Vier Tage Ausnahmezustand

Wicker feiert 30 Jahre Zeltkerb

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Vier Tage lang herrschte Ausnahmezustand im Weindorf: Die Wickerer Zeltkerb feierte ihr 30-jähriges Bestehen und die Begeisterung war so groß wie selten zuvor. Seit drei Jahrzehnten richtet der Club Fidelio 1991 Wicker das Traditionsfest aus und pünktlich zum Jubiläum wurde das Programm erweitert: von Freitag bis Montag verwandelte sich der Platz vor der Alten Goldbornschule in einen lebendigen Festplatz.

„Gerade weil die Kerb so eng mit unserem Dorfleben verbunden ist, wollten wir das Jubiläum bewusst größer feiern“, erklärte Fidelio Vorsitzender Detlev Wiehle. Die Verlängerung machte deutlich, welch hohen Stellenwert die Kerb für die Wickerer hat. Sie ist nicht nur ein Fest, sondern ein Stück Identität.

Als sechs junge Männer im Dezember 1991 den Club Fidelio gründeten, verfolgten sie ein klares Ziel: das alte Brauchtum der Kerb wiederzubeleben und die Geselligkeit in Wicker zu pflegen. Mit der ersten Zeltkerb 1994 gelang ein eindrucksvoller Neustart und seither ist das Fest nicht mehr aus dem Dorfleben wegzudenken.

Gestartet wurde am Freitag mit einem Rock- und Oldieabend, bei dem die Band „Just Dexter“ Klassiker der Musikgeschichte ins Zelt brachte. Rund 400 Besucherinnen und Besucher, vom Jugendlichen bis zum älteren Ehepaar, füllten das Festzelt. Dass der Eintritt frei war, lockte viele Neugierige und gab gleich zum Auftakt einen Vorgeschmack auf die ausgelassene Stimmung, die das ganze Wochenende prägen sollte.

Der Samstag brachte den offiziellen Startschuss. Nach dem Fassanstich heizte die Showband „Remember“ kräftig ein, doch der wahre Höhepunkt folgte beim Kerbetanz. Die Kerbeborsch traten in bunten Hawaiihemden auf, tanzten zu Partykrachern wie „Dicht im Flieger“ und brachten Urlaubsstimmung ins Festzelt. Mit einem Kostümwechsel und einer spektakulären Hebefigur rissen sie die Gäste endgültig von den Bänken. Minutenlanger Applaus und "Zugabe!"-Rufe machten klar: Dieser Auftritt war einer der Höhepunkte des Jubiläums.

Herzstück der Kerb sind seit jeher die Kerbeborsch. In diesem Jahr traten sie in Blau und Weiß auf – Farben, die im jährlichen Wechsel an alte Rekrutentraditionen erinnern. In diesen Farben präsentierten sich die jungen Männer um Kerbevater Lewin Sabisch, die sich augenzwinkernd „Gärdippscher“ nennen – ein Name, der zeigt, dass Tradition und Humor hier Hand in Hand gehen. Besonders freute den Fidelio-Vorsitzenden, dass die Kerbeborsch nicht nur beim Feiern glänzten, sondern sich auch tatkräftig beim Auf- und Abbau engagierten. „In den letzten Jahren war das nicht selbstverständlich. Umso schöner, dass sich die Jungs diesmal so eingebracht haben“, sagte Wiehle.

Der Abschluss gehörte traditionell dem Frühschoppen am Montag, der in diesem Jahr von den „Frankenbengeln“ musikalisch begleitet wurde. Die Gaudiband sorgte mit ihrem abwechslungsreichen Repertoire für beste Stimmung im Festzelt und rundete das Jubiläumswochenende schwungvoll ab. Für echte Kerbatmosphäre sorgte zudem das Eieressen, das schon vor über 100 Jahren belegt ist: Aus den gesammelten Eiern des Kerbejahrgangs wurde in großen Pfannen ein Festmahl für alle Gäste zubereitet.

Für einen reibungslosen Ablauf sorgten zudem mehr als 50 Helferinnen und Helfer, die insgesamt rund 150 Dienste übernahmen. Unterstützung kam auch von anderen Vereinen: So stellte die Freiwillige Feuerwehr 250 Longdrink-Gläser für den Ausschank zur Verfügung. „Hier hilft einer dem anderen – das ist Kerb in Wicker“, brachte es Wiehle auf den Punkt.

Eine Neuerung war das Bezahlsystem: Im Festzelt wurden erstmals Verzehrbons angeboten, die auch per EC-Karte bezahlt werden konnten. „Das hat sich bei anderen Festen bewährt und wir wollten es ausprobieren“, so der Vorsitzende. Außerdem stand an der Hauptkasse eine Spendenbox bereit. Der Erlös kommt der Kinderklinik des Rüsselsheimer Krankenhauses zugute und wird zum Jahresende durch Eigenmittel des Vereins aufgestockt.

Für etwas Unmut sorgte bei den Organisatoren das parallel laufende Rathausplatzfest in Flörsheim. Am Erfolg der Jubiläumskerb änderte das jedoch nichts: Das Festzelt war an allen Tagen gut besucht. „Das zeigt, wie sehr die Menschen ihre Kerb schätzen“, zog Vorsitzender Detlev Wiehle ein positives Fazit.

Am Alten Berg fand die Jubiläumskerb ihren stimmungsvollen Ausklang: Rund 50 Menschen versammelten sich zur traditionellen Kerbebeerdigung im Schein eines großen Feuers. Zwischen Funkenflug, Gesang und fröhlichem Gelächter verabschiedete sich das Dorf von vier Tagen Ausnahmezustand.

Die 30. Wickerer Zeltkerb war ein Fest, das Tradition bewahrt und zugleich neue Wege wagt – ein Beweis dafür, dass sich Tradition und neue Ideen nicht ausschließen, sondern gegenseitig bereichern. Mit Musik, Tanz, Gemeinschaftssinn und einem starken sozialen Gedanken wurde deutlich: Die Kerb ist das Herz des Dorfes und schon jetzt wartet man gespannt auf 2026, wenn es wieder heißt: "Die Wickerer Kerb ist da!"

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