Wir können uns auf neue Geschichten freuen

Hanna Dunkel berichtet von ihre Tätigkeit und ihren Plänen als Autorin - das Interview führte Helga Leonhard

Hanna Dunkel beim Interview in ihrem Garten.

Die Autorin Hanna Dunkel ist in Kriftel und auch weit darüber hinaus bekannt. Sie organisiert für das Krifteler Kulturforum seit 2008 die beliebte „Lesebühne“, bei der unterschiedliche Autoren ihre Werke präsentieren. Sie selbst hat 2017 dort ihren Roman „Sommervogel“ vorgestellt und im Oktober 2020 Kurzgeschichten aus der Anthologie „Reisen Essen Schreiben“ gelesen. Einige ihrer Erzählungen erschienen in den Krifteler Nachrichten unter der Rubrik „Unsere Leser machen Zeitung“. Man erinnert sich sicher gerne an „Hühnersuppe“, Holunderbeersaft“ oder „Wenn Eisblumen blühen“. Wir trafen Hanna Dunkel zu einem Interview in ihrem Garten.

┘Woher stammen Sie und wie sind Sie nach Kriftel gekommen?

┘Ich bin in Hamburg geboren und dort aufgewachsen. Nachdem ich meinen Mann kennengelernt hatte, sind wir zunächst nach Düsseldorf gezogen und dann 1974 nach Kriftel.

┘Wie kamen Sie zum Schreiben?

┘Ich habe recht früh meine beiden Kinder bekommen. Meine Arbeit bei der Post mit unregelmäßigem Dienst, samstags und manchmal sonntags, ließ sich schlecht mit der Familie vereinbaren, deshalb wollte ich dort nicht wieder einsteigen. Außerdem habe ich schon immer gerne gelesen und geschrieben. So beschloss ich, ein Fernstudium an der Hamburger Axel Andersson Akademie zu belegen. Das Studium war nur ein Anfang zum Schreiben. Selbst nach drei Jahren, kennt man das Handwerkszeug, ist aber noch ein Anfänger. Ich habe danach noch weitere Kurse und Schreibgruppen besucht. Seit über 20 Jahren bin ich Mitglied der Kelkheimer Autorengruppe und im Verband deutscher Schriftsteller. Sehr lange war ich auch Schatzmeisterin in der Literaturgesellschaft Hessen, die es heute nicht mehr gibt.

┘Was war Ihr erstes Buch?

┘Ich bin vom Verleger des Deutschen Wanderverlags angesprochen worden, der einen Radwanderführer für unsere Region überarbeiten wollte. Ich habe mich sehr gefreut, dass man mir zutraute, dieses Buch zu schreiben. Diese Arbeit habe ich gemeinsam mit Uwe Beer, einem Freund meines Sohnes, durchgeführt. Uwe Beer übernahm den gebirgigen Taunus, ich habe den Vordertaunus und die Wetterau abgeradelt und viel entdeckt dabei. Wir hatten auch den Ehrgeiz, Strecken abseits des Autoverkehrs zu finden. 1992 gab es noch wenig markierte Radstrecken.

┘Für welches Gebiet haben Sie sich nach dem Studium besonders interessiert?

┘Ich wollte lernen, Märchen zu erzählen. Dafür habe ich bei der europäischen Märchengesellschaft einen Kurs belegt. Schon schnell merkte ich, dass die Lehrart dort nicht mein Ding war. Dann habe ich entdeckt, dass Uta Franck in Hofheim einen Kurs gibt, wie man Märchen schreibt. Dieser fand an einem Wochenende statt. Der Kurs war genau richtig für mich. Danach fielen mir so viele Märchen ein, es war, als wenn bei mir ein Deckel aufgegangen wäre. Unter dem Titel „Von der Königin, die behaglich Tee zu trinken wünschte“ veröffentlichte ich 2001 eine Märchensammlung. Diese wurde ergänzt durch Scherenschnitte von Ronny Willersinn. Das Schwierigste am Schreiben ist, einen geeigneten Verlag zu finden. Da habe ich mit dem kleinen Leda-Verlag, den es heute leider nicht mehr gibt, richtig Glück gehabt.

┘Wie ging es dann weiter?

┘Ich habe bei einem Urlaub in Kappeln in der Zeitung von einem vierfachen Mörder gelesen, das war noch ein ganz junger Mann und ich habe mich gefragt, warum er das getan hat. Ich habe begonnen zu recherchieren und durfte mir im Landesarchiv Schleswig die Gerichtsakten anschauen. Die ausgewählten Akten wurden mir dann auf Mikrofilm zugeschickt, die konnte ich an der Uni in Frankfurt ausdrucken. Der Mord war 1922 geschehen und der Mörder saß, bis die Russen ihn 1947 entlassen hatten, im Gefängnis. Vor Gericht hatte er nie zugegeben, dass er zu der Tat angestiftet worden ist. Das hat er nur einem Mithäftling gestanden. Aber weil die Stiefschwester inzwischen verstorben war, wurde der Fall nie mehr aufgerollt. Aus den Erkenntnissen habe ich das Buch „Mordsache Ulsnis“ geschrieben. Es wurde 2010 im Leda-Verlag veröffentlicht. Das Buch hat die Menschen in der Schleiregion und im Ort sehr beschäftigt und tut es immer noch. Die Tat ist 100 Jahre her und neulich rief mich ein Arzt an, der nun in dem beschaulichen Ulsnis lebt und fragte, ob es noch Bücher gibt. Ich konnte ihm nur sagen, dass es als E-Book noch zu haben ist. Weil das Buch so viel Erfolg hatte, wünschte sich der Verleger ein weiteres Buch in der Art.

┘Ging es wieder um einen Kriminalfall?

┘Ja, auch hier habe ich Gerichtsakten aus dem Landesarchiv Schleswig benutzt. Ich wählte den Fall, weil die junge Täterin nicht einmal verdächtigt worden war. In einem Brief an den Rechtsanwalt schildert sie anrührend ihr Leben. Die Hauptfigur ist Nikoline Brinkmann, die 1892, als sie 20 Jahre alt war, zum Tode verurteilt wurde. Sie wurde nach 17 Jahren begnadigt. Ich habe mir gedacht, dass sie nach den vielen Jahren im Gefängnis nicht einfach in Deutschland weiterleben kann. Deswegen habe ich die Geschichte nach Amerika verlegt. Der Leser erfährt im Rückblick von Nikolines früherem Leben. Das Buch mit dem Titel „Sommervogel“ ist aber kein Krimi geworden, sondern ein historischer Roman.

┘Wie entwickeln Sie Ihr Schreiben weiter?

┘Die Kelkheimer Autorengruppe wurde 1989 von Uta Franck gegründet. Wir treffen uns jeden Dienstag im Kulturbahnhof Münster in Kelkheim. Einer bringt eine Schreibanregung mit, das kann ein Wort sein wie „Schokolade“, ein Bild, ein Gedicht – wir hatten auch schon ein Kunstwerk aus gesammeltem Müll vom Rhein (extra gewaschen) gehabt. Dazu schreibt jeder Autor seinen Text, der anschließend vorgelesen wird. Ab und an machen wir auch Lektoratsabende. Dann beschäftigen sich alle nur mit einem Text ganz intensiv. Kritik ist nützlich und mit der Zeit lernt man auch das. Einmal im Jahr fahren wir für mehrere Tage zur Schreibklausur. In der Ruhe und ohne Alltagsbelastung geht es dann wirklich produktiv zu.

┘Sie haben es mit einer Kurzgeschichte in die Endrunde für den Kurzgeschichtenpreis der Hamburger Autorenvereinigung geschafft. Besuchen sie Hamburg noch öfters?

┘Ja, ich bin auch Mitglied in der Hamburger Autorenvereinigung. Zur Endrunde im November 2021 war ich in Hamburg. Ich habe den Preis zwar nicht gewonnen, es war aber sehr schön, dabei zu sein.

┘Sicher gibt es weitere Veröffentlichungen?

┘Ich habe einige Kurzgeschichten veröffentlicht. Da ist zum Beispiel eine Geschichte in einem vom NordBuch Verein herausgegebenen Band. Es gab auch einige Veröffentlichungen in Anthologien der Hamburger Autorenvereinigung und bald in einem Buch für die Mitglieder der Gruppe 48. Es soll im September erscheinen und ich freue mich, dass meine Geschichte „Anna“ ausgewählt wurde. Dieser literarische Verein ist sehr aktiv in verschiedenen Bereichen, auch veranstaltet er jährlich einen Lesewettbewerb. Die Kelkheimer Autorengruppe hat bisher zwei Bände mit Geschichten herausgegeben.

┘Schaffen Sie es jeden Tag zu schreiben?

┘Ich nehme es mir vor, schaffe es aber manchmal nicht, es umzusetzen, zeitweise kommt der Alltag mit unterschiedlichen Pflichten dazwischen.

┘An was arbeiten Sie momentan?

┘Ich wollte einen Regionalkrimi schreiben, der in Kriftel spielt. Ich hatte dazu Kontakt mit der Polizei aufgenommen und bin auf einen Hauptkommissar gestoßen, der mir u.a. viele Fragen über die Polizeiarbeit beantwortet hat. Aber dann kam Corona und nun auch noch der Krieg in der Ukraine. Auf einmal war alles anders – und wenn man in der Gegenwart schreibt, kann man das nicht ignorieren. Aber will ein Leser das, wenn das Buch endlich gedruckt wird, noch lesen? Ich war bei den Gedanken wie aus der Bahn geworfen und habe alles zur Seite gelegt. Also schreibe ich jetzt über eine Frau meines Alters, die die Enkel ihres Bruders betreut und ihnen nun vom Krieg erzählen muss. Sie wohnt hier in der Nähe am Friedhof in Kriftel. Dodo heißt sie – noch macht mir die Geschichte Spaß. Ich werde weiter daran arbeiten.

Das hört sich spannend an. Wir freuen uns schon auf die Veröffentlichungen von Ihnen und auf weitere Veranstaltungen der „Lesebühne“. Hierzu werden die Termine in den Krifteler Nachrichten angekündigt. Wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen für Ihre weitere Arbeit alles Gute und viel Erfolg.

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