Kein Lachgas mehr für Jugendliche

Regierende Koalition beantragt Gefahrenabwehrverordnung: Abgabe an Minderjährige soll in Hattersheim verboten werden

Partydroge Lachgas: Die Kartuschen sind legal erhältlich, die gesundheitlichen Gefahren aber nicht zu unterschätzen.
Partydroge Lachgas: Die Kartuschen sind legal erhältlich, die gesundheitlichen Gefahren aber nicht zu unterschätzen.

mpk

Zur Ausschussrunde in der kommenden Woche haben die Fraktionen von CDU, FDP und FW einen gemeinsamen Antrag bezüglich des Schutzes Minderjähriger vor dem Konsum von Lachgas vorgelgt.

Lachgas entwickele sich, auch in Hattersheim, seit einiger Zeit als immer beliebtere Partydroge und sei frei verkäuflich, beispielsweise in Form von Sahnekapseln oder speziellen Lachgas-Kartuschen, heißt es in der Antragsbegründung. Dabei werde das Gas aus einem Ballon oder direkt aus der Gaspatrone inhaliert, um einen kurzzeitigen Rauschzustand zu erzeugen.

Überdosiert birgt das Betäubungsgas Gesundheitsrisiken: Sauerstoffmangel, Erfrierungen und neurologische Schäden drohen. Der Magistrat soll deshalb damit beauftragt werden, eine Gefahrenabwehrverordnung zum Schutz von Minderjährigen vor Lachgas zu erlassen. Diese soll die Abgabe von Lachgas an Minderjährige im Gebiet der Stadt Hattersheim verbieten.

Ausdrücklich soll hier auch der Betrieb von Automaten inkludiert sein, die Lachgas als Ware anbieten und keinen ausreichenden technischen Schutz vor dem Gebrauch des Automaten durch Minderjährige bieten.

"Der Magistrat wird außerdem gebeten, möglichst in Zusammenarbeit mit der mobilen Jugendarbeit, dem Präventionsrat und dem Hattersheimer Jugendparlament geeignete Maßnahmen zur Aufklärung über die Risiken des Lachgaskonsums zu ergreifen. Nach spätestens zwei Jahren soll die Verordnung in Bezug auf Wirksamkeit und Notwendigkeit evaluiert werden", so die Begründung abschließend.

Landesärztekammer Hessen warnt vor Gefahren

Auch die Landesärztekammer Hessen (LÄKH) beobachtet den zunehmenden zweckentfremdeten Konsum von Lachgas seit einiger Zeit mit Sorge. Insbesondere unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen werde Lachgas als Partydroge immer beliebter, heißt es in einer im November 2024 veröffentlichten Pressemitteilung.

„Wir sehen die Bemühungen der Politik, das Problem in den Griff zu kriegen. Allerdings muss aus ärztlicher Sicht schneller reagiert werden. Der freie Verkauf von Lachgas außerhalb des medizinischen Kontexts ist angesichts der aktuellen Situation unter keinen Umständen mehr vertretbar“, so LÄKH-Präsident Dr. med. Edgar Pinkowski.

Ärztliche Aufsicht unerlässlich

Auch der Drogen- und Suchtbeauftragte der LÄKH, Dr. med. Mathias Luderer, sprach sich für die Umsetzung rascher Maßnahmen aus: „Wichtig ist die schnelle Umsetzung von Präventions- und Aufklärungsarbeit im schulischen Kontext. Die freie Verfügbarkeit und gezielte Vermarktung von Lachgas an junge Zielgruppen signalisiert jungen Konsumentinnen und Konsumenten Gefahrlosigkeit - fatalerweise. Dem Narrativ, dass der Freizeit-Konsum von Lachgas außerhalb ärztlicher Kontrolle risikofrei sein soll, muss ich entschieden widersprechen.“

In der Medizin und unter ärztlicher Beaufsichtigung werde Lachgas als durchaus sicheres Medikament gebraucht, beispielsweise zur Narkose oder der Behandlung von Schmerzen. Ebenso legen Studien den Verdacht nahe, dass Lachgas auch bei der Behandlung von schwer zu behandelnden Depressionen eingesetzt werden könne. Die ärztliche Kontrolle und die Einbettung in ein multimodales Therapiekonzept seien hierbei aber überaus wichtig.

Bei Lachgas handelt es sich zudem um ein Treibhausgas, das weitaus klimaschädlicher ist als Kohlenstoffdioxid (CO2). In der Medizin versucht man bereits auf andere Anästhetika auszuweichen, um den ökologischen Fußabdruck möglichst zu reduzieren und einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. "Wer Lachgas zu privaten Zwecken konsumiert, riskiert also nicht nur die eigene Gesundheit, sondern trifft eine bewusste Entscheidung gegen den Klima- und Umweltschutz", stellt das LÄKH fest.

Lähmungserscheinungen durch regelmäßigen Konsum

Sicherheit durch ärztliche Kontrolle und das Wissen behandelnder Ärztinnen und Ärzte sind im Rahmen des Freizeitkonsums nicht gegeben. Der akute Rausch von Lachgas bewirke Euphorie, Taubheits- und Schwindelgefühle und reicht bis zu Bewusstlosigkeit und akutem Sauerstoffmangel. Stürze und Unfälle mit schweren Folgen können die Folge sein. Zudem kann es bei unsachgemäßer Handhabung zu Gefrierverbrennungen kommen. Und wird Lachgas mit anderen Substanzen eingenommen, kann man die potenziellen Nebenwirkungen nur schwer einschätzen.

Besonders kritisch zu sehen ist laut LÄKH der Umstand, dass Lachgas bei regelmäßigem Konsum die Verwertung von Vitamin B12 im Körper hemmt. "Dadurch kann es zu schweren Nervenschäden kommen, die Lähmungserscheinungen, anhaltende Taubheitsgefühle und Probleme in der Bewegung im gesamten Körper hervorrufen können. Diese Einschränkungen sind teilweise nicht mehr rückgängig zu machen."

Soziale Medien animieren zu Konsum

Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) wies in einer Pressemitteilung im Januar 2025 darauf hin, dass viele glauben, die Droge Lachgas sei harmlos, weil sie legal und einfach erhältlich, der Rausch kurz und der Konsum nicht nachweisbar ist. Zudem werde das Gas auch auf sozialen Medien als "witzige und coole Partydroge" verharmlost. „Das alles sorgt dafür, dass besonders Jugendliche zu Lachgas greifen“, sagt Professor Dr. Alexander Glahn von der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der MHH. Meistens werde Lachgas in Kombination mit anderen Rauschmitteln wie Alkohol oder Cannabis konsumiert, was die Wirkung verstärken und unberechenbarer machen könne.

Laut der Frankfurter Studie "Monitoring-System Drogentrends (MoSyD) 2023" haben 14 Prozent der 15- bis 18-jährigen Befragten Lachgas schon mindestens einmal ausprobiert.

Landesärztekammer fordert sofortige Regulierung

Einen Hauptgrund für die Beliebtheit von Lachgas als Droge sieht die LÄKH in der leichten Verfügbarkeit und der kaum existenten gesetzlichen Regulierung. Lachgas werde häufig in großen Behältnissen und in einem Design angeboten, das gezielt junge Menschen ansprechen soll. Verschiedene verfügbare Aromen verführen dabei zusätzlich zum Konsum.

"Lachgas ist derzeit im Prinzip zu jeder Tages- und Nachtzeit legal verfügbar – dies wird von jungen Nutzerinnen und Nutzern oft fälschlicherweise mit Gefahrlosigkeit gleichgesetzt. Dabei ist insbesondere der regelmäßige Konsum mit Risiken verbunden. Lachgas hat aufgrund der fehlenden Altersbeschränkung den Ruf einer 'Kinderdroge' bekommen", stellt die LÄKH fest.

Angesichts der Risiken sei der freie unregulierte Verkauf von Lachgas außerhalb des medizinischen Kontexts aus Sicht der Landesärztekammer Hessen nicht mehr zu vertreten. „Ein möglicher erster Schritt könnte sein, den Verkauf großer Lachgas-Behältnisse und die Anreicherung mit Aromastoffen zu verbieten. Darüber hinaus könnten neutrale Verpackungen kleine Erfolge versprechen“, so Dr. med. Mathias Luderer. „Angesichts der erheblichen Risiken – gerade für junge Generationen – wäre außerdem über die Verkaufszeiten oder ein Verkaufsverbot in klassischen Ausgehvierteln nachzudenken. Eine Altersbeschränkung wäre ebenfalls sinnvoll. Wir glauben, dass man damit Gefahren für junge Menschen reduzieren kann.“

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