Leserbrief Zum Genehmigungsverfahren Baugebiet Nord Hattersheim

Bei der Beantwortung einer Frage zur Fragestunde vor der Stadtverordnetenversammlung am 15. Februar hat Herr Bürgermeister Schindling sinngemäß folgende Aussage gemacht:

„Es ist immer so, dass der Städtebauliche Vertrag nach Beschluss des Bebauungsplans geschlossen wird. Es liege auf der Hand, denn wenn es keinen Bebauungsplan gibt, muss man auch keinen städtebaulichen Vertrag machen. Das ist immer so. So wurde es auch schon von meinen Vorgängern gehandhabt.“ Was den Bürgermeister dazu bewogen hat, sein Handeln damit zu begründen, dass die Vorgängerregierung auch so gehandelt hat, weiß ich nicht. Aus meiner Zeit als Stadtverordneter kann ich sagen, dass das so nicht stimmt und diese Aussage kann man nicht so stehen lassen.

Ich habe damals gelernt, dass es wichtig ist die Reihenfolge zu beachten, denn mit dem Beschluss und der Bekanntmachung des Bebauungsplans, d.h. mit seiner Rechtskraft, ist Baurecht geschaffen. Es ist danach nicht mehr möglich etwas gegen den Willen des Bauvorhabenträgers durchzusetzen. Herr Bürgermeister Schindling verspricht weiter in der Frankfurter Rundschau von 12. Februar 2024, dass „exemplarisch Mercedes sowie Globus - sowie das Freibad, die Stadthalle und die Sporthalle am Karl-Eckel-Weg mit Abwärme von Rechenzentren geheizt werden. Auch das BHKW Südwest soll mit Abwärme aus Rechenzentren versorgt werden - und damit auch über 1000 Haushalte. Letztlich dürfen sich nach Planung der Stadt auch die Heinrich-Böll-Schule, die Kita in der Dürerstraße sowie das angrenzende Gewerbegebiet über die Versorgung per Abwärme freuen.“ Man merke die geschickte Verwendung des Wortes „exemplarisch“. Wenn der Bürgermeister eine oder mehrere diese Projekte umsetzen will, dann muss er das vorher festlegen. Genau dafür gibt es das Instrument des Städtebaulichen Vertrags.

Heute sprudeln die Einnahmen in Hattersheim und trotzdem gibt es ein strukturelles Haushaltsdefizit von knapp sieben Millionen Euro. Da wundert es nicht, dass die Stadt das Baugebiet Nord so schnell wie möglich entwickeln will. Geld- und damit Zeitnot sind aber keine guten Ratgeber.

Hier stehen Entscheidungen an, die, ganz abgesehen von dem Bauvorhaben selbst, unter Umständen mehrere Million Euro Investitionen von z.B. Versorgungsunternehmen nach sich ziehen können. Da muss man vor dem ersten Spatenstich einen Plan vorlegen, was man wie machen will. Die zukünftige Wärmeversorgung von 1000 Haushalten steht zur Debatte. Da ist es, denke ich, das gute Recht der Bürger und Parlamentarier zu wissen, was genau geplant wird beim Baugebiet Nord, bevor Baurecht geschaffen wird.

Da ich kein Experte in Baurecht bin, habe ich mich in den letzten Tagen bei allen mir bekannten sachkundigen Personen informiert. Dennoch ist mein Wissen aus zweiter Hand, und der Bürgermeister kann, wenn er stichhaltige Argumente hat, auch gerne darlegen, wie es gelingt, etwas gegen den Willen des Bauvorgabenträgers nach Inkrafttreten eines Bebauungsplans durchzusetzen. Sollten meine Informationen stimmen, dann will ich mir jedenfalls nicht vorstellen, dass die Stadtverordneten sehenden Auges und in blindem Vertrauen auf das Verhandlungsgeschick des Bürgermeisters den Bebauungsplan beschließen, bevor die Details in einem Städtebaulichen Vertrag geregelt sind. Am Ende würden sie dem Bürgermeister, der Stadt und ihren Bürgern keinen Gefallen tun, denn man schwächt damit unnötig die eigene Verhandlungsposition bei strittigen Fragen.

Chris Savage, Hattersheim

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