Eine Kindertagesstätte auf dem Aldi-Dach

Koalition zieht größere Kita auf dem Dach vor / Oppositionsparteien kritisieren Nähe zu Verkehrslärm und Rechenzentrum

Schon lange ist sie im Gespräch, nun wird sie tatsächlich konkret: Im Plangebiet "Vordere Voltastraße" soll auf dem Dach eines Aldi-Marktes eine neue Kindertagesstätte errichtet werden. Im Ausschuss für Umwelt, Bauen und Verkehr legte der Magistrat eine Vorlage vor, derzufolge die Stadtverordnetenversammlung dem dazugehörigen Entwurf des Vertrages über die Teilung des Eigentums nach den Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes zustimmen möge.

Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens Nr. N100 „Vordere Voltastraße“ haben sich die Bauvorhabenträger einst verpflichtet, dort eine sechszügige Kita zu errichten und diese in das Eigentum der Stadt Hattersheim am Main zu übertragen. Der städtebauliche Vertrag erlaubt es, dass diese Kita auch auf dem Dach eines Lebensmittelmarktes entstehen kann - und von dieser Option macht man nun Gebrauch. Der geplante Fertigstellungstermin ist August 2026.

Bürgermeister Klaus Schindling ergänzte noch, dass in die dort entstehenden Wohneinheiten niemand einziehen darf, bevor die vereinbarte Kinderbetreuung nicht gewährleistet ist, selbst wenn diese Wohnungen schon früher bezugsfertig sein sollten. Sollte es jedoch so sein, dass der Bauvorhabenträger in der Lage ist, eine temporäre Lösung in einem seiner Bauten anbieten zu können, und das kosten- und lastenfrei für die Stadt Hattersheim sowie mit Einverständnis der Eltern, wäre das auch in Ordnung. Die notwendige Zufriedenheit der Eltern könne aber sicher nur dann erreicht werden, wenn diese Zwischenlösung unter der gleichen Trägerschaft stehen würde wie der später fertige Kindergarten (und die Stadt Hattersheim wird nicht Träger sein) und die Unterbringung in einer "ordentlichen Einrichtung unter den Blickwinkel des Kindeswohles" stattfinden könne, so Schindling.

Ablehnende Haltung der Opposition

Alessio Dale (Bündnis 90/Die Grünen) erneuerte die bereits bekannte Haltung seiner Fraktion zur angedachten Lage dieser neuen Kindertagesstätte. Die Aufteilung dieses hier komplett neu erschlossenen Raumes sei falsch. Wohnungen würden sich direkt über einem Discountermarkt erheblich besser machen, und es ließen sich hier sicher Lösungen finden, damit der entstehende Lärm durch den Marktbetrieb kein Problem darstellen würde.

Eine Kita hingegen gehöre nach Auffassung der Grünen zumindest größtenteils auf eine Freifläche, damit die Kinder in der Natur spielen können. Dies soll zwar auch auf dem Aldi-Dach ermöglicht werden, jedoch wäre ein Kindergarten prinzipiell in Waldesnähe, fernab von hoher Lärmbelästigung, besser aufgehoben. Die Bahnstrecke sei maximal 500 Meter von der kommenden Dach-Kita entfernt, ebenso liegt das Rechenzentrum direkt nebenan, und schon jetzt gebe es Beschwerden der Anwohnerschaft bezüglich des dortigen Lärmpegels, insbesondere in den Sommermonaten, so Dale. Kindeswohl und Kinderschutz werden nach Ansicht der Grünen hier nicht in dem Maße berücksichtigt, wie man das für richtig halten würde.

Die SPD teilt die Position von Bündnis 90/Die Grünen, und Dr. Marek Meyer ergänzte, dass man den Fehler im städtebaulichen Vertrag sehe: Dort habe man dem Investor zugestanden, die Kita auch auf einem Supermarktdach errichten zu können - und wenn man diese Möglichkeit einräumt, ist es auch wahrscheinlich, dass genau diese Option gezogen wird.

Dach-Kita bringt mehr Ersparnis

Bürgermeister Schindling erklärte, dass ein Bauvorhabenträger auch das für ihn "lästige Übel", in einem Wohngebiet auf eigene Kosten eine neue Kita bauen und der Stadt schenken zu müssen, unter den Gesichtspunkten der Rentabilität sieht - denn das ist nun mal sein Hauptzweck. Gleichzeitig will die Stadt bei der Verhandlung eines städtebaulichen Vertrags den größtmöglichen Nutzen für sich selbst herausschlagen. Vor dem Hintergrund dieser Interessenabwägung schien der Bau einer großen, sechszügigen Kita im Gesamtwert von sieben Millionen Euro und mit 1.500 Quadratmetern Außenfläche, nur eben optional auf einem Supermarkt-Dach, als Variante mit dem "Maximum an Ersparnis" für die Stadt. Eine Kita in dieser Größenordnung auf einer Freifläche am Wasserwerks-Waldrand, auf der eigentlich hätten Wohnungen entstehen sollen, wäre gleichbedeutend mit einer stattlichen Rentabilitätseinbuße für den Bauvorhabenträger gewesen, und entsprechend kleiner wäre die Kita geworden. "Wenn er weniger Ertrag hat, kann er weniger verteilen", brachte Schindling sein Argument auf den Punkt.

Alessio Dale stellte daraufhin fest, dass es gängige Praxis sei, dass ein Bauvorhabenträger bei der Erschließung eines Gebiets auch Kindergärten und andere notwendige soziale Einrichtungen liefert. Und die Grünen seien weiterhin der Ansicht, dass man bei den Verhandlungen ein besseres Ergebnis für die Stadt Hattersheim hätte herausholen können.

Der Bürgermeister konkretisierte daraufhin die Verhandlungen des städtebaulichen Vertrags im vorliegenden Fall: Letztendlich hatte man die Wahl zwischen einer Kita im Wert von sieben Millionen Euro auf dem Dach, mit einer Außenfläche von 1.500 Quadratmetern, und einer fünf Millionen Euro teuren Kita auf dem Boden mit einer um 500 Quadratmeter verminderten Außenfläche und "einigen Features weniger". Letztere Variante habe demnach aus Sicht des Kindeswohles zwei Millionen Euro an Qualitätseinbußen, so Schindling. Und deshalb habe er seine Fraktion und die regierende Koalition gebeten, der Variante mit der "größeren, besseren, schöneren und für das Kindeswohl noch attraktiveren" Kita zu folgen.

Die Koalitionsparteien CDU, FDP und FW votierten schließlich alleine für die Vorlage, Grüne und SPD stimmten dagegen.

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