Weihnachtstraditionen in anderen Ländern

Frohe Weihnachten – Weso?ych Swiat – Feliz Navidad – Edokhun hawe Brikha!

OKRIFTEL (ak) – Das zweite Ökumenische Frauenfrühstück der Hattersheimer Kirchengemeinden und Religionsgemeinschaften in diesem Jahr fand im Evangelischen Gemeindehaus in Okriftel statt und hatte ein – besonders im Hinblick auf die kommenden Festtage – für die zahlreichen Teilnehmerinnen aller Konfessionen sehr interessantes Thema: Wie wird eigentlich Weihnachten in anderen Ländern begangen, welche Bräuche gibt es, welche Unterschiede bestehen?

 

Von Claudia Posor konnten die Zuhörerinnen erfahren, wie sie die Weihnachtszeit in ihrem Heimatort im polnischen Oberschlesien erlebt hat. In ihrer Kindheit begann dort diese Zeit am 1. Advent, aber schon ab dem 1. Dezember hatten alle Kinder täglich frühmorgens vor der Schule zur Rorate-Messe zu gehen. Dabei war Kirche nicht für jeden gerade „um die Ecke“, einige mussten dafür ein ganzes Stück in Kälte und Dunkelheit laufen. Und der Pfarrer hat bei seinem damals üblichen Weihnachtsbesuch in der Familie „kontrolliert“, ob die Kinder auch alle Heiligenbildchen, die nach den Rorate-Messen ausgegeben wurden, vorweisen konnten.
„Damals hatte jede Familie in unserer Gegend dort nur einen künstlichen Weihnachtsbaum – das Bäumeschlagen im Wald war nämlich strafbar!“, erinnerte sie sich. Auch gefastet wurde in der Vorweihnachtszeit, es wurde etwa von den Erwachsenen auf das Rauchen und von Kindern auf Süßigkeiten verzichtet. Selbstverständlich musste vor den Festtagen das ganze Haus geputzt und für den Besuch der Verwandten auf- und umgeräumt werden. Am Heiligen Abend gab es kein Fleisch – mittags wurde entweder eine Suppe aus dem Fischkopf des Weihnachtskarpfens oder eine Erbsensuppe gegessen. 
„Eigentlich war es eine alte Tradition, zwölf Gerichte für den Heiligen Abend zuzubereiten, in Erinnerung an die Zwölf Apostel – aber wir haben das nie gemacht, wer sollte das alles essen?“, erzählte Claudia Posor. Der Karpfen war das traditionelle Gericht der Festtage ihrer Kindheit. „Der wartete schon in der Badewanne – den Fisch dort zu ,fangen' war immer ein großer Spaß für die Kinder“, erzählte sie, in der Erinnerung daran immer noch schmunzelnd. 
Vor der Bescherung schickte die Mutter die Kinder hinaus, um auf den ersten Stern des Abends zu warten – in dieser Zeit legte sie die Geschenke unter den Baum. „An das Christkind habe ich so sehr lange geglaubt“, sagte Claudia Posor, „beim Abendessen stand auch immer ein Teller mehr auf dem Tisch, und Heu lag unter der Tischdecke, falls das Christkind mit uns essen wollte. Außerdem standen Brot, Salz und Butter dort, damit uns diese Dinge übers Jahr nicht ausgehen.“ In der Kirche hat man vom Pfarrer Oblaten bekommen, die mit schönen Mustern verziert waren und die man mit seinem Nachbarn teilte – Claudia Posor hatte solche Oblaten mitgebracht und verteilte sie unter den Frauen des Ökumenischen Frauenfrühstücks, jede teilte ihre Oblate mit ihrer Nachbarin. Die Ersten Weihnachtsfeiertage ihrer Kindheit waren geprägt vom großen Festessen mit der Familie, am Zweiten Feiertag standen traditionell Verwandtenbesuche auf dem Festtagsprogramm.
Von den Weihnachtstagen in Spanien berichtete Ana Jakobi Millàn. Dort beginnt die Weihnachtszeit am 8. Dezember – und nicht der Weihnachtsbaum steht im Mittelpunkt des Festes, sondern die Krippe. „Es gibt in Spanien viele lebensgroße Krippen auf öffentlichen Plätzen und sogar Krippen-Wettbewerbe. Dabei wird viel Ehrgeiz und Sorgfalt in die Ausstattung gelegt!“, erzählte sie aus ihrer Heimat. Einen „Nikolaus“ gibt es in Spanien nicht, auch keine Geschenke an den Weihnachtstagen. 
„An Heiligabend haben in Spanien zwar die Geschäfte auf, aber Restaurants oder Kinos haben geschlossen. In der Familie wird abends gemeinsam gegessen, gefeiert und getanzt. Um 24 Uhr geht man zusammen zur ,Misa de Gallo'. ,Gallo' heißt Hahn auf Spanisch und der Hahn war in Bethlehem am frühen Morgen das erste Tier, welches das Jesuskind gesehen und danach laut geschrien hat“, schilderte Ana Jakobi Millàn den Tag vor Weihnachten in Spanien. „Nach der Messe wird oft noch bis nach zwei Uhr nachts weiter getanzt und die Geburt Christi gefeiert!“ Am 25. Dezember geht es dann wieder beschaulicher zu – man isst im Familienkreis die Reste des Festtages und nutzt ihn zu Besuchen. Der 26. Dezember ist nicht überall in Spanien Feiertag. Einen besonderen Brauch gibt es in Spanien am 28. Dezember, dem Tag, an dem nach der Überlieferung Herodes die Kinder umgebracht hat: es ist der „Tag der unschuldigen Kinder“, an dem diese, um die Bluttat von Herodes vergessen zu machen, „die Stars“ sind. Überall werden Kinder gesegnet und dürfen, ähnlich wie bei uns am 1. April, alle möglichen Späße machen. „Da werden den Erwachsenen zum Beispiel im Bus weiße Männchen auf den Rücken gepinnt, es soll ja keinem weh getan werden, alle sollen lachen“, erinnerte sich Ana Jakobi Millàn. Schließlich wird am 6. Januar in manchen Teilen Spaniens die Ankunft der die Geschenke bringenden Heiligen Drei Könige mit zahlreichen Prozessionen groß gefeiert – zum Beispiel in Barcelona kommen Caspar, Melchior und Balthasar mit Schiffen über das Meer in die Stadt, an anderen Orten gibt es tatsächlich sogar Kamelkarawanen, mit denen sie in die Städte einziehen. Am Abend vor diesem Tag haben die Kinder in Spanien ihre Schuhe blank geputzt und neben einer Tür aufgestellt, die Eltern stellen für die Gäste aus dem Morgenland einen Teller mit Keksen und für ihre Kamele eine Karaffe Wasser auf den Boden daneben. Die Kinder gehen an diesem Abend früh ins Bett, können aber vor Neugier kaum schlafen – trotzdem sieht kaum eines von ihnen die Drei Könige tatsächlich die Geschenke bringen. Am nächsten Morgen ist aber immer der Teller bis auf ein paar Krümel leer, ebenso wie die Wasserkaraffe. „Mein Bruder hat immer behauptet, er hätte die Heiligen Drei Könige einmal gesehen“, erinnert sich Ana Jakobi lachend, „aber er war auch derjenige, der einmal bloß einen Sack Kohle bekommen hat!“ Kohle finden solche spanischen Kinder am 6. Januar in ihren Schuhen, die nicht so brav waren.
Über die für unsere Ohren „fernsten“ Weihnachtsbräuche, die aber tatsächlich dem „Ort des Geschehens“ und dem Ursprung der Weihnachtsfeier besonders nah sind, erzählten den Zuhörerinnen beim Ökumenischen Frauenfrühstück Shemiran Pithyou, Sahira Numan und Magdalena Odisho. Sie gehören dem Assyrischen Christentum an und stammen aus einem Staat, der bei uns gar nicht als „christliches“ Land eingeordnet wird, aus dem Irak. „Viele von uns denken gar nicht an Christen, wenn sie an den Irak denken!“, hob Regina Günkel, eine der Organisatorinnen des Ökumenischen Frauenfrühstücks, die Besonderheit Assyrischer Christen hervor. Dennoch geht ihre Religionsgemeinschaft bis auf den Stammvater Abraham zurück, sie können ihre Wurzeln bis in die Gegend von Chaldäa, wo Euphrat und Tigris zusammenfließen, nachverfolgen. Ihre Sprache, das Aramäisch, ist mit dem alten Hebräisch, welches Jesus gesprochen hat, verwandt und ähnelt ihm noch heute sehr. Obwohl im islamischen Irak die Amtssprache arabisch ist, pflegen die Assyrischen Christen ihre Religion ebenso wie ihre Sprache, die lange nicht als „offizielle“ Sprache im Irak anerkannt wurde. Erst „nach Saddam Hussein“ gibt es nun sogar wieder Schulen und Universitäten im Irak, an denen in Aramäisch unterrichtet wird. Vor dem 2. Golfkrieg im Jahr 1991 gab es 7 % Christen im Irak – nach 2003 bis heute nur noch etwa 2 %, sie werden von Islamisten verfolgt und viele mussten aus ihrer Heimat fliehen. So leben die Assyrischen Christen heute über die ganze Welt verstreut, manche Familien auf drei verschiedenen Kontinenten. Trotzdem versuchen sie ihre Kultur, Religion und Politik weiter zu leben. „Manche denken wir sind ein armes Volk – aber nein, wir sind stark, wir haben Jesus!“, bekräftigt Magdalena Odisho ihre Zuversicht in den christlichen Glauben, „Dennoch brauchen wir dort (im Irak) politische Unterstützung, damit nicht noch mehr von uns ihre Heimat verlassen müssen.“ Shemiran Pithyou lebt seit 27 Jahren in Deutschland, ihre Heimatstadt ist Bagdad. „Wir sind das erste Volk gewesen, das den Glauben an Jesus angenommen hat, wir führen unsere Vorfahren zurück auf den Apostel Tadäus“, sagte sie stolz. Die Weihnachtszeit beginnt bei den Aramäischen Christen damit, dass schon Anfang Dezember Plätzchen in Tierform – in Erinnerung an die Krippe in Bethlehem – gebacken werden. Auch kleine, süße gefüllte Teigtaschen, von denen die drei Frauen Kostproben mitgebracht hatten, kündigen das große Fest an. Vor Weihnachten wird, wie in vielen christlichen Glaubensgemeinschaften, gefastet. „Bei uns gibt es zwar keinen Weihnachtsmann oder Nikolaus, aber auch Geschenke, die Eltern ihren Kindern unter das Kopfkissen legen“, erzählten die drei Frauen. Am Weihnachtstag selbst wird ein großes Fest mit Köstlichkeiten aus Lammfleisch und selbst angebautem Rotwein gefeiert. Eine Spezialität ist dabei etwa der „Patscha“, der gefüllte Lammkopf, oder das „Beriani“, eine Reisspezialität mit Rosinen, Mandeln, Hackfleischbällchen und speziellen Gewürzen. „Es muss viel gekocht werden bei uns an Weihnachten, denn nach der Kirche ist so was wie 'Tag der Offenen Tür' in allen christlichen Häusern, jeder besucht jeden“, lachte Sahira Numann. Noch mehr Heiterkeit löste ihre Antwort auf die Frage von Pfarrerin Heilmann danach aus, ob denn die Männer auch was helfen bei der vielen Arbeit an diesen Tagen: „Ja natürlich – die Männer machen die Besuche!“ Noch bis zum Tag der Heiligen Drei Könige wird bei den Assyrischen Christen „Fröhliche Weihnachten!“ gewünscht, bis dahin gibt es viele Partys und Feste. Weihnachten ist im muslimischen Staat Irak selbstverständlich kein Feiertag, daher wird das Fest nur in den Kirchen und den Häusern der Christen begangen. Ihr Zuhause haben sie aber schon während der Fastenzeit vor Weihnachten schön geschmückt, ein Weihnachtsbaum wird dort immer aufgestellt und auch eine Krippe.
Hier in Deutschland (oder wo es sie auf der Welt sonst nach einer Flucht aus dem Irak hin verschlagen hat) haben die wenigsten Assyrischen Christen eine große Familie wie es in ihrer Heimat üblich ist, nur mit Freunden gleichen Glaubens können sie hier Weihnachten feiern. Dazu dürfen sie an den Weihnachtstagen in den Kirchen anderer Christlichen Gemeinschaften (und natürlich erst nach deren Gottesdiensten) wenigstens einen Weihnachtsgottesdienst in ihrer Sprache feiern.
Nach den Schilderungen kamen einigen Zuhörerinnen vergessene Weihnachtstraditionen in ihren eigenen Familien wieder in den Sinn – und es wurde noch lange geplaudert und sich darüber ausgetauscht.
Das nächste Ökumenische Frauenfrühstück wird im Rahmen des Hattersheimer Ökumenischen Stadtkirchentages im Juni 2013 stattfinden, Frauen aller Konfessionen sind herzlich dazu eingeladen.
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