Leserbrief Vom Unterzentrum in den Untergang?

Leserbrief

Zu: "Wunsch nach Aufstufung", Krifteler Nachrichten Nr. 28 vom 10. Juli 2020

Der Text des Artikels "Wunsch nach Aufstufung" ist für den ortsansässigen Bürger an unverständlichem Behördendeutsch kaum zu überbieten. Aber das liegt nicht am Verfasser, sondern an der bürokratischen Einbahnstraße namens "Landesentwicklungsplan". Der Bürger selbst kann sich unter Ober-, Mittel-, Grund-, Unter- und Kleinzentrum nichts konkretes vorstellen. Im künftigen "Kleinzentrum Sulzbach" liegt zum Beispiel Hessens größtes Einkaufszentrum! Mittelzentren sollen künftig noch in sechs Klassen aufgeteilt werden, na toll. Am Ende gibt's mehr "Zentren" als Kommunen im Kreis. Für den Bürger unverständlich. Schließlich gibt's ja noch Gemeinde, Kleinstadt, Großstand, Landkreis, Bundesland, Staat und Europa. Für den Bürger ist doch nur wichtig: Dort, wo ich lebe, bin ich gut versorgt - oder eben nicht.

Aber für einen seit 1906 ortsansässigen Familienbetrieb mit etwa 40 Mitarbeitern, deren Familien von Gedeih und Verderb des Erfolgs abhängig sind, ist dieses Behörden-Lustspiel eine Idiotie wie sie im Buche steht. Denn konkret heißt das: Diese "Zentren" teilen ein in unternehmerischen Erfolg oder Stagnation am Ort. So rottet man den Mittelstand im Einzelhandels auf Dauer gänzlich aus.

Kriftel als Unterzentrum darf also keinen großflächigen Laden über 1.200 Quadratmeter haben, eigentlich sogar nicht mehr als 700 Quadratmeter. Als Bestand haben wir (Tropica) mit unseren 3.500 Quadratmetern Verkaufsfläche noch Glück gehabt. Aber eben auch Pech: Denn eine betriebliche Weiterentwicklung hier am Ort ist für uns so gut wie ausgeschlossen. Rundum in den Mittelzentren - theoretisch auch in entlegenen Ortsteilen wie Langenhain, Wildsachsen, Lorsbach, Eppenhain, Ruppertshain, Fischbach oder Okriftel und Eddersheim - darf großflächiger Wettbewerb entstehen. Dabei liegt Kriftel doch verkehrsgünstig, mit A66, Landesstraßen und S2 bestens erschlossen und ist damit auch aus ökologischer Sicht "auf der Fahrt nach Hause" gut erreichbar.

Wenn wir ehrlich sind: Wir leben im Ballungsraum Rhein-Main. Wir alle kaufen dort ein, wo Preis und Leistung stimmen, wo es uns gefällt. Und nicht in einem bestimmten Ort. Durch Onlinehandel kann dies auch sonstwo sein, ich bekomme es ja ins Haus. Meine Kinder sollen eine gute Schule haben und in Vereinen Freunde kennenlernen. Stellt Euch vor: Kriftel dürfte keinen Verein haben, der mehr als 100 Mitglieder hat, weil wir ein Unterzentrum sind. Oder keine Gastronomie mit mehr als 20 Plätzen! Wenn ich Spass haben will, gehe ich (nach Corona) zum KKK, ins Showspielhaus oder eben mal in die Jahrhundert- oder Festhalle. Wir leben den Ballungsraum und verhalten uns so. Die Zentren-Einteilung ist hierfür nicht gedacht gewesen und daher im Ballungsraum abzuschaffen.

Solange dieses merkwürdige Konstrukt besteht, hilft es den starken Filialisten, auch den letzten Einzelkämpfer von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Aber wir kämpfen weiter...

Heiner May, gerne Krifteler

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