100 Jahre Ahmadiyya Muslim Jamaat in Deutschland

Feierlicher Jubiläumsempfang in der Hattersheimer Stadthalle am vergangenen Freitag mit prominenten Gästen

100 Jahre Ahmadiyya Muslim Jamaat in Deutschland. Es feierten mit (v.l.n.r): Absar-ul-Haq Malik, Hamza Naseer Ahmad, Kai Klose, Madlen Overdick, Hüsamettin Eryilmaz, Norbert Altenkamp, Klaus Schindling, Hisham-ul-Haq Malik und Hasanat Ahmad.

Die Stadthalle in Hattersheim, die von außen noch teilweise etwas „unfertig“ aussieht, strahlt von innen wieder in alter Pracht und bildete den festlichen Rahmen für den Jubiläumsempfang. Eingeladen hatten die Ahmadiyya Muslim Jamaat Hattersheim. Für die mehr als 100 Gäste hatten sie im Saal Tische mit hellblauen Tischdecken, dunkelblauen Bändern und hellem Blumenschmuck aufgestellt, was eine sehr freundliche, willkommen heißende Atmosphäre schuf. Die Ahmadiyya Muslim Gemeinde hier vor Ort besteht seit 1989 und ist in der Albert-Schweitzer-Straße in Okriftel zu Hause. Durch die Jubiläumsveranstaltung führte Hisham-ul-Haq Malik. Er hatte sich hervorragend auf seine Aufgabe vorbereitet und stellte sämtliche Redner detailliert vor. Das Programm begann mit einer herzlichen Begrüßung und mit der Rezitation aus dem Heiligen Koran.

Geschichte der Ahmadiyya Muslim Jamaat in Deutschland…

Die islamische Reformgemeinde Ahmadiyya Muslim Jamaat wurde 1889 von Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad in Indien gegründet. Der Gründer wird von seiner Glaubensgemeinschaft als der verheißene Messias angesehen. Sein Ziel war es, die ursprünglichen Werte des Islams zurückzubringen und damit die hohen moralischen Tugenden wieder zu etablieren. Dabei ist die Kern-Lehre: Gott und den Mitmenschen zu dienen.

Im Jahr 1923 gründeten die Ahmadiyya Muslim Jamaat eine kleine Gemeinde in Berlin, in der damals weltoffenen, toleranten Stadt. Sie zogen ihre Glaubenskraft aus dem Motto „Liebe für alle, Hass für keinen“ und planten den Bau einer Moschee. Da sich das gesellschaftliche Klima vor dem Hintergrund des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkrieges wandelte, ging die Entwicklung in Deutschland erst nach 1945 weiter. Es entstanden Moscheen in Hamburg und Frankfurt. Der Koran wurde ins Deutsche übersetzt. Ende der 60er Jahre fand die Gemeinschaft einen großen Zulauf an Gläubigen. Der Gedanke „Versuchen, die Herzen der Menschen zu gewinnen“ war für viele eine Lebensrichtung.

In den 80er Jahren begann die Verfolgung der Ahmadiyya Muslim Jamaat, besonders in Pakistan. Trotzdem blieb die Friedensbotschaft immer gleich und die Gemeinde wuchs weltweit. Man engagierte sich in Altenheimen, durch Blutspende und durch Dienst an der Gemeinschaft. In den 90er Jahren entstand der erste muslimische TV-Sender. Ein großes spirituelles Treffen fand in Deutschland statt. Mirza Masroor Ahmad wurde im Jahre 2003 als fünfter Kalif gewählt. Er konnte endlich den Grundstein für die Moschee in Berlin legen, die 2008 eröffnet wurde. Die Ahmadiyya Muslim Jamaat sind inzwischen gerngesehene Nachbarn in vielen Orten Deutschlands. Sie haben weltweit Anhänger in 190 Staaten. Sie sind die einzige muslimische Gemeinde mit einer eigenen, unabhängigen Frauenorganisation.

...und in Hattersheim

Der für die Gemeinde in Hattersheim zuständige Imam und Theologe Hamza Naseer Ahmad zeigte auf, in welchen Bereichen man die Ahmadiyya Muslim Jamaat in Hattersheim antreffen kann.

Viele Hattersheimer Bürgerinnen und Bürger haben sich sicher schon gewundert, aber auch sehr gefreut, als sie junge Ahmadiyya am Neujahrsmorgen beobachteten, wie sie den Schmutz der Silvesternacht beseitigten. Dieses tut die Jugendorganisation in jedem Jahr bundesweit seit über 20 Jahren. Genauso ist eine Beteiligung an der Aktion „Sauberhaftes Hattersheim“ für die Ahmadiyya Muslim Jamaat selbstverständlich. Weiter kennt man sie durch die Blutspendeaktion, die Obdachlosenspeisung, die Altersheimbesuche und die Verteilung von Neujahrskarten an Senioren. In der Corona-Zeit haben sie die Mitmenschen in Hattersheim durch 290 selbstgenähte Masken unterstützt. Sie initiieren jedes Jahr den Charity Walk. Weiter riefen sie die Aktion „Ich bin ein Muslim (eine Muslima), haben Sie Fragen“ ins Leben.

Alle Menschen sind immer herzlich willkommen bei dem Tag der offenen Tür (zweimal im Jahr im Mai und Oktober) und den Friedensgebeten. Grundsatz für den Einsatz für die Mitmenschen ist: „Lasst uns die Welt ein wenig schöner machen, gemeinsam, weinen, lachen.“

Grußworte der Ehrengäste

Das erste Grußwort sprach Kai Klose, Hessischer Minister für Soziales und Integration. Er erinnerte daran, dass 1959 die erste Moschee in Hessen errichtet wurde. Die Ahmadiyya Muslim Jamaat seien ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft geworden, betonte er. „Sie zeigen uns, wie positiv und facettenreich der Islam sein kann.“ Er bewundere den Einsatz beim „Dialog Forum Islam Hessen“, in Ausländerbeiräten und bei der Integration. Die Regierung wolle Diskriminierung bekämpfen, leider sei das nicht immer gelungen, gestand er. 2011 fand in Hattersheim ein Angriff auf ein Gebetszentrum statt. In gemeinsamer Verantwortung für unser Land wünscht er sich: „Lassen Sie uns voneinander lernen.“

Norbert Altenkamp, Mitglied des Bundestags und für den Main-Taunus-Kreis Stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, war gerne nach Hattersheim gekommen. Er erzählte, dass er vor 20 Jahren auf die Ahmadiyya durch einen Autoaufkleber mit ihrem Motto aufmerksam geworden sei. Er meinte, monotheistische Menschen, die an eine höhere Macht glaubten, hätten grundsätzlich einen anderen Auftritt im Miteinander. Dadurch schafften sie Werte, die kein Staat verordnen könne. Inzwischen gäbe es 52.000 Mitglieder der Ahmadiyya Muslim Jamaat in Deutschland. Er bewundere die Ahmadiyya, die sich auch durch Ablehnung und Ausgrenzung nicht von Ihrer Grundhaltung abbringen ließen. „Die Liebe gewinnt“, könne man da nur sagen.

Madlen Overdick, Erste Kreisbeigeordnete und Vize-Landrätin des Main-Taunus-Kreises, erinnerte daran, dass die Ahmadiyya Gemeinde in Hattersheim von neun Personen gegründet wurde, inzwischen seien es 340 Mitglieder. Große Anerkennung zeigte sie für das Engagement für die Menschen vor Ort. Gerade in jüngster Zeit hätten die Ahmadiyya Muslim Jamaat viel Integrationsarbeit geleistet. Sie böten geflüchteten Menschen eine Heimat, arbeiteten als Integrationslotsen oder Dolmetscher. Durch ihre Information zum Thema Brustkrebs hätten sie vielen Menschen die Tür zum deutschen Gesundheitswesen geöffnet. Sie gratulierte zu „100 Jahren Wohlfahrt, Seelsorge, Liebe und Loyalität zu Deutschland.“

Klaus Schindling, Bürgermeister der Stadt Hattersheim, merkte man an, wie stolz er ist, dass die Ahmadiyya Muslim Gemeinde Hattersheim bereichert. „Sie helfen sich und ganz Hattersheim, dass es sauberer, schöner und sicherer wird.“ Er garantierte den Ahmadiyya in Hattersheim jegliche Unterstützung und bedankte sich für alle Aktivitäten.

Hüsamettin Eryilmaz, Vorstandsmitglied im Landesausländerbeirat Hessen bedankte sich, dass viele Mitglieder der Ahmadiyya Muslim Jamaat in Ausländerbeiräten tätig seien. Weiter lobte er die Projekte mit der hessischen Polizei, die Präventionsangebote und den Einsatz in Seniorenheimen. Beim Interreligiösen Dialog und den vielen Aktionen gegen Rassismus zeige sich „Toleranz und Achtung sind die wichtigsten Eigenschaften, sie schaffen gemeinsame Werte.“

Der Vize-Bundesvorsitzende der Ahmadiyya Muslim Jamaat, Hasanat Ahmad, stellte sein Hauptaugenmerk auf den Dank: „Nur ein Mensch, der Dankbarkeit gegenüber anderen Menschen empfindet, kann ein dankbarer Mensch gegenüber Gott sein“, ist seine Meinung. Wir alle wüssten, dass der Friede Europas stark gefährdet sei und stellten uns die Frage, was zu tun sei. „Friede beginnt im Herzen, wir müssen mit uns selbst anfangen, in unseren vier Wänden, in der Nachbarschaft, im Land.“ Diese Einstellung könne sehr stark sein, wie die Geschichte der Ahmadiyya Muslim Jamaat zeige. Für den Frieden in der Welt müsse jeder etwas tun und sich für Menschen in Not einsetzen.

Zum Ausklang des Abends waren alle Gäste zu einem Buffet eingeladen, das einen wunderbaren Rahmen für persönlichen Austausch und Gespräche bot.

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