Tatsächlich erwartete die beinahe 1000 Gäste in der voll besetzten Sporthalle eine sicher beinahe „Oscar-reife“ Show-Leistung des Blasorchesters Hochheim, in welcher sie die Vielfalt der Möglichkeiten seiner Musiker vom „fast“ (nur eben ohne Streicher) Symphonie-Orchester bis zum sehr guten Big Band-Sound erleben durften.
Einen großen Anteil an der Faszination dieses Konzerterlebnisses hatte auch die gekonnte und fesselnde Bild- und Lichtregie, die ein 10-köpfiges Technikerteam für die Zuschauer umsetzte. Damit das Zusammenspiel von Musik und Technik so reibungslos funktionierte, hatte der Erste Vorsitzende des Blasorchesters Hochheim, Lothar Kaufmann, einen minutiösen Regieplan in Schreibtischgröße erarbeitet, seine Tochter Kathrin Hofmann, MAZ-Technikerin beim NDR, führte danach die Regie und gab die einzelnen Anweisungen etwa für Licht- und Kameraführung weiter.
Zum Auftakt geisterten beim Einmarsch der Musiker die wohlbekannten „Batman“-Scheinwerfer mit der Fledermaus-Silhouette über das im Dunkel sitzende Publikum, bevor das - mit beinahe 50 Musikerinnen und Musikern besetzte - Blasorchester Hochheim, geleitet von seinem Dirigenten Rail Grodzenski, mit mächtigem Sound die Zuhörer fesselte. Während des Spieles gab die rechte Leinwand Einblicke in das Orchester, wie sie die Zuschauer von ihren Plätzen aus, sonst nicht haben können. Auf der anderen Leinwand waren Ausschnitte der Filme zu sehen, aus denen die Musik stammte, die jeweils gerade zu hören war. Über deren Komponisten und auch über die Filme erfuhr das Publikum interessante Details von Edmund Weins, der sehr gut vorbereitet und souverän plaudernd von immer anderen Orten in der Halle aus durch den Abend führte.
Die Filmausschnitte waren von Martin Hähnke ausgewählt und so gekonnt passend zu den gespielten Melodien zusammengeschnitten worden, dass sich aus dem Zusammenspiel der Musik und den Filmbildern faszinierende Eindrücke für das Publikum ergaben. Wenn „Live“-Musik einen Filmausschnitt so perfekt ergänzt, fehlen tatsächlich wohl niemandem die sonst dort gesprochenen Worte. Zum ersten Mal trat mit dem Blasorchester Hochheim in diesem Jahr ein junger Chor der Sängervereinigung Hochheim mit dem Namen „Singing Generations“ auf. Das sehr gelungene Zusammenspiel von Chor und Blasorchester war sicher für beide Gruppen eine Bereicherung. Das Niveau bei beiden ist hoch und das Publikum darf hoffen, dass hier eine gute und in die Zukunft ausgerichtete Zusammenarbeit begonnen wurde.
Mit dem Chor zusammen konnte das Orchester etwa das „Henry-Maske-Thema“ aus dem Filmklassiker „The Conquest of Paradise“ genauso überzeugend interpretieren wie den Programmpunkt „Moment for Morricone“, hier ist die klare, warme, wunderschöne Stimme der Chorleiterin Svitlana Tulchyner sicher dem einen oder anderen Zuhörer sehr ans Herz gegangen.
Den sympathischen Dirigenten des Blasorchesters Hochheim, den Russen Rail Grodzenski, durfte das Publikum nicht nur an seinem Dirigenten-Pult erleben, wo er sein Orchester – welches er in den letzten 18 Jahren sicher zu einem Orchester der Oberklasse gemacht hat – mit großem Elan gefühlvoll durch die zum Teil sehr anspruchsvollen Werke führte, er stellte auch die „russische“ Musik des Abends vor. Mit gewinnendem russischen Akzent fand er nach charmanter Schilderung der zu Grunde liegenden Geschichte von Alexander Puschkin eine kurze Erklärung dafür, dass die Musik zu „Der Schneesturm“ in Russland so beliebt ist: „Das ist, weil – sie ist eben so schön ruuusisch!“
Die besondere Leistung des Orchesters an dieser Stelle hob Edmund Weins noch einmal hervor: „Das ist ein seltenes Werk, welches in Deutschland gar nicht verlegt wurde, die Musiker mussten es nach handgeschriebenen Noten einstudieren!“ Mit Melodien zum Mitpfeifen (auch das kann der Chor hervorragend!) aus dem Film „Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“, wurde das Publikum in die Pause entlassen.
Der zweite Teil des Konzertabends begann mit einer sehr beachtlichen Darbietung des Jugendorchesters des Blasorchesters Hochheim, den „Weiherfröschen“. Hier spielten junge Musiker zum Teil zum ersten Mal auf der Bühne, solidarisch unterstützt von Vereinskollegen aus dem Blasorchester. Der Dirigent der „Weiherfrösche“, Andreas Möller, führte seine jugendlichen Musiker mit großem Einsatz durch alle Klippen des Grease-Medleys, fast so als wolle er ihnen die Musik vorleben. Das junge Orchester dankte es ihm mit jetzt schon großartigem Zusammenspiel. Und das Hochheimer Publikum honorierte die Leistung des Nachwuchses mit großem Beifall und Bravo-Rufen. Die vom Moderator gelobte „solide Nachwuchsarbeit“ beim Hochheimer Blasorchester zahlte sich hier sicher aus, man konnte die Freude, die die jungen Menschen am gemeinsamen Musizieren haben, deutlich hören.
Man hätte es bis dahin kaum für möglich gehalten, aber im zweiten Teil des Konzertes trumpfte das Blasorchester Hochheim noch einmal so richtig auf. In den Melodien zu „Pirates of the Caribbean“ konnten alle Stärken des Orchesters mit großartiger Bildunterstützung noch einmal „ausgespielt“ werden: Das Publikum hing quasi, geführt von der Musik, im Geiste mit den Piraten voll Spannung an der Reeling und fiel mit ihnen zusammen erleichtert ins Netz, die Füße der Zuhörer stampfen immer wieder dazwischen den packenden Donnerschlag des Piraten an den Pauken mit. Dass beim Programmpunkt „Disney-Fantasy“ die sanften Saxophon-Töne von Dieter „Max“ Munk, die Posaunen-Dramatik beim Flug der Hexe oder die Klarinetten-Harmonien, als der Prinz Schneewittchen auf dem weißen Pferd abholt und schließlich mit Pauken und Trompeten in sein Märchenschloss führt, die Zuhörer wieder in eine ganz andere Welt versetzen konnten, war erstaunlich und zeugt von der Bandbreite des Orchesters.
Ein solches Live-Musik-Erlebnis zu den Filmbildern kann durch kein noch so modernes „Soundsystem“ in einem Kino ersetzt werden. Zum Abschluss des Konzertes entführten das Hochheimer Blasorchester und der Chor „Singing Generations“ ihre Zuhörer mit den weltbekannten Klängen des Filmkomponisten Ennio Morricone noch in den Wilden Westen. Man hörte Pferdegetrappel, fuhr mit der Western-Eisenbahn, lauschte der Spannung beim Duell der Westernhelden, man konnte sogar die stechend blauen Augen von Terence Hill und Charles Bronson beinahe „hören“ – der Mundharmonika-Solist Andreas Nick machte mit den Klängen aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ die Illusion fast perfekt.
Mit rhythmischem Klatschen und „Standing Ovations“ dankte ein begeistertes Publikum den hervorragenden Musikern für das wunderschöne Konzerterlebnis – erst nach der zweiten Zugabe gab man sich zufrieden. Auf dem Heimweg wird der eine oder andere sicher einen der gerade „erlebten“ Ohrwürmer gesummt oder vor sich hin gepfiffen haben.
Das nächste große Konzert des Blasorchester Hochheim wird in zwei Jahren stattfinden – ganz bestimmt kommen viele der Zuhörer vom Samstag dann gerne wieder.