Baustart auf dem Schlockerhof

Innovatives Bauvorhaben mit Kindertagesstätte und Wohneinrichtung für Menschen mit Assistenzbedarf unter einem Dach

EVIM-Vorstand Jörg Wiegand beim Festakt mit Spatenstich vor der Baustelle. Im Hintergrund wird gerade der Abriss des alten Gebäudes in der Dürerstraße 19 abgeschlossen.

Am Dienstag vergangener Woche, 28. Mai, stand der symbolische Spatenstich stellvertretend für den Baustart eines ambitionierten Projekts des Evangelischen Vereins für Innere Mission in Nassau (EVIM) auf dem Hattersheimer Schlockerhof. Dort entsteht auf einem 3.540 Quadratmeter großen Areal ein multifunktional nutzbarer Neubau, der sowohl eine Kindertagesstätte als auch eine Wohneinrichtung für Menschen mit Assistenzbedarf beherbergen wird. Dieses neue vierstöckige Gebäude mit Gartengeschoss und direktem Zugang zu einem großzügigen Außengelände wird die bisherige Kita in Container-Bauweise und die Wohnhäuser aus dem Wohnverbund für Menschen mit Assistenzbedarf in unmittelbarer Nachbarschaft in der Dürerstraße ersetzen.

Festakt mit Spatenstich

Bei herrlichem Frühlingswetter konnte EVIM-Vorstand Jörg Wiegand zusammen mit dem Verwaltungsrat, Vorstand, Geschäftsführungen und Fachpersonal des Vereins etliche Gäste begrüßen, wie den Hattersheimer Bürgermeister Klaus Schindling, Stadtverordnetenvorsteher Georg Reuter, den Leiter der Kita am Schlockerhof Jeremias Köhler, Pfarrer Matthias Loyal (Theologischer Vorstand EVIM), sowie weitere Vertreterinnen und Vertreter der Stadt, des Landeswohlfahrtsverbandes, den Freundeskreis der Schlocker-Stiftung, das Architekturbüro Planungsgruppe Drei aus Mühltal, die Rohbaufirma Feick und die Klientenbeiräte des Wohnverbundes.

Jörg Wiegand warf in seiner Rede zunächst einen Blick zurück in das Jahr 2017, als in ein paar hundert Metern Entfernung ein erstes neues Gebäude mit Wohnungen für 22 Menschen mit Beeinträchtigungen eingeweiht wurde, die zuvor aus der alten Wohnanlage ausgezogen waren. Den verbliebenen 30 Personen versicherte man damals, dass sie auch ein schönes neues Haus bekommen werden - leider sind seitdem nun bereits sieben Jahre ins Land gezogen, und mit Bau wird ja nun erst begonnen. Die provisorische Kita in Containern ist auch schon seit 2018 in Betrieb, ursprünglich war deren Nutzung nur für vier bis maximal fünf Jahre vorgesehen. Auch hierfür beginnt mit diesem Spatenstich nun die Errichtung eines dauerhaften Domizils.

Die notwendige Änderung des Bebauungsplans für das ganze Gelände wurde direkt 2017 beantragt, und es dauerte bis zum 11.11.2019, als jener neue Bebauungsplan endlich Rechtskraft erreicht hat. Eigentlich wollte man daraufhin direkt mit dem Bau loslegen, berichtete Wiegand - doch dann hat prompt die Corona-Pandemie auch dieses Projekt heftig ausgebremst. Man gab sich größte Mühe, die Planungen auch in diesen widrigen Zeiten voranzutreiben, und Ende 2022 reichte man dann schließlich den Bauantrag ein für das Gebäude, dessen Baustart nun gefeiert werden soll. Die Baugenehmigung wurde dann nach Ansicht des EVIM-Vorstands für die heutige Zeit recht schnell erteilt: Am 14. September 2023 war es schon soweit. Und die Arbeiten auf dem Gelände warteten nicht auf den Spatenstich: Der Abriss der alten Gebäude ist längst im Gange und schon fast abgeschlossen.

Bürgermeister Klaus Schindling zeigte sich erfreut darüber, dass man mit EVIM eine Organisation in der Stadt habe, mit der man schon viele Dinge vorantreiben konnte. Die EVIM würde der Stadt Hattersheim "unsagbar gut" tun in Zeiten, in denen über Inklusion und Integration geredet wird, in denen man aber auch mit viel Hass, Gewalt und Extremismus konfrontiert wird, "gerade von rechts". Auch in unserem Land und unserer unmittelbaren Nachbarschaft, so der Rathauschef. Angesichts dessen könne man froh sein, dass mit der EVIM "eine Pflanze wächst, die vor vielen Jahren glücklicherweise in Hattersheim einen Standort gefunden hat". Schindling betonte auch den Glücksfall für die Stadt, dass EVIM sich bereit erklärt habe, eine große Kindertagesstätte mit über 100 Plätzen in ihrer Trägerschaft zu betreuen.

Thomas Knierim, der stellvertretende Fachsbereichsleiter des Landeswohlfahrtsverbands Hessen, wies als dritter und letzter Redner darauf hin, dass sich das Thema Inklusion in den letzten Jahre verwandelt habe. Die früheren Gebäude sind, zusammen mit ihren Bewohnerinnen und Bewohnern, älter geworden. Und deren Bedarf verändert sich mit fortschreitendem Alter: Wer älter wird, ist umso wahrscheinlicher nicht mehr so gut zu Fuß wie zuvor und fortan auf möglichst weitreichende Barrierefreiheit in seinem Umfeld angewiesen. Deshalb wurde seinerzeit entschieden, die alten Gebäude komplett aufzugeben und barrierefreie Ersatzbauten zu planen.

Knierim lobte außerdem die Umsetzung der modernen Idee, dass an einem Ort Menschen mit und ohne Behinderung zusammenfinden. Mit der Kita unter dem gleichen Dach sorge man im Sinne der Inklusion dafür, dass dort viele Menschen mit völlig unterschiedlichen Hintergründen gemeinsam leben und agieren. "Wo keiner mehr fragt, ob und welche Beeinträchtigung sie haben oder nicht, und ob sie anerkannt ist oder nicht", so Thomas Knierim.

Informationen zum Neubau

Kita: Im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss befinden sich die Räume für die Kindertagesstätte mit insgesamt sechs Gruppen - zwei U3-Gruppen im Erdgeschoss sowie vier Gruppen Kindergartenbetreuung im ersten Obergeschoss - inklusive aller Funktionsräume. Erweitert wird das Raumangebot durch ein großzügiges Gartengelände. Maximal 120 Kita-Betreuungsplätze stehen zur Verfügung.

Wohneinrichtung: Ganz im Sinne der Inklusion ist das Normalitätsprinzip die Grundlage jeglicher konzeptioneller Planung: Eine Vielzahl von Wohnformen wie zum Beispiel unterschiedlich konzipierte Wohngemeinschaften, individuelles Wohnen in Einzelapartments, die bei Bedarf auch in eine Zweipersonenwohnung umgebaut werden können, sind Beispiele für ein Höchstmaß an Flexibilität, das sich am individuellen Bedarf jedes einzelnen Bewohners orientiert.

In dem Gebäude werden insgesamt 30 Wohnmöglichkeiten für Menschen mit Assistenzbedarf geschaffen. Das Wohnraumangebot teilt sich auf in 13 Wohneinheiten, eine Vier-Personen-Wohngruppe im ersten Obergeschoss, zwei Acht-Personen Wohngruppen im zweiten Obergeschoss sowie zwei Zwei-Personenwohnungen und acht Ein-Personen-Appartments im Staffelgeschoss. Ergänzt wird das Wohnangebot im Erdgeschoss um Flächen für die „Gestaltung des Tages“, in denen Bewohner tagsüber ein Beschäftigungsangebot erhalten.

Die Wohneinrichtung vereint alle Vorzüge eines modernen Betreuungskonzeptes, das sich an der personenzentrierten Gestaltung von Lebensräumen und an einer höchstmöglichen Lebens- und Wohnqualität der Bewohner „mit konsequentem Blick in die Zukunft“ orientiert, wie Björn Bätz, Geschäftsführer EVIM Behindertenhilfe hervorhebt. Wohnen und leben im eigenen Zuhause soll auch bis ins hohe Alter und bei zusätzlichen körperlichen Einschränkungen oder erhöhtem Pflegeaufwand möglich sein. Die unterschiedlichen Nutzungen in einem Gebäude sollen Inklusion ebenso befördern wie eine vielfältige und langfristige Nutzung des Gebäudes für unterschiedliche Personen- und Bewohnergruppen. So können zum Beispiel die flexibel geplanten Multifunktionsräume im Erdgeschoss sowohl von der Kindertagesstätte als auch vom Wohnhaus genutzt werden. Ein Quartiersbüro fördert das Konzept der Einbindung in den Sozialraum.

Auch energetisch ist der Bau zukunftsorientiert: Die Wärmeerzeugung (Fußbodenheizung) erfolgt über einen Nahwärmeanschluss, die Warmwasseraufbereitung erfolgt weitestgehend dezentral elektrisch und unterstützt durch eine Photovoltaik-Anlage auf der Dachfläche.

Die Baukosten für das Projekt betragen insgesamt rund 13 Millionen Euro. An der Finanzierung beteiligt sind der Landeswohlfahrtsverband (LWV) und die Stadt Hattersheim am Main. EVIM stellt das Grundstück zur Verfügung, Betreiber sind die EVIM Behindertenhilfe und EVIM Bildung. Die Inbetriebnahme soll Ende des kommenden Jahres erfolgen können.

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