Am gestrigen Donnerstagabend fand die letzte Sitzung der Gemeindevertretung des Jahres statt (nach Redaktionsschluss). Im Vorfeld veröffentlichte der Gemeindevorstand am 12. Dezember eine Drucksache zum Tagesordnungspunkt "Haushaltssatzung der Gemeinde Kriftel für das Haushaltsjahr 2025", der ein bemerkenswertes Detail enthält: So soll die Grundsteuer B in Kriftel um 280 Punkte erhöht werden, um einen Fehlbetrag im Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2025 in Höhe von 1,2 Millionen Euro auszugleichen und die "Fortsetzung des strukturellen Defizites mit einer Aufzehrung von Rücklagen und der Liquidität" zu stoppen.
Zum Vergleich: Das Land Hessen hatte im Sinne eines aufkommensneutralen Hebesatzes vor dem Hintergrund der Grundsteuerreform der Gemeinde Kriftel eine Hebesatzerhöhung von lediglich 145,25 Punkte empfohlen. Die tatsächliche Erhöhung wird also voraussichtlich nahezu doppelt so hoch ausfallen.
Gründe für den Fehlbetrag
Ein solch bedeutsamer Schritt erfordert natürlich ausführliche Erläuterungen, welche die Drucksache auch liefert:
So wurde der Verwaltungsentwurf 2025 zum Haushaltsplan dem Gemeindevorstand in seiner Sitzung am 29. Oktober 2024 vorgelegt und daraufhin über mehrere Sitzungen hinweg ausführlich beraten. Während der Dauer dieser Beratungen kam es noch zu weiteren Veränderungen der ursprünglichen Ansätze.
Trotz des späten Zeitpunkts der Vorlage fehlten im ersten Entwurf noch sämtliche Berechnungsgrundlagen des Landes Hessen für den Steuerhaushalt. Deshalb fanden die Beratungen zunächst auf der Basis von selbstkalkulierten Ansätzen statt.
Nach der Veröffentlichung der Landesdaten im Rahmen des Finanzplanungserlasses und der Festlegung der Daten zum Kommunalen Finanzausgleich wurde der Steuerhaushalt neu kalkuliert. Zudem hatte der Landrat des Main-Taunus-Kreises zwischenzeitlich eine Erhöhung der Kreis- und Schulumlage konkretisiert und diese mit 3,01 Prozentpunkten angekündigt.
Somit entstand durch die Anpassungen im Steuerhaushalt zunächst ein jahresbezogener Fehlbetrag in Höhe von 1,63 Millionen Euro, geht aus den Erläuterungen zum Beschlussvorschlag für die Gemeindevertretung hervor.
Der Gemeindevorstand habe daraufhin im Zuge der laufenden Beratungen eine "kritische Betrachtung der Zahlungswirksamkeit" vorgenommen und außerdem die bestehenden Ermächtigungen aus Vorjahren neu eingeordnet. Dies führte zu einer Reduktion des Defizits auf 1,2 Millionen Euro.
In den Erläuterungen heißt es weiter: "Betrachtet man die Jahre 2023 bis 2025 muss festgestellt werden, dass der Ergebnishaushalt und der Finanzhaushalt drei Jahre in Folge nicht mehr nach den Vorgaben des Landes Hessen ausgeglichen werden kann. Wenngleich die Ordentliche Rücklage zum Ausgleich des Ordentlichen Ergebnisses herangezogen werden kann, schwindet in deutlich schnellerem Maße die 'freie Liquidität' zur Deckung des Finanzhaushaltes." Mit diesem Umstand hat sich der Gemeindevorstand intensiv auseinandergesetzt. Als Folge wurden auch Ermächtigungen aus Vorjahren, welche die Liquidität binden, reduziert, auf manch eine Umsetzung von Maßnahmen/Projekten wird also vorerst verzichtet. Hierdurch hat man Spielräume im Genehmigungsverfahren geschaffen.
Ein weiteres Problem: "Die Steigerungen der Zuweisungen und Zuschüsse aus dem Kommunalen Finanzausgleich und der Einkommensteuer decken die Steigerungsraten in den Aufwendungen und Umlageverpflichtungen nicht in gleichem Maße aus. Diese Entwicklung zeigt sich auch bei den Gebührenhaushalten, die für 2025 angehoben werden mussten, da die Kostendeckung nicht mehr gewährleistet war. Insbesondere Lohnsteigerungen und überproportionale Preissteigerungen bei den Sach- und Dienstleistungen (einschließlich Energiekosten) zehren die Erträge auf."
Zwar können diese Kostenentwicklungen der vergangenen Jahre noch durch Priorisierung von umzusetzenden Projekten einigermaßen kompensiert werden - aber die Umlageverpflichtungen durch die Kreis- und Schulumlage der Jahre 2024 und 2025 können nicht ohne weiteres aus dem Haushalt kompensiert werden.
Das zweite Jahr in Folge steigen nun bereits Kreis- und Schulumlage in Höhe einer sechsstelligen Summe. "Insgesamt müssen 2024 und 2025 Mehraufwendungen in Höhe von 1,15 Millionen Euro durch die Erhöhung der Umlagesätze verkraftet werden. Trotz Schlüsselzuweisungen durch den Kommunalen Finanzausgleich sind diese Steigerungsraten nicht aufzufangen", stellt der Gemeindevorstand in den Erläuterungen fest.
All diese Gründe haben nun zur besagten Erhöhung der Grundsteuer B geführt.
Dem Gemeindevorstand sei dabei bewusst, dass der Zeitpunkt mit der gleichzeitigen Novellierung des Grundsteuerrechtes äusserst unglücklich ist: "Seitens des Gesetzgebers wurde in der Öffentlichkeit immer wieder die Aufkommensneutralität der neuen Grundsteuer in ihrer Gesamtheit zugesagt. Die Einschränkungen, dass dies je nach Kommune abweichen kann und auch im Sinne des Haushaltsausgleich sogar gefordert wird (vgl. Finanzplanungserlass) wurde hierbei eher in Nebensätzen erwähnt."
Nun müsse der Gemeindevorstand den Bürgerinnen und Bürgern erklären, weshalb die Grundsteuer dennoch erhöht werden muss, um die finanzielle Selbstbestimmung der Gemeinde weiterhin zu gewährleisten.
Anderer Umgang mit der Grundsteuer im benachbarten Hattersheim
Eine andere Taktik in Sachen Grundsteuer verfolgt seit dem vergangenen Jahr die Nachbarstadt Hattersheim: Stetige Erhöhungen in "homöopathischen Dosen", wie es Bürgermeister Klaus Schindling gerne bezeichnet, sofern dies nötig und sinnvoll erscheint.
Bereits für 2024 wurde die Grundsteuer dort um 40 Punkte angehoben. Nun hat die dortige Stadtverordnetenversammlung die Erhöhung der Grundsteuer A von 400 auf 532 Prozent und der Grundsteuer B von 590 auf 785 Prozent bewilligt. Knackpunkt auch dieser Erhöhung: Auch sie liegt über den Hebesatzempfehlungen des Landes Hessen für die Stadt Hattersheim am Main, an deren Ende ja einmal aufkommensneutrale Hebesätze stehen sollten. Dem Land zufolge lautete die Empfehlung: Erhöhung der Grundsteuer A um 96,7 Prozent, die Grundsteuer B sollte nur um 144,06 Prozent steigen.
Der Hattersheimer Bürgermeister erläuterte vor dem Stadtparlament ausführlich, warum man sich für diesen Schritt entschieden hat. So habe sich die Meinung in Sachen Aufkommensneutralität mittlerweile grundlegend geändert. Schindling besuchte, zusammen mit weiteren Kollegen aus hessischen Städten und Gemeinden, vor einigen Wochen eine Zusammenkunft mit dem Hessischen Innenminister Roman Poseck, und eben jener habe den Anwesenden "sehr klar und häufig gesagt", dass man von dieser Empfehlung jetzt abrücken müsse. Das Land Hessen werde statt 500 Millionen nur noch 200 Millionen Euro mehr in den kommunalen Finanzausgleich pumpen, die Städte und Gemeinden erhalten also aus den Ländern weniger Mittel für die ihnen übertragenen hoheitlichen Aufgaben. Grund hierfür sei die Notwendigkeit zum Sparen, auch seitens der Hessischen Landesregierung. Und diese Situation breche sich dann runter, über den Landkreis in die Kommunen.
Schindling betonte, dass der Hebesatz der Grundsteuer B kein Regulativ für haushalterische Unzulänglichkeiten sein dürfe, und erst recht nicht stets dann, wenn die nächsten Wahlen in möglichst ferner Zukunft liegen, während man solche Maßnahmen ansonsten tabuisiert, bis gar die zuständige Behörde zur Haushaltsgenehmigung eine schlagartige Erhöhung um mehrere hundert Punkte verlangt. Eine solche Politik hält der Bürgermeister für falsch: Man dürfe nicht ignorieren, wie Mieten, Renten, Gehälter, Löhne und Lebenshaltungskosten steigen und gleichzeitig nicht wagen, das Maß dessen, was man den Menschen hier abverlangt, entsprechend anzupassen.
Statt dessen appellierte Schindling an die Stadtverordnetenversammlung, dass man doch bitte nicht das Thema Grundsteuer zum "Angstmacher politischen Diskurses kurz vor irgendwelchen Wahlen" werden lässt, sondern lieber den Mut aufbringen sollte, sich an den aktuellen Gegebenheiten in der Welt zu orientieren und Erhöhungen der Hebesätze "in einem gesunden Maße" in Betracht zu ziehen. Und hierfür sei eine "homöopathische Erhöhung" des Hebesatzes der Grundsteuer B, so Schindling, unabdingbar. Angesichts der geringen Höhe der Erhöhung sei klar, dass es sich hierbei keinesfalls um ein "haushaltsrettendes Instrument" handelt, sondern um einen Hebel, der in einer gewissen Regelmäßigkeit immer wieder an die aktuellen Verhältnisse angepasst werden sollte.
Welche Herangehensweise in Sachen Grundsteuer sich als populärer entpuppt, werden womöglich die nächsten Wahlergebnisse aufzeigen.
Bericht über Haushaltsrede folgt
Der vollständige Haushaltsplan und die dazugehörigen Anlagen werden am heutigen Freitag, 20. Dezember, zu dieser Drucksache im Rats- und Bürgerinformationssystem öffentlich bereitgestellt. Über die Haushaltsrede von Bürgermeister Seitz im Rahmen der Sitzung der Gemeindevertretung am 19. Dezember berichten die Krifteler Nachrichten nach den Betriebsferien in der nächsten Ausgabe, die am Freitag, 10. Januar, erscheinen wird.