Die komödiantische Wundertüte

Das „Cabaret a la surprise“ mit Rentnern, Klofrau und Bauchredner

HATTERSHEIM (idl) – Klar, dass auch bei den 12. Hattersheimer Kabarett-Tagen die große komödiantische Wundertüte nicht fehlen durfte. „Cabaret a la surprise“ nennt sich die Kleinkunst-Katze im Sack, die seit vielen Jahren zu den absoluten Erfolgsproduktionen des Hattersheimer KulturForums gehört. Wen wundert es also, dass auch der Überraschungsabend am vergangenen Samstag komplett ausverkauft war.
Eröffnet wurde der ebenso abwechslungsreiche wie rundum vergnügliche Kleinkunstabend vom Duo „Willi und Ernst“, zwei schlagfertigen Koblenzer (Un-)Ruheständlern. „Rentner ohne Grenzen“ nennt sich die zweite Produktion von Dirk Zimmer und Markus Kirschbaum, die im Comedy-Musical „Zum Schängel“ erste gemeinsame Bühnenerfahrungen sammelten. Mit Willi Naumann und Ernst Schneider haben Zimmer und Kirschbaum zwei Koblenzer Originale geschaffen, die sich herzerfrischend respektlos mit den Kümmernissen und Wirrnissen des fortgeschrittenen Alters im Allgemeinen und ihren persönlichen Antworten im Besonderen auseinandersetzen.
Der Nachtwächter auf 400-Euro-Basis im Altersheim Elzerhufstroß, bekennende Pilssammler und Körperweltenmodell Naumann und sein Partner, „Altstadtpanther“, ehemaliger Frauenschwarm und Thekenphilosoph Schneider sind sich in einer Sache einig: „Unner de Hand betrachtet simmer Traumtype“. Für das Publikum allemal, das sich bei der respektfreien Nummernrevue scheckig lachte über die Erstabonnenten von Apotheken-Umschau und Seniorenecho.
Stilistisch irgendwo zwischen Tegtmeier und Knebel, aber sehr wohl mit ureigenem Charme ausgestattet, legten „Willi und Ernst“ eine Hattersheimer Premiere auf die Bühne, die Lust auf ein Wiedersehen machte.
Eine ungarisch-slowakische Tänzerin und Sängerin verlässt für einen Neuanfang in Deutschland ihre Heimat und ihre Liebe. Doch mit der Karriere will es nicht so recht klappen. Linda Konrads Jobsuche beim Überraschungsabend führte die Kabarettistin über Musical-Castings, Callcenter und Tonstudios schließlich in die Nasszellen einer Diskothek. Die „Lieder einer Klofrau“, sie reichen von der schrägen Polka über herzzereißend-melancholische Balladen bis hin zu Schlafliedern.
Doch keine Angst, Linda Konrad präsentierte sich dem Hattersheimer Publikum höchst aufgeweckt, kongenial begleitet von Martin Bechler am Klavier. Co-Produzent ihres ersten Programms ist niemand geringeres als Rolf Zacher. Sein Urteil: „Bei der Stimme gehste fliegen.“ Eine Einschätzung, der man sich uneingeschränkt anschließen möchte.
El Mago Masin kann zweifelsohne als Multitalent bezeichnet werden. Nicht nur, dass der passionierte Liedermacher eine mehr als ordentliche Gitarre spielt. Nein, er beherrscht auch eine auf autodidaktischem Wege erlernte, einzigartige Form des Bauchredens. Er bewegt die Lippen und spricht dabei mit dem Bauch. Das soll ihm bitte schön erst einmal jemand nachmachen.
Der Mann mit den hüftlangen Dreadlocks sprang als Dritter im Bunde aus der kabarettistischen Wundertüte und überzeugte mit wahnwitzigen Liedern und ausgesprochen lockerer Conference. Egal, ob er nun, mit tatkräftiger Unterstützung eines „Freiwilligen“ auf der Bühne, eine „Ode an die Bratwurst“ zelebriert oder über die Vor- und Nachteile von Kirschkernkopfkissen schwadroniert.
Ska und Punk, Bossa Nova und Chanson. So vielseitig wie El Mago Masins Musik sind seine Themen. Er besingt Schweine-Innereien mit der gleichen Hingabe wie eine seiner ersten Lieben.
Und das soll ihm erst einmal einer nachmachen.
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