Am Gründonnerstag kamen die Amerikaner

Kriegsende in Kriftel vor 80 Jahren: Granatenbeschuss wegen Flak-Stellungen auf dem Hochfeld und dem Linsenberg

Das NS-Jugendheim auf der Bleiche. Nach Kriegsende diente das Gebäude vorübergehend als Dienstwohnung für den Bürgermeister.
Das NS-Jugendheim auf der Bleiche. Nach Kriegsende diente das Gebäude vorübergehend als Dienstwohnung für den Bürgermeister.

mpk

In diesen Tagen jährt sich zum 80. Mal das Ende des Zweiten Weltkriegs. Zumindest in Europa endeten die schrecklichen Kämpfe am 8. Mai 1945.

Es war eine aufwühlende Zeit. Allein am Erscheinungstag dieser Ausgabe der Krifteler Nachrichten, am 4. April, ist es 80 Jahre her, dass Truppen der US-Armee Kassel erobern konnten. Vier Tage tobten die Kämpfe um die Stadt - beziehungsweise um das, was von ihr noch übrig geblieben war. 40 Bombenangriffe hatten dort die naheliegenden Spuren hinterlassen. Dennoch erklärte das deutsche Oberkommando Kassel zur "Festung", die bis zur letzten Patrone verteidigt werden sollte. Ein sinnloses Unterfangen, das natürlich auch nicht von Erfolg gekrönt war. Im Angesicht einer zusammenbrechenden Verteidigung kapitulierte General Johannes Erxleben am 4. April 1945.

Am selben Tag befreiten amerikanische Truppen das Zwangsarbeitslager Ohrdruf in Thüringen, südlich von Gotha gelegen. Das Lager wurde erst im November 1944 errichtet. Innerhalb von nur fünf Monaten fanden dort etwa 7.000 Zwangsarbeiter den Tod, davon allein circa 1.000 auf den Todesmärschen nach Buchenwald während der Evakuierung des Lagers.

Und währenddessen wurde am 4. April 1945 auch Ungarn durch die Rote Armee von der deutschen Besatzung befreit - um dann wiederum von den Sowjets besetzt zu werden. So überschlugen sich die Meldungen im Frühjahr 1945.

Tödlicher Granatenbeschuss

In "Kriftel - Eine Chronik", 1980 nach den Aufzeichnungen von Adam Schlemmer neu verfasst und herausgegeben von Rainer Koch, werden auch die letzten Kriegstage in Kriftel beschrieben.

So kam es, dass durch die Nähe zur Großstadt Frankfurt und zu den Farbwerken Hoechst eine starke Flugabwehr in Kriftel stationiert wurde. Besonders auf dem Hochfeld und dem Linsenberg entstanden betonierte Flak- und Unterstände.

Im März und April 1945 überschlugen sich dann die Ereignisse: Die Amerikaner hatten den Rhein bereits überschritten, aus Richtung Kelsterbach wurden die hiesigen Flak-Stellungen mit Granaten beschossen. Man verbrachte sehr viel Zeit in den Luftschutzkellern. In diesen Räumen wurde zuweilen geschlafen, gekocht und gemeinsam gebangt.

Am 26. März 1945 schlugen um 7 Uhr in der Früh Granaten in der Untergasse ein (die heutige Goethestraße). Der Schmied Josef Harsche und seine Frau Elisabeth Günther fanden vor ihrem Haus den Tod. Die Nachricht verbreitete sich schnell im Dorf und schürte die allgegenwärtige Angst um Leib und Leben noch weiter.

Nach altem Krifteler Brauch wurden Verstorbene eigentlich vom Trauerhaus aus zum Friedhof gebracht. Dies war angesichts der großen Gefahr nicht möglich. So wurden die Leichen in der Leichenhalle aufgebahrt und früh morgens unter Anteilnahme der Bevölkerung beerdigt - heimlich, denn der Aufenthalt unter freiem Himmel war wegen Lebensgefahr eigentlich verboten. Während der von Pfarrer Wolf gehaltenen Grabrede war gerade feindliches Artilleriefeuer zu hören.

Die letzte Märzwoche 1945, die damalige Karwoche, brachte das Kriegsende nach Kriftel. Zunächst versuchten noch fanatische Nazis die Bevölkerung zum Räumen ihrer Häuser und Wohnungen zu bewegen. Sie verkündeten, dass der Main-Taunus jetzt zum Kampfgebiet werde. Tatsächlich folgten am Palmsonntag noch vereinzelt Bürgerinnen und Bürgern dieser unsinnigen Aufforderung. Ebenso wurden seitens des NS-Regimes Versuche unternommen, auch in Kriftel den "Volkssturm" in den Kampf gegen die Amerikaner zu schicken. Jedoch blieben die meisten Krifteler in ihren Wohnungen. Die Sehnsucht nach einem möglichst raschen Ende des Tötens soll groß gewesen sein.

Als am Gründonnerstag 1945 dann die ersten Panzer der US-Armee aus Richtung Hattersheim in Kriftel einrollten, wurde dies von der Bevölkerung relativ gelassen zur Kenntnis genommen. Alle Waffen und Fotoapparate wurden konfisziert und in den beschlagnahmten Dienstwohnungen der Lehrer gesammelt. Teurere Apparate wurden zur "Kriegsbeute" - weniger wertvolle Modelle konnten wenig später wieder abgeholt werden. Wenig später erreichte eine Kompanie schwarzer Soldaten Kriftel und bezog als Besatzungstruppe Quartier im Schulhaus.

1945 war auch in Kriftel ein Jahr bitterster Not. geprägt von Hunger, Diebstahl und Gewalt. Ehemalige Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter ließen zuweilen ihre Wut an der Bevölkerung aus. Nutztiere wurden gestohlen, ebenso Kleidung und Fahrzeuge. Der Jungbauer Johann Heil, Enkel des Bauern Johann Heil an der Linde, wurde in seinem Garten in der Hattersheimer Straße von einem früheren Zwangsarbeiter erstochen. "Die Besatzung nahm kaum Notiz davon", heißt es in der Krifteler Chronik.

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