Dr. Herbert Pfeiffer, Kinderarzt mit jahrzehntelanger Erfahrung und aufgrund seiner Vortragstätigkeit und zahlreichen Veröffentlichungen bundesweit bekannt, betonte die wichtige Rolle der Mutter in den ersten drei Lebensjahren des Kindes. In keinem Fall könne eine auch noch so kompetente Betreuung die Mutter ersetzen, wenn es darum gehe, dass das Kind Bindungsfähigkeit und Vertrauen entwickle. Sein gesamtes Leben werde dadurch unauslöschlich geprägt. Eine ganze Reihe von Störungen und Krankheitsbildern entstehe aus dem Fehlen der Mutter. Letztendlich seien die Folgekosten (wenn man materiell argumentieren wolle) für die Gesellschaft ungleich höher als eine materielle Sicherstellung der frühkindlichen Erziehung durch die Mutter.
Aylin Cetinkaya als Vertreterin der SPD (sie ist Stadtverordnete in Hattersheim) begrüßte die Möglichkeit einer frühen Verbindung von Mutterschaft und Beruf; sie wies darauf hin, dass es nach einer langen Ausbildung schwerfalle, auf die Ausübung des erlernten Berufes zu verzichten. Dem wurde zugestimmt, allerdings unter dem Hinweis, dass ein solcher Verzicht ja zeitlich begrenzt sein könne, bis die Kinder selbständiger seien.
Auf das grausame Scheitern aller Versuche eines extrem frühen Zugriffs auf die Kinder, vor allem in den kommunistischen Diktaturen, wies die Schauspielerin und Publizistin Inge Thürkauf hin. Sie untermauerte ihren Beitrag mit Zeugnissen unter anderem von Michael Gorbatschow, Alexander Solschenizyn und weiteren Zeitzeugen. Auch Berichte von Betreuerinnen führte sie an, die selbst unter den Trennungsängsten der ihnen anvertrauten Kinder und vor allem unter dem früher oder später erfolgenden Resignieren der Kinder enorm gelitten hätten und weiterhin litten.
Als ausgesprochener „Familienmensch“ zeigte sich Hattersheims Erste Stadträtin Karin Schnick als Vertreterin der Grünen auf dem Podium. Auch sie betonte die Unverzichtbarkeit der Mutter und des familiären Rahmens mit Eltern, Geschwistern und Großeltern für ein gesundes Aufwachsen der Kinder. Schnick wies aber auch darauf hin, dass in der heutigen Gesellschaft die Verhältnisse eben nicht mehr so seien, wie es denn wünschenswert wäre. Tatsächlich gebe es sehr viele Familien, die nicht in der Lage seien, ihrem Erziehungsrecht nachzukommen – hier müsse „geholfen werden, so gut es eben geht.“
Dr. Herbert Pfeiffer wies in diesem Zusammenhang auf die großen medizinischen Gefahren der von ihm als „Notlösungen“ bezeichneten Kindertagesstätten, beziehungsweise auf die frühkindliche Betreuung von Kindern hin, die weniger als drei Jahre alt sind. „Man muss auf der Hut sein“, betonte Rechtsanwalt Hans-Helmut Fensterer, „dass eine Möglichkeit, beziehungsweise ein eingeräumtes Recht wie das der Betreuung in Kindertagesstätten, nicht zu einem Zwang wird.“ Anhand der bestehenden, seiner Ansicht nach kritisch zu sehenden, Gesetzeslage im Familienrecht werde es etwa alleinerziehenden Müttern immer mehr unmöglich gemacht, sich und ihr Kind durch Arbeit angemessen zu versorgen. Die Gesetzgebung sei hier, wie überhaupt auch im Scheidungsrecht, keineswegs im Sinne der Familie oder gar familienfreundlich, betonte Fensterer.
Den Zusammenhalt, die Solidarität in der Familie stellte FDP-Stadtverordnete Karin Fredebold in den Mittelpunkt ihrer Argumentation. Man müsse aufpassen, dass der Staat (wie es sich historisch in den letzten 150 Jahren entwickelt hat) nicht allzu viele Funktionen übernehme, die sehr wohl von den Einzelnen, von den Familien geleistet werden könnten und sollten. Bindungen jeglicher Art seien heute unsicherer, das recht egoistische Anspruchsdenken jedoch größer. Zu sehr werde vom Staat die Absicherung der Lebensumstände und Lebensverhältnisse erwartet. Dr. Pfeiffer untermauerte diese Aussagen mit Beispielen aus eigenem Erleben in weitaus ärmeren Ländern. In Armenien werde die nicht-medizinische Versorgung von Kranken in Krankenhäusern von Familienmitgliedern geleistet, und zwar zur Gänze.
Inge Thürkauf lenkte die Diskussion dann auf das Ignorieren Gottes, der dieser Gesellschaft „völlig egal“ geworden sei. Sei nicht „vieles von dem, was alle Diskussionsteilnehmer als Fehlentwicklung unserer Gesellschaft sehen, genau durch die Abkehr von Gott ausgelöst und verschärft“, hinterfragte die Publizistin und Schauspielerin.
Festzustellen ist, das es an diesem Abend, trotz aller deutlich gewordener Unterschiede – über alle Partei- und Weltanschauungsgrenzen hinweg – eine große Übereinstimmung gab. Nämlich, dass Selbstverständlichkeiten, wie die Anerkennung des Wertes der Mutterschaft, unbedingt wieder bewusster gemacht werden müssen und dass die frühkindliche Betreuung in Kindertagesstätten keineswegs ein anzustrebendes allgemeines Ziel ist, sondern lediglich eine immer mängelbehaftete Notlösung für Notfälle bleiben muss.
Die Diskussion endete mit Schlussworten der einzelnen Teilnehmer, von denen mehrere ihren Müttern, ihren Eltern dankten. Mehrere betonten, dass ihnen die Beschäftigung mit dem Thema und die Veranstaltung sehr viel zu Denken gegeben habe. Besonders herzlichen Applaus bekam die 25-jährige Vertreterin der SPD, Aylin Cetinkaya, für ihre offene und überaus sympathische Aussage in ihrem Schlusswort. Sie habe im Laufe des Abends gemerkt, wie sehr sie sich (auch auf Grund ihres jugendlichen Alters) noch mit dem Thema beschäftigen müsse.
Schon im Laufe der Diskussion hatte Diskussionsleiter Joachim Volkmann dem Erstaunen des Civitas-Instituts und des Civitas-Kreises Hattersheim Ausdruck gegeben, dass die örtliche CDU (eigentlich doch als herausragende Verteidigerin des christlichen Menschenbildes und der christlichen Werteordnung dafür bestimmt) auf mehrere Einladungen zu diesem Abend noch nicht einmal reagiert hatte.
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