Es ist viel Gutes zusammengekommen an diesem Höhepunkt der Aktivitäten der Närrinnen und Narren in Flörsheim mit ihren vielen Gästen aus der näheren Umgebung. Einen leichten Zuwachs verzeichnete der Fastnachtszug bei den Meldungen der teilnehmenden Gruppen, die Bürgersteige und besonders die Feierzone rund um die Galluskirche waren fast auf der ganzen Strecke bestens gefüllt. Wichtig auch: Die Vorräte an Süßigkeiten, Bällchen oder ähnlichen Geschenken in Form von Wurfgut reichten bis hinter die letzte Kurve des zweieinhalb Kilometer langen Laufweges durch die Altstadtgassen. Und das alles bei – durchgehend! – strahlend blauem Himmel über der Stadt. Im Sonnenlicht kam die bunte Farbwelt der Kostüme der Zugteilnehmer bestens zur Geltung, und auch die etwas strammeren Temperaturen, als sie am Sonntag erwartet werden durften, ließen sich so sehr gut aushalten.
Die diesmal 119 Zugnummern schlängelten sich ab 14.13 Uhr vom Startpunkt an der Ecke Plattstraße/Maler-Schütz-Straße auf der gewohnten Route durch die Gassen, bis um 17.45 der Generalstabswagen des veranstaltenden FNC die Ausläufer der Narrenmeute an der Galluskirche passierte. Damit war die Party natürlich noch lange nicht beendet. Eine Feststellung, die nicht ganz neu ist, aber doch den Charakter des Umzugstages deutlich verändert: Auf erstaunlich viele Jugendliche und junge Erwachsene wirkt die althergebrachte Straßenparty zur Fassenacht offenbar magisch anziehend. Allerdings, wie das schon weit vor dem Ende ziemlich mitgenommen aussehende Gelände um die Kirche zeigte, steht bei vielen nicht das Geschehen rund um den Zug im Mittelpunkt, vielmehr die Zusammenkunft mit aus allen Ecken tönender Techno- und Partymusik als Untermalung. Vom Glasverbot, das der FNC wohlweislich für die After-Zug-Partys ausgesprochen hatte, wussten wohl die Wenigsten.
Und dabei wurde die offizielle „After-Umzug-Party“ erst eine Viertelstunde nach dem Ende des Zuges auf dem Areal zwischen Kirche und Alter Kirchschule eröffnet. Aber – auch bei manchen Zuschauergruppen war das auffällig – es gibt inzwischen erschwingliche Boxen mit extremer Leistung, die auf einen Fahrradanhänger oder Gepäckträger passen und die ganze Umgebung beschallen. Der Wunsch des FNC, zugunsten der Musikgruppen unter den Zugnummern die Lautstärke in der Umgebung zu beschränken, wird unter dem Bumm-bumm wohl nicht gehört.
Party schon auf dem Weg nach vorne
Eigentlich ist die Partystrecke für alle Gruppen aber deutlich länger als der offizielle Zugweg. Sie beginnt auf Höhe der Eddersheimer Straße 1 und mündet nach Umwegen über die Beethovenstraße, Austraße, Kloberstraße und Riedstraße geführt, in die Altmaierstraße, dem nördlichsten Punkt Flörsheimer Fastnachtsekstase, ehe es südlich durch die Plattstraße am FNC-Generalstabswagen vorbei geht. Freundlich wedelnde Arme der Offiziere hoch auf ihrer Burg strecken sich ihnen entgegen – und mit dem Passieren der Ecke Maler-Schütz-Straße geht es dann auch direkt hinein ins dicke Getümmel, denn sehr viele Flörsheimerinnen und Flörsheimer möchten den Zug schon auf seinen ersten Metern sehen.
Die Zuggruppen kommen, wenn sie nicht aufpassen, schon leicht jenseits der Vollkontrolle am Startpunkt an, denn auf dem auch über 1,3 Kilometer langen Aufstellungsweg ist die Feier schon voll am Gange, aber noch weitgehend ohne Publikum – die Szene trifft sich bei diesem Anrollen von hinten nach vorne, und dies wird bei aller Mission, zügig in der Plattstraße anzukommen, ausgiebig genutzt.
Das diesjährige Motto des Zuges „Grün und Gelb, die Garde steht, seit 60 Jahr’ die Fahne weht“, ist rein als Verweis auf den Jubilar in den eigenen Reihen, eben die FNC-Garde, zu verstehen. Im Zugbild spielte das keine Rolle, die Veranstalter waren direkt hinter dem von Thomas Bösz gesteuerten Polizeiwagen mit der Zugleitung (Karsten Schwarz, Patrick Schwarz) und dem Schwellkopp-Anhänger vorne dabei. Die Nummer 33 erhielten die „Ritter“ Thomas Burkhardt und Torben Groh – ebenfalls von der Zugleitung. Die Aktivengruppen folgten dann am Schluss des Zuges mit der FNC-Kutsche, unter anderem mit dem Vorsitzendem Heinz Schäfer auf der Ladefläche, als Fußgruppen die Garden FNC Fun Factory und Manco Mania, die Baggerie, der Wagen mit dem Nachwuchs und schließlich die FNC-Festung mit den Honoratioren hoch oben auf dem gelben Wagen. Dazwischen marschierte auch der Musikverein mit, der ein treuer Unterstützer auch der anderen öffentlichen Veranstaltungen des FNC ist.
Moderiert wurde der Umzug an der Ehrentribüne an der Einbiegung Bahnhofstraße/Erzbergerstraße und auf der Hauptstraße auf Höhe des Gallusplatzes. Wer abseits dieser Stationen mitverfolgen wollte, welche Gruppe gerade an ihm vorbeizog, musste entweder das Programmheft des FNC mit sich führen, oder Glück haben, dass die Vereine oder Vereinigungen sich mit einem Schild hinreichend auswiesen. Gut gestreut über die 119 Nummern, mit einem Schwerpunkt in der Zugmitte, waren die 24 Flörsheimer Gruppen, von denen sich gleich einige mit der Perspektive eines neuen Freizeitspaßes zu Fuße des Berliner Brunnens am Mainufer befassten. Dafür waren sie auch in die Werkstatt gegangen und haben kräftig gebastelt, aber auch geschneidert und gemalt.
Gedanken zum Mainstrand
Heraus kam eine meist ironische Aufarbeitung des in Aussicht gestellten begehbaren Uferbereichs, der natürlich nichts mit einem wahren Strandleben zu tun haben wird – aber man wird ja noch träumen dürfen. Eine lebensecht aufrecht auf einem Aufbau stehende Figur, die einen Strandgänger mit Sixpack und Schwimmbrett zeigte, hatte die SOKO Flörsheim gezimmert. „Flörsheims neue Badebucht wird bestimmt ´ne riesige Wucht“, dichtete die Gruppe. Aber auch die Enten freuen sich laut der SOKO ungemein, „auf das Baden hier am Main“, und deshalb ging dem Wagen eine Gruppe quietschgelber Enten voraus, natürlich in Form von Kostümen, die von den Mitgliedern der Gruppe getragen wurden.
Die „Altstadtborzeler“ hatten vorab schon mal am künftigen Mainesstrand die Netze ausgelegt und – die Kinder, die sich dort mal tummeln sollen, werden sich erschrecken – dabei eine ganze Horde Quallen eingefangen. „Die Borzeler habbe sich gedacht, die nemmer mit zur Fassenacht“, erklärte die Gruppe und verpasste den Meereswesen, die es irgendwie vom Atlantik über den Rhein bis vor das Flörsheimer Ufer geschafft haben, Glubschaugen und ein blau glitzerndes Tentakelkleid.
Einen Hauch von „Baywatch“ phantasierten sich die „Raabekazze“ herbei. „Die Rettungsschwimmer steh’n parat“, verspricht die sicher nicht zufällig an Ikone Pamela Anderson erinnernde „Lifeguard“-Puppe. Die Raabekazze-Jungs würden mit ihr gerne zusammen ein paar Wachtschichten schieben am Berliner Brunnen, denn „am Main fehlt noch ein Fluss-Schwimmbad“. Das steht nun dankenswerterweise in Aussicht – so eine Art jedenfalls.
Eher den gehobenen Freizeitstil ersehnen sich die „Schmotzer“ am neuen Mainufer herbei, denn „Flörsheim am Mainesstrand, wo ich meinen Cocktail fand“, dichten sie und setzten dies in ihren Kostümen um: Auf dem Autodach stimmt die Gruppe eine Aufblas-Palme auf das Strandfeeling ein, dahinter waren die Damen als Cocktailglas mit Zuckerrand und Zitronenscheibe (als Mütze) zu sehen.
Das waren immerhin vier etablierte Fastnachtsgruppen, die sich über das aktuell sichtbarste Flörsheimer Thema Gedanken gemacht hatten. Ansonsten spielte die Politik weder bei den hiesigen, noch den auswärtigen Gruppen auf kommunaler oder globaler Ebene eine Rolle. Alleine die Privatgruppe Sascha Krüger ging auf das beherrschende bundespolitische Thema ein und verspottete mit markanten Wahlslogans die Botschaften der sogenannten Alternative für Deutschland. Das Phänomen gab es nämlich schon einmal: Der Kniff der Gruppe ist die Erzählung der weit zurück liegenden Geschichte von einer ähnlichen politischen Kraft, die sich zu Urzeiten als „Alternative für Dinosaurier“ breit machte. Der „Weidelosaurus“, der „Gaulanderatops“ und der „Höckedactylus“ verkünden entgegen aller (späteren) wissenschaftlichen Erkenntnisse selbstverständlich: „Es gibt keinen meteoritengemachten Klimawandel.“
Einfallsreiche kleine Gruppen
Ein anderes, kulturelles lokales Thema sprachen die „Wandaale“ an, die sich der Rettung der Flörsheimer Kerb verschrieben haben. „Und schlägt der Arsch auch Falten, Mir dun die Kerb erhalte!“, versprechen die „Wandaale“, eine Gruppe der DJK SC SW Flörsheim. Ihr etwas kärgliches Kerbebäumchen hatte sogar eine Kerbepuppe in den Ästen hängen – das macht Hoffnung, mit einer Frage versehen, die man mal stellen darf: „Kerbebaum-Import aus Wicker?“
Die Gruppe hatte einen echten Saalfastnachts-Promi in ihren Reihen dabei: Gabi Elsener, beim FNC-Senatsabend noch einmal auf der Bühne zu sehen und angesichts ihres Abschieds als Solorednerin geehrt, lief bei der Gruppe mit und hatte gar ihren eigenen Schärpenaufdruck, der „die letzte Apollonia“ ankündigte“.
Der närrische Jubilar aus Flörsheim im Zug war diesmal die Kolpingfamilie, die seit 111 Jahren bei der Fastnacht mitmischt. Sombreros und die landesüblichen bunten Ponchos kennzeichneten das diesjährige Motto „Viva la Mexico“. Möglicherweise nicht wiederverwendbar angesichts der kommenden Bundesregierung ist das Gefährt und vor allem das Mottoschild der „Kradfahrer Fehlzünd“. Die schoben eine Oldie-Lok vor sich her, in deren Inneren Ungeheuerliches vor sich geht. „Mit de Hanf-Lok uff Tour, do raucht die Kultur“, verkündeten die Zweiradfans und ließen es kräftig dampfen.
Auch andere private Gruppen, wie die „Los Egalos“ mit ihren Schwimmnudel-Aufsätzen als Stiel ihres Wischmop-Outfits, oder die „Panzerotti-Gang“ mit grellen Gewändern aus den Zeiten Casanovas (der trieb es bunt – na und?), ebenso „Hipp de Bach’s und dripp de Bach’s“ mit ihrer Piaggio und der grün gewandeten Fußgruppe hintendran zeigen Jahr für Jahr, dass sich auch ohne großen Vereinsrahmen Hingucker auf die Straße bringen lassen – ist halt viel Arbeit.
Einige kleine Vereine sorgen seit vielen Jahren mit großen Wagenaufbauten dafür, dass der FNC nicht alleine für die beeindruckenden Gefährte zuständig ist. Der „Mooadel“ zeigte auf hohem Wagen seine Schwellköpp, die man mal anstatt der „Berliner Holzköpp“, die „nix kapieren“, ranlassen sollte, wie der Verein vorschlägt. Auch die „Flora“, der Wagen mit dem Rathauspersonal, durfte natürlich nicht fehlen und war der letzte große Aufbau vor dem Finale mit den FNC-Fahrzeugen.
Vertreten waren an auswärtigen Gruppen zumeist alte Bekannte auf der Strecke, so der Bischofsheimer Carneval Verein und die Hochheimer Kolpingfamilie. Der CC Mainperle Okriftel und der CC Raunheim waren ebenso gleich mit mehreren Gruppen vertreten, wie der Rüsselsheimer Block mit dem Club Schwarze Elf und dem Großen Fastnachtsrat der Siedler. In diesem Jahr dabei, und das als 125-jähriges Geburtstagskind, war zudem die KG 1900 Hofheim mit dem Herrenkomitee.
Vertreten waren wie üblich auch die Vertreter der anderen Feiertradition in der Stadt, allerdings weiterhin lediglich aus den Stadtteilen Wicker mit den dortigen Kerbeborsch sowie Weilbach mit dem Verein Kerbeborsch 6091. Letztere leiteten im letzten Drittel des Umzugs einen großen Weilbacher Block mit der Gemütlichkeit, den Germania Dreamboys sowie dem CVW ein.
Auch der „Bruderverein“ des FNC mit der Saalfastnacht-Kompetenz, der FCV, präsentierte sich eine Woche nach Abschluss seiner Sitzungsreihe mit seinem Motto „Atlantis, wie es sinkt und lacht – im Ozean is’ Fassenacht“. Und auch die anderen großen Saalfastnachter der Innenstadt zeigten sich: die KAB Flörsheim, die „Wir lieben Flerschem und machen Fastnacht mit Herz“ versprach.
Hinterherkehren musste in einem Großeinsatz, wie üblich, die Zugnummer 119. „Die Saubermacher“ des Bauhofs waren mit voller Besetzung gefordert und hatten es angesichts des trockenen Wetters diesmal wenigstens etwas einfacher, die Papiermassen von den Straßen und Bürgersteigen zu bekommen als in Jahren mit nieseligen Episoden.