Zeiten ändern sich, und das zuweilen erstaunlich schnell. Gerade einmal zwei Jahre ist es her, als Bürgermeister Klaus Schindling mitten im zweiten Corona-Herbst zur Musik des Narrhalla-Marsches in der städtischen Sporthalle am Karl-Eckel-Weg zur Einbringung des Haushalts 2022 an das Rednerpult trat. Dies tat er damals sichtlich gut gelaunt, so dass der "Soundtrack" nicht nur zum besonderen Sitzungsdatum, dem 11.11., angemessen erschien. Dazu hatte er auch allen Grund, schließlich konnte der Kämmerer der Stadtverordnetenversammlung abermals einen ausgeglichenen Haushalt 2022 vorlegen.
Ein Umstand, der sich auch im vergangenen Jahr noch fortsetzte, als Schindling in seiner damaligen Rede nicht ohne Stolz feststellte, dass man seit nunmehr 2016 stets ausgeglichene Haushalte präsentieren konnte, die nicht nur dafür gesorgt hätten, dass die Stadt Hattersheim den "Rettungsschirm" verlassen konnte, sondern auch Spielräume zur infrastrukturellen Weiterentwicklung der Stadt ermöglichten. Den Haushalt für das Jahr 2023 brachte die Stadt Hattersheim seinerzeit mit einem ordentlichen Ergebnis von 174.000,10 Euro ein, bei Gesamterträgen in Höhe von 88.267.300 Euro. Zum Vergleich rief Schindling vor einem Jahr Zahlen aus 2015 in Erinnerung: Damals hatte man noch ein negatives Ergebnis, bei Aufwand und Erträgen von 48 Millionen Euro - in 2023 würde man hier bei über 90 Millionen Euro liegen.
Am vergangenen Donnerstagabend hielt der Bürgermeister seine Haushaltsrede nun erstmals in der frisch sanierten Stadthalle, und die Stimmung war eine gänzlich andere als in den Vorjahren. Schindling umriss ein Szenario der Krisen und deren Auswirkungen auf die Stadt Hattersheim am Main, und dabei erweckte er schon mit seinen ersten Worten den Anschein, als hätte er diesmal eine unschöne Kröte im Gepäck, die es gleich zu schlucken gelte: Die Einbringung des Haushaltes sei in diesem Jahr "etwas ganz Besonderes", weil man vor einer Entscheidung stünde, die gut überlegt werden müsse.
Absehbares Ausgabeproblem
Das Haushaltsvolumen liegt 2024 nun schon bei insgesamt etwa 100 Millionen Euro, und dieser Wert beinhaltet naturgemäß natürlich Einnahmen und Ausgaben. Die Einnahmenseite hat sich in den letzten Jahren für Hattersheim sehr positiv entwickelt, so haben sich die Gewerbesteuereinnahmen seit 2015 etwa verdreifacht.
Auf der Ausgabenseite stehen jedoch steigende Kosten, "die wir schwer steuern können", so Schindling. So habe man in den vergangenen Jahren stets sicherheitshalber mit einer zweiprozentigen Steigerung der Löhne und Gehälter kalkuliert, um im Falle einer Tariferhöhung für den öffentlichen Dienst wirtschaftlich gewappnet zu sein. Nicht erahnen konnte man jedoch, dass am Ende der jüngsten Verhandlungen eine Lohnsteigerung von nahezu zehn Prozent stand. Für Hattersheim bedeutet dies, dass die Personalkosten allein für den bereits 2023 vorhandenen Mitarbeiterstamm um 4,1 Millionen Euro steigen, und hinzu kommen noch diverse neue Stellen, die der Haushalt 2024 vorsieht. 14 neue Stellen sind es insgesamt, die vom neuen IT-Techniker über Verstärkung im Lohnbüro bis hin zur Referatsleitung zur Koordination der allgemeinen Finanzwirtschaft reichen. Ebenso soll die Feuerwehr einen zusätzlichen Gerätewart erhalten, der Bauhof soll einen weiteren Elektriker anstellen und auch im Stadtarchiv, bei der Seniorenberatung und im Bereich für Hilfen für Asylbewerber und Geflüchtete soll es zu einer Personalaufstockung kommen. Somit liegen die Personalausgaben 2024 bei strammen 30,42 Millionen Euro, das bedeutet eine Steigerung von über 6,1 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr.
Schindling richtete dann den Blick auf die gesamtwirtschaftliche Lage des Main-Taunus-Kreises, der sich unter anderem einer "immensen Neuverschuldung im Bereich der Kliniken" ausgesetzt sehe. Nicht zuletzt dieser Umstand habe dazu beigetragen, dass der Kreis die Kreis- und Schulumlage um stolze drei Prozent zu erhöhen gedenkt. Dazu wird es aller Voraussicht nach kommen, sobald der MTK seinen neuen Haushalt Anfang 2024 einbringen wird. Für Hattersheim bedeutet dies eine Kostensteigerung in Höhe von 1,56 Millionen Euro.
Und all das wird zu allem Überfluss auch noch von einer Inflationsrate von etwa acht Prozent flankiert, so dass man "strukturell, wenn das so weiter läuft, kein Einnahme- sondern ein Ausgabeproblem bekommen können", prognostizierte der Rathauschef. Eine Problematik, die - mit Ausnahme von Eschborn - für alle Kommunen im Main-Taunus-Kreis "eine schwierige Nummer" sei. Hattersheim zähle hierbei wenigstens zu den Kommunen, die nicht sofort davon betroffen sein werden. Man sei nicht nur aus dem "Rettungsschirm" herausgekommen, sondern konnte in den letzten Jahren auch immerhin 18,2 Millionen Euro "auf die hohe Kante" legen. Diese Reserve könne man zum Ausgleich der kommenden Haushalte heranziehen.
Aber der Trend sei dennoch unverkennbar, und nun stelle sich die Frage, wie man diesem Phänomen am besten begegnen soll. In der Verwaltung, der Kämmerei und auch innerhalb der Regierungsfraktionen habe man hierüber lange gesprochen, und man gelangte zur übereinstimmenden Erkenntnis: Wenn man so weitermacht wie bisher, dann hat man 2027 oder 2028 keine Rücklagen mehr, und dann könne man auch keinen genehmigungsfähigen Haushalt mehr vorlegen. Zwar wäre die Lage auch dann noch nicht ganz so prekär wie 2012, als sich zu den fehlenden Rücklagen auch noch Schulden hinzugesellt hatten - aber dennoch weckt diese Aussicht Erinnerungen an die "schlimme Zeit", als man Haushaltskonsolidierungsgespräche führen musste, an deren Ende eine Menge Einsparungen standen, die zweifelsohne auch für Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung geführt haben. Man habe gemerkt, dass solche Beschneidungen der freiwilligen Leistungen der "Verwirklichung einer sozialen, gerechten und bunten Stadtgesellschaft" abträglich sind. Und um in absehbarer Zeit nicht wieder in eine Lage zu geraten, die solche Einsparungen notwendig macht, schlug Schindlung in seiner Haushaltsrede nun die Erhöhung der Grundsteuer B um 40 Punkte an.
Eine "Pro-Kopf-Steuer, die jeden trifft"
Der Bürgermeister selbst erinnerte daran, dass er 2016 gesagt habe (und dies auch im Koalitionsvertrag festgehalten wurde), dass man die Grundsteuer B wieder senken wolle, sobald die wirtschaftliche Lage dies zulasse. "Und ich sage Ihnen: Wenn wir die Grundsteuer B heute Abend senken, lässt es die wirtschafliche Lage zu. Wir können das machen", formulierte Schindling eine Momentaufnahme. Und dafür müsse man auch keine Einsparungen an Dienstleistungen vornehmen. Jedoch: Dann stünde man nicht erst 2027 oder 2028 ohne Rücklagen, da, sondern schon übernächstes Jahr - also kann man es genau genommen doch nicht machen. Oder wenn, dann nur auf zeitnahe Kosten in Sachen Lebensqualität in Hattersheim.
Die Erhöhung der Grundsteuer B um 40 Punkte mache im Haushalt eine Summe von 420.000 Euro aus. Eine "homöopathische Summe", so Schindling, angesichts eines Haushaltsvolumens von 100 Millionen Euro. Dennoch sei dies natürlich eine Mehrbelastung für die Bürgerinnen und Bürger. "Ein nicht spürbares Sparen für die Bürger gibt es nicht", stellte Schindling fest und präsentierte hierzu ein paar Beispielrechnungen: Für eine 1989 gebaute Eigentumswohnung würde die Grundsteuer so um knappe 27 Euro pro Jahr steigen, für ein 1974 errichtetes Einfamilienhaus wären es gute 100 Euro mehr und im Falle eines Mehrfamilienhauses aus dem Jahr 1983 würden etwa 860 Euro mehr pro Jahr für das gesamte Objekt anfallen.
Gepaart mit dem Sparwillen der Stadt könne diese relativ geringe Mehreinnahme jedoch bereits einen wirksamen "Solidarbeitrag aller" darstellen, der verhindert, dass man allzu schnell "auf Null" zurückfahren müsse, sondern vielmehr die freiwilligen Angebote der Stadt auch in den nächsten Jahren noch aufrechterhalten und die gesetzten Ziele weiterhin verfolgen kann.
Schindling ist auch der festen Überzeugung, dass man sich überlegen solle, ob man das "Regulativ der Grundsteuer B", also einer "Pro-Kopf-Steuer, die jeden trifft", künftig so ansetzen solle, dass man diese in einem festen Turnus von ein bis zwei Jahren um einen kleinen Betrag erhöht, "mindestens mal so, wie die Inflation sich entwickelt".
Minus in Höhe von 28.890 Euro
Der Gesamthaushalt 2024 weist in der eingebrachten Form ein Defizit in Höhe von 3.483.940 Euro aus. Durch außerordentliche Erträge (Schindling zufolge stammen diese aus Grundstücksverkäufen aus dem Gewerbegebiet Nord) von 3.455.050 Euro kann das Jahresergebnis jedoch soweit "aufpoliert" werden, so dass am Ende nur noch ein Minus von 28.890 Euro steht.
Schwerpunkte des Investitonsprogramms 2024 liegen unter anderem bei der immer noch nicht vollständig "frisch sanierten" Stadthalle: Diese benötigt noch weitere 800.000 Euro für die Installation der Klimaanlage. Der Sportplatz Eddersheim soll für 600.000 Euro einen Parkplatz erhalten, die dritte Grundschule muss für 600.000 Euro erschlossen werden, und auch einige Neubauten stehen an, als da wären das Funktionsgebäude in Okriftel, die neue Kindertagesstätte in Hattersheim sowie die neue Fahrzeughalle in Eddersheim.
Die Fraktionen im Hattersheimer Stadtparlament haben nun die Gelegenheit, sich mit dem Haushaltsentwurf für das Jahr 2024 intensiv zu beschäftigen, eigene Änderungsvorschläge einzureichen, und in der kommenden Sitzungsrunde wird man sicher intensive Debatten insbesondere über die Nutzung des "Regulativs Grundsteuer B" anstelle eines streichungsfreudigeren Rotstifts führen.