Durch ihre jahrelange erfolgreiche Tätigkeit ist Heike Bülter in Hattersheim stadtbekannt. Seit sie 2000 die Leitung des Stadtteilbüros übernommen hat, wurden viele Projekte verwirklicht. Alle, die über die Zeit sprechen, sind voll des Lobes. Wir wollten wissen, wie Heike Bülter selbst ihre Tätigkeit erlebt hat und haben Sie um ein Interview gebeten.
Wie sind Sie zum Stadtteilbüro gekommen?
Im Jahr 1999 gab es vom Bund das Förderprogramm „Soziale Stadt“. Hattersheim hat sich hierfür beworben und eine Bewilligung bekommen. Die Idee des Bundes war, Quartiere in denen Menschen lebten, die von Ausgrenzung, Armut und Arbeitslosigkeit bedroht waren, sowohl durch bauliche wie auch durch soziale und kulturelle Angebote zu unterstützen. Gerade im Quartier in Hattersheim zwischen Bahn und Südring gab es keine Begegnungsmöglichkeiten für die Menschen, dies sollte verbessert werden. Der Caritasverband hat das Projekt als Träger übernommen. Zwei Stellen wurden zu Beginn des Programms geschaffen. Als Stadtplanerin wurde Carolin Schäffer eingestellt. Die Position der Diplompädagogin habe ich übernommen. So habe ich am 1. September 2000 das Quartiersmanagement mit einer Dreiviertelstelle begonnen.
Wie war Ihr Werdegang?
Ich bin Frankfurterin und habe an der Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt Pädagogik studiert, dabei habe ich die Fachrichtung außerschulische Jugend- und Erwachsenenbildung gewählt. Anschließend habe ich in Darmstadt in der Michaelisstraße in einem Quartier gearbeitet. Danach war ich Jugendbildungsreferentin in der Landesarbeitsgemeinschaft soziale Brennpunkte. Als ich meine Arbeit in Hattersheim begann, waren meine Kinder vierzehn, zehn und zwei Jahre alt. Deswegen war ich sehr froh, dass man meinem Wunsch nach einer Dreiviertelstelle zugestimmt hatte.
Wie war Ihr erster Arbeitstag im Stadtteilbüro?
Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Tag. Ich kam mit der S-Bahn und in Höchst gingen die Türen der Bahn nicht auf. Da war ich etwas in Panik und habe überlegt, was ich tue, wenn ich nun am ersten Tag gleich zu spät komme. Aber wunderbarerweise öffneten sich die Türen in Hattersheim. Ich wurde im Büro mit einem Blumenstrauß begrüßt.
Wie war der Anfang der Tätigkeit?
Zunächst war ich im Büro der Hawobau in der Friedensstraße. Da das Projekt neu initiiert worden war, gab es für mich keine Einführung. Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Von Anfang an musste ich meine Ideen selbst entwickeln und sozusagen Pionierarbeit leisten. Meine Kollegin fing mit ihrer Arbeit zwei Wochen später an als ich.
Wie hat sich alles weiterentwickelt?
Zu meiner Anfangszeit gab es schon den Runden Tisch, allerdings waren die meisten Mitglieder Menschen aus der Politik, Verwaltung und wenige Bürger und Bürgerinnen. Ich erinnere mich noch an das erste Mal. Ich hatte – ganz die studierte Pädagogin – einen Stuhlkreis für das Treffen aufgestellt, die Teilnehmer und Teilnehmerinnen kamen und stellten als erstes die Stühle gleich anders auf. Viele Menschen, denen ich begegnete gehörten zu der „alten Garde“ und waren extrem kritisch. Als ich aus dem Treffen rausging habe ich gedacht „auweia“. Der damalige Chef der Hawobau meinte: „Frau Bülter, Sie haben doch Probezeit.“ Es hat sich dann aber alles sehr positiv entwickelt. Und gerade diejenigen, die mir zunächst etwas mürrisch vorkamen, wurden die Aktivsten, die mich sehr stark unterstützt haben. Inzwischen sind wir im Quartier eine echte Gemeinschaft, haben Hochzeiten, Geburtstage und leider auch Beerdigungen miteinander erlebt. Jetzt kommen oft die Kinder der Kinder, die wir von klein auf kennen.
Gibt es eine ganz besondere Erinnerung?
Ja, das ist der Strickmob. 2012 lief das Programm „Soziale Stadt“ aus, nachdem es nach den ursprünglich geplanten zehn Jahren noch um drei Jahre verlängert worden war. Ulrike Milas-Quirin hatte die Idee, einen Strickmob zu veranstalten, um darauf aufmerksam zu machen, dass das Stadtteilbüro auf jeden Fall erhalten bleiben müsse. Es war wirklich ergreifend. Ich bekomme jetzt noch eine Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke. So viele Menschen beteiligten sich daran, einen „Schal der Solidarität“ zu stricken. Wir gaben die Breite vor und alle strickten mit riesigem Elan drei Wochen lang. Aus den vielen Teilen nähten wir einen langen Schal zusammen und erreichten tatsächlich 365 Meter. Selbst die Skeptiker, die vorher gemeint hatten „jetzt spinnen die total“, haben uns bewundert. Schön ist es, dass die Aktion gewirkt hat. Die Hawobau und die Stadt Hattersheim übernahmen 2013 das Stadtteilbüro, heute sind die zweieinhalb Stellen ganz in der Hand der Hawobau.
Welche Projekte waren für Sie besonders?
In der Anfangszeit konnten wir viele bauliche Projekte verwirklichen. Weiter war eine ganz tolle Sache die Essbare Siedlung. Im April 2013 wurden zwischen den Wohnhäusern der Siedlung Beete verteilt, Wege angelegt und ein Hochbeet errichtet. Wir waren Trendsetter zu mehr Grün. Inzwischen hat sich die Aktion erfolgreich entwickelt. Jedes Jahr gibt es viele Feste und Kulturveranstaltungen in der Siedlung.
Auch gerne erinnere ich mich an die Impulswerkstatt für Frauen. Wir haben auf unterschiedliche Weise, zum Beispiel auch durch Malen, viele Ideen entwickelt, von denen wir teilweise noch heute zehren.
Es gibt so viele Projekte, die ich gar nicht alle aufzählen kann.
Was ist das Geheimnis der erfolgreichen Arbeit des Stadtteilbüros?
Uns ist es gelungen, viele Menschen zu aktivieren und dazu zu bewegen ein Ehrenamt auszuüben. Ich glaube, das Wichtige war, dass die Menschen gemerkt haben, dass sie ein Mitspracherecht bei der Planung hatten und dass wir ehrlich gesagt haben, wenn sich etwas nicht realisieren ließ. Dadurch, dass wir am Anfang durch die Förderung recht großzügige finanzielle Mittel hatten, gelang es uns, einen Spielplatz neu zu gestalten und den „Eisernen Steg“ bauen zu lassen. Dieses machte Mut. Viele haben bei der Gestaltung der Plätze im Quartier mitgearbeitet. Bei den Helferfesten haben wir für über 70 Ehrenamtliche selbst gekocht. Das Café in der Pregelstraße und das Bistro im Südringtreff wurden errichtet. Ich glaube, das hat die Leute begeistert und zum Mitmachen bewegt.
Was hat Ihnen besonders Spaß gemacht?
Dass ich viel erreichen konnte. Das ganze Projekt ist sozusagen mein Kind, das durch die Hilfe ganz vieler Menschen groß geworden ist. Das war für mich nicht nur ein Beruf, sondern Berufung. Wichtig war, dass ich mit den Leuten reden konnte, mir ihre Wünsche anhörte und dann auch viel bei der Verwaltung durchsetzen konnte, die allerdings von Anfang an sehr aufgeschlossen war gegenüber dem Projekt. Ich habe sehr viel von den Menschen über die Jahre zurückbekommen. Ich hatte großes Glück mit meinen Kollegen und Kolleginnen. Wir sind wirklich ein tolles Team. Schon relativ bald nach dem Projektbeginn wurde eine halbe Stelle für Verwaltungstätigkeiten geschaffen, die Nükhet Umar, damals Studentin übernahm, der Yvonne Höhl folgte, die dann in die Geschäftsstelle der Hawobau wechselte. Die Stelle wird nun schon seit Jahren von Rabia Malik sehr gut ausgefüllt. Mit Eberhard Roth arbeite ich seit 2004 zusammen. Er ist Sozialpädagoge und kümmert sich unter anderem um die Belange der Kinder und Jugendlichen. Viele Kinder kommen regelmäßig hier im Stadtteilbüro vorbei und holen sich einen Keks ab. Natürlich ist auch der Geschäftsführer der Hawobau, Holger Kazzer, ein Glücksfall.
Wie wird es weitergehen im Stadtteilbüro?
Mein Kollege Eberhard Roth wird die Leitung des Stadtteilbüros übernehmen. Rabia Malik wird ihre Arbeitsstundenzahl aufstocken und zusätzlich neue Aufgaben übernehmen. Zum 1. Januar wird eine neue Kollegin, die von der Caritas kommt, eingestellt. Ich habe ein sehr gutes Gefühl, dass es positiv weitergeht mit dem Stadtteilbüro.
Wie sind Ihre Gefühle, wenn Sie an den Abschied denken?
Es macht mich schon traurig, der Abschied fällt mir schwer. Ich fühle mich den Menschen und meiner Arbeit sehr verbunden. Trotzdem freue ich mich natürlich auf die Rente.
Was planen Sie für den Ruhestand?
Ich habe viele Hobbys, ich koche sehr gern, lese viel und verreise gerne. Dann ist da noch ein Garten zu versorgen und ich könnte mir auch vorstellen, mal zum Yoga zu gehen. Dieses Jahr haben wir eine Enkelin bekommen, Carlotta. Darauf freuen mein Mann und ich uns natürlich sehr, dass wir dann mehr Zeit für sie haben. Vielleicht werde ich irgendwann ein Ehrenamt übernehmen, aber erst mal gönne ich mir eine Pause.
Frau Bülter, haben Sie recht herzlichen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft und dass Sie bei bester Gesundheit alle Ihre Pläne verwirklichen können.
Die besondere Ausstrahlung und die Freude, mit der sie ihre Arbeit macht, zeichnen Heike Bülter aus. Durch ihre zugewandte Art kommt sie gleich mit den Menschen ins Gespräch und ist überaus beliebt. Ihr beginnender Ruhestand wird sehr bedauert. Heike Bülter hat versprochen, auf jeden Fall Hattersheim nicht zu vergessen und bei Festen vorbeizuschauen. Darauf freuen sich sicher schon alle Bewohner des Quartiers. Wer noch mehr über die Arbeit des Stadtteilbüros wissen möchte, findet viel Information auf der Homepage https://stadtteilbuero.hawobau.de/.