von Dieter Press
Geschichtliches
über die Gemeinde Bischem
Im Jahr 1930 war also, wie bereits im vorigen Lokal-Anzeiger berichtet, Bischofsheim von der Stadt Mainz eingemeindet worden und trug fortan den Namen Mainz-Bischofsheim. Während man schon 1929 aus der von der hiesigen Firma Heinrich Penk errichteten Wasserleitung das erste Nass abzapfen konnte, brannten die ersten Gasherde am 19. Mai des Jahres 1930.
Veränderung bei der Polizei
Als Vertreter des Stadtteils Mainz-Bischofsheim zogen für die SPD das ehemalige Gemeinderatsmitglied Karl Graf und für die Demokratische Partei der Bauunternehmer Wilhelm Astheimer in den Mainzer Stadtrat ein. Eine große Veränderung gab’s auch bei der Polizei, die aus ihrem kleinen Stübchen im Rathaus, wo heute das Heimatmuseum untergebracht ist, ihren Sitz in die damalige Gewerbeschule verlegte und als 11. Polizeibezirk der Stadt Mainz geführt wurde. Zu den übernommenen Bischofsheimer Polizisten kamen weitere hinzu, so dass es an „Hütern der Ordnung“ damals in unserem Stadtteil nicht mangelte.
Reichsflagge gehisst
Der 30. Juni 1930 war – wie bereits in diesen geschichtlichen Betrachtungen zu lesen war – der Tag der Rheinlandbefreiung. Die Franzosen räumten das besetzte Gebiet. Die Bischofsheimer Einwohnerschaft, die in ihrem Leben schon so unendlich viel feindliches Kriegsvolk in ihren Mauern gesehen hatte, sah an diesem Tag die letzten Franzmänner abziehen. Am Abend, als Mainz von den Besatzungstruppen geräumt worden war, begaben sich auch viele Bischemer in „unsere Mutterstadt“, um an der Kundgebung auf dem Halleplatz teilzunehmen, wo um Mitternacht, unter Glockengeläute, die Deutsche Reichsflagge gehisst wurde. Dem Freudentaumel dieses Tages, an dem auch Bischofsheim im Flaggenschmuck prangte, folgte bald eine andere Stimmung. Man erinnerte sich an die Separatisten aus der Besatzungszeit und glaubte, jetzt mit denen abrechnen zu können. Während es in Mainz zu größeren Krawallen kam, erhielten in Bischofsheim nur einige Einwohner Drohbriefe. Friseur Jean Brück jedoch, der sich immer – sogar öffentlich – als Anhänger der Rheinischen Republik bekannt hatte, wurden nachts von Unbekannten die Scheiben seines Friseurgeschäftes eingeschlagen.
Bischofsheimer chauffierte Hindenburg
Diese Kampfesstimmung dauerte jedoch nur wenige Tage, und für den 30. Juli 1930 wurde wieder ein Freudentag angekündigt: „Reichspräsident Paul von Hindenburg wird das Rheinland und insbesondere Mainz besuchen.“ Auch an jenem Tag wanderten viele Bischofsheimer hinüber nach Mainz. Die hiesigen Ortsvereine standen bei der Durchfahrt des Reichspräsidenten in Kostheim Spalier. Dass der Bischofsheimer Jakob Hüfner von der Firma Opel beauftragt war, den Kraftwagen des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zu steuern, war für den Bischemer eine ganz besondere Ehre.
Weitere Eingemeindungsverträge
Im Laufe der Zeit orientierte sich Bischofsheim mehr und mehr nach Mainz. Selbst der Pfandmeister, der bisher aus Groß-Gerau gekommen war, kam jetzt von Mainz. Genauso wie die Städtischen Omnibusse, die ihre Linien über Gustavsburg und Bischofsheim bis nach Ginsheim erweiterten, denn auch Gustavsburg und Ginsheim hatten Eingemeindungsverträge unterzeichnet. Von allen Einwohnern wurde es lebhaft begrüßt, dass auch die Post sämtliche Briefe und Drucksachen zum Ortsverkehrstarif – also verbilligt – nach Mainz und dessen Vororte beförderte. Die Ortsbürger, die bei der Eingemeindung schon um ihr Recht auf das alljährlich aus dem Bischemer Gemeindesäckel erhaltene Ortsbürgergeld bangten, konnten erfreut feststellen, dass dieses auch weiterhin aus der Mainzer Stadtkasse bezahlt wurde.
„Regierung ist schuld!“
Aber auch die Zugehörigkeit zur Stadt Mainz änderte nichts daran, dass die Erwerbslosigkeit in Bischofsheim weiter ständig zunahm. Die Zahl der Arbeitslosen, die zum Rathaus strömten, wurde ständig größer. Sie gingen dort hin, um „Almosen“ zu holen – so hieß es damals. Es wurde geschimpft, geschimpft und nochmals geschimpft. Man pöbelte sich gegenseitig an und wusste meistens nicht warum. „Die Regierung ist schuld; sie taugt nichts!“ war plötzlich zu hören. „Nein, sie ist nicht schuld. Die Geschäftsleute sind es, die Bauern, die Fabriken, die modernen Maschinen, die uns die Arbeit wegnehmen.“ Solche Ansichten waren damals täglich zu hören. Äußerungen bezüglich hochpolitischer Veränderungen wurden hörbar. Erstmals war von einem Adolf Hitler die Rede, der alles umkrempeln wolle, und von Nationalsozialisten, die im Deutschen Reich – besonders in München – schon eine große Rolle spielten.
(Wird fortgesetzt!)
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