Seit dem 10. Januar laufen die archäologischen Grabungen an der Voltastraße im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens Nr. N100 „Vordere Voltastraße“, bis mindestens Mai sollen sie noch andauern.
Im Vorfeld zur baulichen Erschließung wurde auf dem Areal an der Voltastraße eine geophysikalische Prospektion durchgeführt, bei der interessante Anomalien zu Tage traten. Diese Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass sich an dieser Stelle möglicherweise archäologisch relevante Fundstücke verbergen könnten. So kam es, dass das Landesamt für Denkmalpflege archäologische Grabungen und Suchschnitte in den entsprechenden Teilbereichen des Plangebiets anregte.
Die aktuellen Grabungen sind längst nicht die ersten derartigen archäologischen Vorgänge im Hattersheimer Süden. Die neuen Entwicklungen sind ein guter Anlass, um auf bisherige Ausgrabungen und deren Fundergebnisse in Hattersheim zurückzublicken.
Entdeckungen im Jahre 2018
Im April 2019 referierte die Archäologin Dr. Franka Schwellnus im Hessensaal des Alten Posthofes über die damaligen Grabungen auf dem Ölmühlengelände. Schwellnus selbst war bereits an einigen Grabungen in Hattersheim beteiligt, beispielsweise bei der Erschließung der Neubaugebiete Südwest und Schokoladenfabrik.
Ende 2018 ergab sich im Zuge der Baumaßnahmen im Neubaugebiet Hessendamm-Ölmühle die Möglichkeit, vorherige archäologische Erkenntnisse weiter zu vervollständigen.
Auf dem Gelände der ehemaligen Ölmühle von 1710 waren durch Nachnutzungen nur wenige ungestörte Flächen für archäologische Untersuchungen übrig geblieben. Dennoch konnten von der Abteilung „hessenARCHÄOLOGIE“ des Landesamtes für Denkmalpflege drei vielversprechende Flächen festgelegt werden. Die Archäologen konnten dort unter anderem Gruben aus der Eisenzeit sowie Reste von Gebäuden, die wohl am ehesten der späten Merowinger- und frühen Karolingerzeit zugeordnet werden können, freilegen.
Ursprünglich war die Ölmühle benannt nach ihrem ersten Eigentümer: Sie hieß damals "Engelsmühle". Im Jahr 1731 wurde ihr Mühlbach vom Schwarzbach abgezweigt. Die Mühle war für eine Weile tatsächlich als Ölmühle in Betrieb, bis das Areal im vergangenen Jahrhundert von der Hoechst AG gekauft wurde und fortan als landwirtschaftliche Entwicklungsanstalt Verwendung fand.
Spannend war aus Sicht des Landesamtes für Denkmalpflege vor allem die Klärung des Mühlbachverlaufs, sowie ein kleines Gelände am südlichen Rand, das nie überbaut worden war. Zudem stellte sich natürlich auch die Frage, ob sich die auf dem Schokoladenfabrik-Gelände gemachten Funde jenseits des Hessendamms fortsetzen.
Entdeckt wurde bei den Ausgrabungen eine „lineare Struktur, ein etwa 50 Zentimeter tiefer Graben“, der sich auf dem Gelände der Schokoladenfabrik fortsetzt. In diesem Graben fand man auf Seiten des Hessendamms Fundstücke aus dem 17. und 18. Jahrhundert - wahrscheinlich handelte es sich dabei um einen Landwehrgraben.
Zudem wurden auf dem Ölmühlengelände Überreste eines etwa zwölf Quadratmeter großen Hauses in Form von sechs Holzpfosten entdeckt. Auch undefinierbare Gruben mit lockerer, einheitlicher Verfüllung wurden gefunden, in Nachbarschaft zu kegelförmigen Abfall- und Vorratsgruben aus der Eisenzeit - entsprechende Funde ermöglichten diese Datierung.
Im Süden konnte Dr. Franka Schwellnus von frühmittelalterlichen Funden aus dem 7. und 8. Jahrhundert berichten - für sie der Höhepunkt der damaligen Grabungen: „Brandlehmspuren von Gewichten von Webstühlen deuten darauf hin, dass es sich um Handwerkshäuser handelt, die zum Weben genutzt wurden. Diese und auch Scherben lassen vermuten, dass es sich um eine kleine Handwerkssiedlung aus dem Frühmittelalter am Schwarzbach gehandelt hat, ältere Scherben deuten auf eine Besiedelung seit der Eisenzeit hin.“
Einige lange, rechteckige Gruben mit treppenähnlichem Abgang wurden auch wieder gefunden. Bereits auf dem Grabungsgelände Südwest wurden davon bereits 106 Stück entdeckt, stets in nörd-südlicher oder ost-westlicher Ausrichtung. Eine eindeutige Datierung oder eine Definition zur tatsächlichen Bestimmung dieser Gruben konnte noch nicht geklärt werden. Schwellnus bezeichnete diese speziellen Gruben, die zwischen 50 und 60 Zentimeter breit, zwischen 1,6 und zwei Meter lang und von unterschiedlicher Tiefe sind, als "Hattersheimer Phänomen." Eine Entstehung in moderner Zeit sei eher unwahrscheinlich, da dort keinerlei Spuren von modernem Schrott wie Schrauben oder Plastik gefunden wurden.