Wicker aufgelistet, die in städtischem oder kreiseigenem Besitz sind und nicht privat genutzt werden.

Schritt 3: Sanierungsfahrpläne für die Gebäude der Terra. Da die stadteigene Gesellschaft über eine Reihe Liegenschaften verfügt, sehen die Berater hier ein großes Potenzial. Zunächst sollte eine Energieberatung durchgeführt und Sanierungsfahrpläne für die Liegenschaften erstellt werden. Das Stadtbauamt soll mit der Terra die Wärmeplanung für die Stadt besprechen und mit ihr im engen Austausch bei der Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen stehen.

Schritt 4: Information zu Förderprogrammen zu Sanierung und Heizungstausch. So sehr sich energetische Sanierungen mittel- und langfristig rentierten, seien die Hürden für die Eigentümer doch hoch. „Daher ist die Stadt dazu angehalten, über bestehende Fördermöglichkeiten auf ihrer Internetseite, bei Informationsveranstaltungen und über andere Kommunikationskanälen zu informieren“, betont der Bericht. Die Förderlandschaft verändere sich regelmäßig, die Informationen müssten daher aktuell gehalten werden.

Schritt 5: Energieberatung für Gewerbe, Handel und Dienstleistung. Die Flörsheimer Betriebe verantworteten „einen signifikanten Anteil des Status-Quo-Wärmeverbrauchs in der Stadt Flörsheim“. Durch geeignete Maßnahmen den Wärmebedarf zu reduzieren oder die Nutzungseffizienz zu steigern sei ein Ziel, am Beginn sollten die Unternehmen eine Energieberatung in Anspruch nehmen. Die Berater verweisen auf Angebote wie eine kostenlose Vor-Ort Impulsberatung der Landesenergieagentur.

Schritt 6: Ausweisung von Sanierungsgebieten. Gebiete mit erhöhtem Einsparpotenzial können durch die Stadt als Sanierungsgebiete nach Baugesetzbuch ausgewiesen werden. So lassen sich energetische Sanierungsmaßnahmen bündeln. Damit verbunden sei der Zugang zu Bundes- und Landesmitteln der Städtebauförderung. „Damit werden städtebauliche Missstände wesentlich verbessert oder umgestaltet“, heißt es im Bericht. Die Ergebnisse der kommunalen Wärmeplanung könne helfen, eine Grundlage für die Ausweisung von Sanierungsgebieten zu bekommen.

Schritt 7: Sanierungssteckbriefe für Beispielgebäude. Die ökologischen und wirtschaftlichen Vorteile einer Sanierung und dezentralen Wärmeversorgung könnten der Bevölkerung durch „Sanierungssteckbriefe“ beispielhaft vorgeführt werden. Diese sollten für verschiedene Gebäudearten (Einfamilienhaus, Mehrfamilienhaus) und Baualtersklassen (nach Jahrzehnten) erstellt werden, „um ein breites Spektrum der Flörsheimer Gebäudedemographie abzubilden“. Die Stadt könnte diese Steckbriefe auf ihren Internetseiten veröffentlichen.

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