Was Starkregen ist, das haben die Menschen in Kriftel schon am eigenen Leib erfahren. Die starken Niederschläge fallen recht plötzlich mit einer sehr hohen Intensität, sind aber oft nur von kurzer Dauer. Die meisten dieser Ereignisse finden im Sommer statt. Durch die riesigen Wassermengen sind Kanalisation und Entwässerungssysteme überlastet. Die Gefahr, dass Wasser an Schwachstellen in die Gebäude eindringt, ist groß. Bei der Entwicklung von Maßnahmen zur Vorbeugung von Schäden durch eindringendes Wasser liegt nur ein Teil in der Verantwortung der Kommune, für viele Maßnahmen sind die Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer verantwortlich.
Die Gemeinde Kriftel hat das Ingenieurbüro Blank, Wiesbaden, und das Büro für INFRASTRUKTUR & UMWELT Professor Böhm und Partner, Darmstadt, beauftragt Starkregengefahrenkarten für Kriftel zu erstellen. Diese machen die kritischen Flächen bei Starkregenereignissen sichtbar. Aus den Starkregenrisikokarten kann man das Risiko für das eigene Gebäude ablesen. Die Krifteler Bürgerinnen und Bürger werden dazu aufgerufen, ihre Erfahrungen mit Starkregenereignissen zur Optimierung der Karten einzubringen.
Großes Interesse an dem Thema
Im Foyer des Rat- und Bürgerhauses waren am 22. Mai zur Bürgerversammlung mit dem Motto „Starkregen in Kriftel – handeln statt abwarten“ praktisch alle Plätze besetzt. Alexander Feist, der Vorsitzende der Gemeindevertretung, machte bei der Begrüßung deutlich, dass er sich sehr über das rege Interesse freue. Bürgermeister Christian Seitz wies in seiner Funktion als Verbandsvorsteher des Abwasserverbands Main-Taunus bei seiner Begrüßung auf die Unterschiede „Hochwasserereignisse – Starkregenereignisse“ hin. Beim Hochwasser wird die Ausuferung oberirdischer Gewässer betrachtet, also in Kriftel hauptsächlich das Wasser vom Schwarzbach. „Beim Starkregen kommt das Wasser geballt von oben“, erklärte Seitz. Der Erste Beigeordnete, Martin Mohr, wies auf die schon vorhandenen Fließpfadkarten hin, die die Wege zeigen, auf denen Regenwasser nach einem Starkregenereignis abfließen wird. Diese sind hauptsächlich für die Beurteilung der unbebauten Flächen brauchbar und dienen in der Kommune der Planung von Schutzmaßnahmen. Erweitert werden diese Karten nun durch die Starkregengefahrenkarten.
Erstellung der Starkregengefahrenkarten
Das Vorgehen bei der Erstellung der Karten erläuterte Andreas Blank vom Ingenieurbüro Blank. Er stellte noch einmal sehr plausibel dar, wie schwierig es ist, vor einem Starkregenereignis zu warnen, da man den genauen Ort des Ereignisses oft nur sehr kurz vor dem Regen feststellen könne. Der Deutsche Wetterdienst gibt eine Warnung bei einer vorhergesagten Regenmenge von 15 bis 25 Liter pro Quadratmeter in einer Stunde heraus.
Um sich eine bessere Vorstellung von der Stärke der Ereignisse zu machen, hat man zur Bewertung einen Starkregenindex festgelegt: Stufe 1 bis 2, Starkregen, bedeutet, dass die Kanalisation die Regenmenge noch aufnehmen kann. Bei Stufe 3 bis 5, intensiver Starkregen, dienen die Straßen als Wasserwege, auch Freiflächen werden teilweise überflutet. Statistisch gesehen rechnet man alle 30 Jahre mit solch einem Ereignis. Stufe 6 bis 7, außergewöhnlicher Starkregen, tritt statistisch gesehen einmal in 100 Jahren auf und erfordert konstruktiven Objektschutz. Die Skala endet bei Stufe 12 (extremer Starkregen).
Für die Starkregengefahrenkarten wurde ein Gebiet von 16,9 Quadratkilometer betrachtet, also über die Größe der Gemeinde Kriftel (6,8 Quadratkilometer) hinausgehend. Für die Darstellung der Topographie wurden Laserscandaten verwendet. Weiter wurden im Projekt sogenannte RADOLAN-Daten herangezogen. Das sind Niederschlagsdaten, die seit 2001 von Wetterradaren in ganz Deutschland in Fünf-Minuten-Intervallen gemessen werden. Sie sind über die Server des Deutschen Wetterdienstes verfügbar. Eine Betrachtung für Kriftel zeigte, dass hier in der Vergangenheit schon maximale Niederschlagsintensitäten von größer 140 Millimeter pro Stunde vorlagen. Nochmals auf den Starkregenindex zurückgehend zeigte sich aus den RADOLAN-Daten, dass am 9. Juni 2007 intensiver Starkregen mit dem Index 4/5 in Kriftel fiel. An den außergewöhnlichen Starkregen mit Index 7 am 27. Mai 2016 konnten sich viele Zuhörerinnen und Zuhörer erinnern.
Verwendung der Karten durch die Bürgerinnen und Bürger
Für den Gebrauch der Starkregenkarten durch die Bürgerinnen und Bürger wurde das betrachtete Gebiet in acht Quadrate unterteilt. Zu jedem Quadrat gibt es folgende Karten: die RADOLAN-Ereignisse, die Berechnungen für intensiven Starkregen, Index 4/5, und für außergewöhnlichen Starkregen, Index 7. In den Starkregengefahrenkarten werden die Überflutungsflächen mit ihrer jeweiligen Wasserhöhe angezeigt. Bei den Starkregenrisikokarten wird zusätzlich noch das Risiko für die einzelnen Gebäude eingeschätzt durch die Angabe des Wasserstandes nahe der Außenkante und der farblichen Kennzeichnung.
Sämtliche Karten, die Präsentation von Andreas Blank, Erläuterungen zum Starkregen und weitere Informationen zum Thema findet man auf der Homepage der Gemeinde unter dem link: https://www.kriftel.de/leben-umwelt/umwelt-klima/starkregenereignisse/
Zur Weiterarbeit in dem Projekt bittet die Gemeinde Kriftel um die Mitarbeit der Bürgerinnen und Bürger. Auf der Homepage heißt es hierzu: „Alle Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Kriftel werden dazu aufgefordert, ihre Hinweise und Anmerkungen zum Thema „Starkregen“, insbesondere zu den Abflusswegen des Regenwassers bei bisherigen Starkregenereignissen, an die E-Mailadresse starkregen[at]kriftel[dot]de zu schicken. Mit diesen Informationen können die Starkregengefahrenkarten weiter präzisiert werden.“ Dieser Bitte sollen die Bürger möglichst bis zum 20. Juni nachkommen.
Aus den präzisierten Karten werden Handlungskonzepte durch die Gemeinde erarbeitet. Diese beinhalten kommunale Flächenvorsorge, kommunale Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen und ebenso Pläne für das Krisenmanagement und die Information und Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger.
Vorbeugende Schutzmaßnahmen
Zum Abschluss seines Vortrags stellte Andreas Blank objektschutzbezogene Maßnahmen vor. Hierbei handelt es sich um Verbesserungen, die die Eigentümer selbst durchführen können. Erwähnt wurden Rückschlagklappen, teilmobile Türsperren, Erhöhung von Hauseingängen oder Lichtschächten wie auch der Einbau von druckwasserdichten Fenstern und Türen. Der Bau von Zisternen oder Begrünung von Dächern dient dazu, Wasser zurückzuhalten. Auch zu diesem Thema stehen auf der Homepage der Gemeinde unter der Rubrik „Weitergehende Informationen“ einige Broschüren für Interessierte zu Verfügung.
Diskussion
Mit großem Interesse hatten die Zuhörerinnen und Zuhörer den Vortrag von Andreas Blank verfolgt, so wurde doch schnell klar, dass alle betroffen sein können und verantwortlich für den Schutz des eigenen Heimes sind. Deswegen wurde fleißig diskutiert. Gefragt wurde nach den Kanalnetzen, die in einigen Gebieten Kriftels den Fragenden zu eng dimensioniert und sanierungsbedürftig erschienen. Andreas Blank machte noch einmal klar, dass es sich bei den in den Karten dargestellten Ereignissen rein um Oberflächenmodelle handele. Bei den Betrachtungen sei davon ausgegangen worden, dass die Kanalisation bereits voll ist und kein weiteres Wasser mehr aufnehmen kann. Martin Mohr ergänzte, dass es für die geplanten Kanalerneuerungen eine Prioritätenliste gäbe.
Auch in puncto Versiegelung von Flächen und Anwendung der Erkenntnisse bezüglich Oberflächenwasser konnte Martin Mohr für das geplante Neubaugebiet „Am Wäldchen“ Auskunft geben. Für den gewerblichen Teil haben alle die Verpflichtung, begrünte Dächer zu bauen. Im reinen Wohngebiet „Am Wäldchen“ könne man wählen zwischen Begrünung oder Zisterne. Für Stellplatzflächen im geplanten Gewerbegebiet seien wasserdurchlässige Beläge Pflicht. Bei der Frage nach der Vorreiterrolle der Gemeinde machte Mohr klar, dass schon einige öffentliche Gebäude, wie beispielsweise der Kindergarten Linsenberg, begrünte Dächer bekommen hätten.
Zu speziellen Fragen bat die Gemeinde noch einmal Kontakt aufzunehmen und die Gegebenheiten genau zu schildern, am besten mit Beilage von Fotos. Mit dem Appell an eine zahlreiche Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei der Weiterentwicklung der Karten endete die Bürgerversammlung. Ein Punkt allerdings war den Veranstaltern wichtig: Ist Wasser in ein Gebäude eingedrungen, so kann man sich immer auf die Hilfe der Freiwilligen Feuerwehr Kriftel verlassen. Dazu gebühre dieser ein großer Dank. Diesem schloss sich das Publikum mit einem großen Applaus an.
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