Ohne Erziehung geht es nicht

Eine zuverlässige Erziehung, Aufmerksamkeit und rücksichtsvolles Verhalten sind für Hundehalter unabdingbar

Der kleine Chico wurde im Januar Opfer einer Beißattacke. Aufgrund seiner Verletzungen muss er noch immer einen Body tragen. Diesen wird er hoffentlich bald wieder ablegen können - das gelbe Halstuch und die gelbe Schleife an der Leine werden jedoch ab sofort immer als Signal getragen.

In Zeiten der Pandemie verbringen die Menschen deutlich mehr Zeit zu Hause. Da ist es kaum verwunderlich, dass auch mehr Leute auf die Idee kommen, sich ein Haustier anzuschaffen - besonders gerne einen Hund, denn dann hat man gleich auch einen Grund um vor die Tür zu gehen. Der Verband für das Deutsche Hundewesen vermeldete im Januar, dass die Nachfrage nach Hunden im vergangenen Jahr um 20 Prozent gestiegen sei.

Leider ist dieser Trend nicht ganz unproblematisch. Die Anschaffung eines treuen Vierbeiners sollte viel mehr als nur eine fixe Idee sein, denn man holt sich damit auch enorm viel Verantwortung ins Haus - dem Tier gegenüber ebenso wie den Menschen in der Umgebung. Grundvoraussetzung für ein harmonisches und möglichst stressfreies Dasein als Hundehalter ist eine angemessene Erziehung. Und daran hapert es leider häufig: Manche unterschätzen, wie viel Geduld, Zeit und Mühe man aufbringen muss, um einen Hund erfolgreich zu erziehen. Und zudem erschweren Lockdown & Co. ausgerechnet in Corona-Zeiten die Arbeit von Hundeschulen.

Volle Aufmerksamkeit erforderlich

"Wenn man entspannt spazieren gehen will, sollte man den Hund zu Hause lassen" - mit dieser deutlichen Feststellung unterstreicht Christine Stroop, Inhaberin von Tinas Hundeschule in Flörsheim, dass Gassigehen viel mehr als eine banale Alltagsbeschäftigung ist. Darüber sollte man sich unbedingt im Klaren sein, bevor man sich einen Hund anschafft. Die Hundelehrerin vergleicht das Ausführen eines Hundes mit dem Autofahren: Beides ist nur erfolgreich zu meistern, wenn man laufend aufmerksam ist, mitdenkt und vorausschauend agiert - und schreibt man parallel dazu eine SMS oder quatscht man angeregt mit Bekannten und Freunden, geht das auf Kosten der eigenen Konzentration. Und das kann nur allzu leicht unschöne Folgen haben.

Selbst ein gut erzogener Hund funktioniert nicht von alleine; man nennt dann nicht plötzlich ein "Haustier auf Autopilot" sein Eigen. Vielmehr sorgt die Erziehung dafür, dass man den Hund zuverlässig dazu bringen kann, dass zu tun, was man ihm akut befiehlt. Was jedoch in welcher Situation der richtige Befehl ist - das müssen Herrchen und Frauchen schon selbst erkennen, und hierzu ist ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Voraussicht notwendig.

Kurze Leine = kein Kontakt!

Doch zu einem erfolgreichen Spaziergang mit dem Hund ohne unschöne Zwischenfälle gehört nicht nur die Erziehung des Vierbeiners, sondern auch der rücksichtsvolle Umgang aller Hundehalterinnen und -halter miteinander. Die Frage nach dem freien Laufen ohne Leine birgt hier regelmäßig ein enormes Konfliktpotenzial. Zum einen ist klar, dass man seinen Hund nur frei laufen lassen kann, wenn dieser zuverlässig auf ein Rückrufsignal reagiert - und das natürlich auch nur an Orten, an denen keine Anleinpflicht herrscht.

Aber selbst dann kann ein freilaufender Hund immer noch unerwünscht sein, und das ist insbesondere bei anderen Hundebesitzern häufig der Fall. Ein klares Signal ist ein fremder Hund, der selbst gerade an der Leine läuft. Dann sollte man den eigenen Vierbeiner auch unbedingt anleinen, denn ein angeleinter Hund fühlt sich von einem Artgenossen, der sich frei bewegen kann, schnell bedroht. Und gute Gründe für das Anleinen eines Hundes gibt es genug:

  • Der Hund kann einen intensiven Jagdtrieb haben.
  • Der Hund kann krank und gegebenenfalls sogar ansteckend sein.
  • Der Hund kann alt und gebrechlich sein.
  • Der Hund kann Angst haben, ist womöglich traumatisiert.
  • Der Hund hat bereits schlechte Erfahrungen mit anderen Hunden gesammelt.
  • Womöglich handelt es sich um eine akut läufige Hündin.

In all diesen Fällen wäre es ausgesprochen rücksichtslos, wenn der eigene Hund unangeleint auf den anderen zurennt. Deshalb ist eine vorherige Kommunikation zwischen den Hundehaltern das A und O. Und kann man die Bereitschaft zum Ableinen nicht feststellen, bleibt der eigene Vierbeiner einfach selbst an der Leine. Sicher ist sicher.

"Gelbe Hunde"

Ein besonders verhängnisvolles Ereignis müssen derzeit Carmen Christian und ihr siebenjähriger Hund Chico aus Kriftel verarbeiten: Der kleine Mischlingsrüde wurde von einem freilaufenden Hund attackiert und kam mit schweren Bisswunden in die Tierklinik Hofheim. Einen Monat nach dem Angriff geht es ihm jetzt langsam besser.

Die engagierte Kriftelerin hat dieses Erlebnis zum Anlass genommen um dafür zu sorgen, dass sich solche Geschehnisse möglichst nicht mehr wiederholen. Hierbei ist sie auf das "Gulahund Yellowdog Program" gestoßen, zu Deutsch "Gelber Hund Programm". Die Kampagne nahm vor gut neun Jahren in Schweden ihren Anfang und will etablieren, dass eine gelbe Schleife an der Leine oder ein gelbes Halstuch zu einem landläufig bekannten Erkennungssignal wird, das mitteilt: "Mehr Abstand bitte!" Es soll ein Signal dafür sein, dass der so markierte Hund sehr sensibel ist und nicht gut auf eine zu geringe Distanz zu Artgenossen reagiert.

Keinesfalls soll die gelbe Schleife Hunde stigmatisieren oder auf besonders aggressive Vierbeiner hinweisen. Ganz im Gegenteil: Es handelt sich dabei um eine dezente, aber eindeutige freiwillige Kennzeichnung besonders ruhiger, unsicherer Tiere, die mit einem Mangel an Freiraum schlecht klarkommen. Diesen sollte man Zeit zum Ausweichen geben, und erst recht sollte man sie nicht bedrängen.

Weitere Informationen zu den "Gelben Hunden" gibt es online auf www.gulahund.de. Carmen Christian möchte diese Aktion intensiv unterstützen und hat hierfür auch eine eigene E-Mail-Adresse eingerichtet: Unter hundefreunde-mtk[at]web[dot]de kann man sich gerne an sie wenden, wenn man sich für diese Sache ebenfalls engagieren möchte oder für den eigenen Hund eine gelbe Schleife oder ein gelbes Tuch nutzen will. Gerne organisiert sie auch Sammelbestellungen. Zudem sucht die Kriftelerin Geschichten von Hunden, die neuerdings ein solches gelbes Tuch tragen. "Gemeinsam mit einem Foto der Hunde - und dem gelben Tuch - würde ich gerne eine Fotoreihe mit den Geschichten ins soziale Netzwerk bringen", berichtet Carmen Christian.

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