Leserbrief Zu den vorgesehenen Rechenzentren in Hattersheim

Zu "Großes Interesse and der Entwicklung in Hattersheims Norden", HS Nr. 4 vom 25. Januar 2024

Zunächst möchte ich anmerken, dass ich seit 28 Jahren in Hattersheim lebe und keiner politischen Partei angehöre.

Am Samstag, 20. Januar habe ich am Ortstermin von Bündnis 90/Die Grünen teilgenommen, um mich über das Bauvorhaben von fünf neuen Rechenzentren in direkter Nachbarschaft des Hattersheimer Friedhofs zu informieren. Bei den Beteiligten gab es eine große Betroffenheit angesichts der zu erwartenden Ausmaße und den damit verbundenen Auswirkungen.

Zwischen dem Friedhof und der Autobahnzufahrt sind fünf neue Rechenzentren vorgesehen, vergleichbar mit den neu erstellten Rechenzentren an der Voltastraße, wobei diese noch um bis zu fünf Meter höher gebaut werden sollen, d. h. jeweils so hoch wie ein Wohnhaus mit neun bis zehn Stockwerken. Sie überragen die Linden und Eichen entlang der Friedhofmauer bei Weitem.

Damit verbunden wären weitere massive Auswirkungen für die Wohnqualität der Kernstadt Hattersheim, insbesondere in Bezug auf Beeinträchtigung der Frischluftzufuhr, zusätzliche Aufheizung des Stadtklimas, Lärmbelastungen, mögliche Überlastungen des Abwasser-Kanalsystems, mögliche Schadstoffbelastungen und obendrauf eine erhebliche Verschandelung des Stadtbildes.

In Gesprächen mit der Nachbarschaft habe ich festgestellt, dass diese neuen Bauvorhaben kaum bekannt sind, was ich angesichts fehlender Informationsveranstaltungen nicht verwunderlich finde. Ich habe den Eindruck, als soll dieses Großvorhaben unter Ausschluss der Öffentlichkeit beschlossen werden. Oder wofür gibt es öffentliche Versammlungen?

Laut städtischem Kalender ist im Februar eine Bürgerversammlung vorgesehen. Eine gute Möglichkeit über die geplanten Rechenzentren zu informieren. Viele Fragen sind offen: Welche Planungen sind vorgesehen? Welche Ziele verfolgt die Stadt? Welche Vorteile ergeben sich für die Bürger? Welche Anstrengungen werden unternommen, um schädliche Belastungen für die Nachbarschaften zu verhindern?

Bürgermeister Schindling engagiert sich anscheinend über die Stadtgrenzen hinaus in der Lobbyvereinigung „German Datacenter Association“ (www.germandatacenters.com) mit dem Ziel „die Rahmenbedingungen für das Betreiben von Rechenzentren in Deutschland nachhaltig zu verbessern“. Seit dem Jahr 2021 ist er von insgesamt sieben Vorstandsmitgliedern einziger Kommunalpolitiker und zuständig für „Schnittstelle Politik/Kommunen“.

Auf der Website des Lobbyverbands wird Bürgermeister Schindling mit den Worten zitiert:

Mai 2021: „Es ist für unsere Kommune von zentraler Bedeutung, dass wir auf dem Wege zur Digitalisierung und damit auch in der Standortfrage von neu zu errichtenden Rechenzentren die Bürgerinnen und Bürger vor Ort mitnehmen“, betont Klaus Schindling.

Februar 2022: „Gemeinden können von der Digitalisierung und digitaler Infrastruktur profitieren. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, die Menschen mitzunehmen und vor allem Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Die frühzeitige Einbindung von Abwärmekonzepten, der Gebäudebegrünung oder dem Einsatz erneuerbarer Energiequellen sei zentral für die öffentliche Akzeptanz“.

Beides gute Absichten, die aber nicht in den Pflichtenheften der Betreiber der Hattersheimer Rechenzentren verbindlich festgehalten sind. Es ist zu befürchten, dass nichts davon umgesetzt wird.

Darauf weist auch hin, dass dieser Lobbyverband sich z.B. gegen Umweltauflagen wendet, die die Stadt Frankfurt für Rechenzentren in ihrem Stadtgebiet einfordert (nachzulesen auf der Website von Wikipedia zur German Datacenter Association und FAZ.NET, 21. September 2023).

Die Stadt hat aktuell beim Regionalverband den Antrag gestellt, die „Vorranggebiete für Landwirtschaft, Grünfläche, Vorbehaltsgebiet für besondere Klimafunktion und Grundwasserschutz“ in Gewerbe- und Industriegebiet umzuwidmen. Als Begründung wird die „anhaltende Nachfrage nach Rechenzentrumsstandorten“ und „das Profil der Stadt als Technologiestandort zu stärken“ angeführt. Mehr bleibt also für uns Bürger nicht übrig: wertvolle Flächen den Rechenzentrenbetreibern zu überlassen und dafür Hattersheim als „Digital City“ zu bezeichnen. Einwendungen gegen diese Umwidmungen sind noch bis zum 7. Februar möglich.

Weiterhin sind Einwendungen bei der Stadt Hattersheim bis spätestens 14. Februar möglich. Danach wollen die Stadtverordneten in ihrer nächstmöglichen Versammlung den Bau von fünf weiteren Rechenzentren auf der derzeitigen Grünfläche in direkter Nachbarschaft zum Hattersheimer Friedhof beschließen. Damit hätten wir in Hattersheim künftig insgesamt 14 Rechenzentren.

Die versäumte Bürgerversammlung 2023 (es gab keine!) wäre eine gute Gelegenheit gewesen, die Bürger zu informieren und „mitzunehmen“. Ich fürchte aber, das ist gar nicht gewollt. Die im städtischen Sitzungskalender eingetragene Bürgerversammlung am Mittwoch, 28. Februar, sollte sich diesem Thema widmen!

Thomas Guttandin, Hattersheim

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