Bürgerempfang in der Stadthalle mit Auszeichnung verdienter Bürgerinnen und Bürger

Deutschland, Flörsheim, Wicker und Weilbach: Beim Bürgerempfang dekorierten vier Fahnen die Bühne der Stadthalle.

Ehre, wem Ehre gebührt und ernste Worte zu den wichtigen Themen der Zeit: Darum geht es stets beim Bürgerempfang in der Stadthalle, mit dem die Stadt Flörsheim an jedem 3. Oktober ihren Beitrag zu den bundesweiten Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit gestaltet. Es ist eine Veranstaltung, die allen Interessierten offen steht. Zusammen kommen dabei allerdings vornehmlich Bürgerinnen und Bürger und ihre Repräsentanten, die im öffentlichen Leben stehen.

Aus Sicht der Stadtgesellschaft besonders interessant zu erfahren dabei: wer diesmal auserkoren wurde, für das Engagement für die Gemeinschaft ausgezeichnet zu werden. Die Preisträgerinnen und Preisträger erhalten ihre Laudatio dabei auf der Bühne der Stadthalle von Bürgermeister Bernd Blisch, Stadtverordnetenvorsteher Michael Kröhle verliest und überreicht die Urkunde.

Die Preise gibt es in verschiedenen Kategorien. So benennen die Sophie-Scholl-Schule und das Graf-Stauffenberg-Gymnasium jährlich eine Absolventin oder einen Absolventen, die/der sich in der inzwischen zurückliegenden Schulzeit besonders für die Gemeinschaft eingesetzt hat. Beide Preisträgerinnen waren allerdings nicht anwesend.

Erste Ausgezeichnete auf der Bühne war somit in der Kategorie „Dank und Anerkennung“ Pia Würzburger. Sie war die Initiatorin und ist mit weiteren Engagierten Betreiberin der „Fairteiler“-Station am St.-Gallus-Gemeindezentrum. Der Schrank wurde vor gut einem Jahr als Pilotprojekt des Food-Sharing-Netzwerkes im Landkreis dort eingerichtet. Würzburger und ihre Gruppe „Lebensmittelretter“ sorgen dafür, dass die Station befüllt und gereinigt wird.

Die „Fairteiler“ sollen dafür sorgen, dass abgelaufene, aber noch genießbare Lebensmittel nicht entsorgt werden, sondern in den Schränken landen. Hier kann sich jede/r kostenlos bedienen, gedacht ist das Angebot freilich für Bürgerinnen und Bürgern, denen das Geld für eine ausreichende und gesunde Ernährung fehlt.

In der Stadt bestens bekannt ist ein Ehepaar, das gemeinsam die Auszeichnung erhielt. Gerda und Engelbert Kohl organisierten über 36 Jahre hinweg die Flohmärkte des Missionsausschusses, die im Dezember im katholischen Gemeindezentrum mit dem Ziel stattfanden, Geld zur Unterstützung der Projekte von Hilfsorganisationen zu sammeln. Dabei kamen über all die Jahre hinweg stets zwischen 3.000 und 4.000 Euro zusammen, die armen Menschen unter anderem in Südafrika, Brasilien, Kenia und Sibirien zugutekamen.

Nach all den Jahren endete die Tradition mit dem Flohmarkt im vergangenen Jahr, der sozusagen wohlverdiente Ruhestand der Kohls von ihrem Engagement hat begonnen. Gerda Kohl ließ sich das Mikrofon reichen und stellte klar: „So etwas geht nur mit vielen Engagierten drumherum.“ Soll heißen: Natürlich hatte das Ehepaar immer Unterstützung aus der Kirchengemeinde. Aber dennoch hätte es den Flohmarkt, ohne dass die Kohls ihn zu ihrem Herzensprojekt erkoren hätten, nie und nimmer fast vier Jahrzehnte lang gegeben.

In der Öffentlichkeit stehen immer die Feuerwehren, die mit ihren großen, auffälligen Fahrzeugen im Falle des Falles mit Tatütata ausrücken, unübersehbar sind. Natürlich weiß jede/r Bürger/in, welch großes Engagement hinter den drei Wehren in Flörsheim steckt, viele Stunden ihrer Freizeit gehen bei den Feuerwehrmännern und -frauen drauf, denn in Städten einer Größe wie Flörsheim ist der Brandschutz reines Ehrenamt.

Die Auszeichnung beim Bürgerempfang bezog sich nicht auf diese allgemeine, alltägliche Leistung der Wehren, sondern würdigte die besonderen Belastungen, die sich in diesem Jahr durch die extreme Trockenheit auftaten. Wie der Bürgermeister erläuterte, stieg die Anzahl der Brandeinsätze deutlich an. Es galt Acker, Wiesen und Hecken abzulöschen, die aus unterschiedlichen Gründen in Brand geraten waren. Zudem halfen die Flörsheimer Einsatzkräfte in den Nachbarkommunen, als dort, ebenfalls gehäuft durch die klimatischen Bedingungen, Waldbrände ausbrachen. Im Namen der gesamten Mannschaften nahmen die Wehrführer und ihre Stellvertreter die Auszeichnung auf der Bühne entgegen.

Ausgezeichnet wurden auch Leistungen in der Kategorie „Bürgerschaftliches Engagement“. In der kulturellen Ebene war dies der Gesangverein Sängerbund, der vor den Feierlichkeiten zu seinem 175-jährigen Bestehen steht. Aber auch die vielleicht bekannteste traditionelle Veranstaltung des Vereins hat runden Geburtstag: Das Vermächtniskonzert am Vorabend des Verlobten Tages gibt es seit 75 Jahren. Das hängt allerdings miteinander zusammen, denn die Tradition wurde 1947 im Rahmen der Feiern zum 100-jährigen Bestehen des Vereins begründet.

Verdienste durch ihr Engagement für die ukrainischen Kriegsflüchtlinge, von denen durch den Kriegsausbruch seit Ende Februar auch in Flörsheim einige ankommen sind, haben sich in den vergangenen Monate viele Bürgerinnen und Bürger der Stadt erworben. Zwei, die sich dabei außergewöhnlich hervorgetan haben, gehörten nun ebenfalls zu den Preisträgern in der Kategorie Bürgerschaftliches Engagement.

So rief Tim Göhlich, Geschäftsführer der Flörsheimer Firma T.O.M. Betonschutz, zunächst zu Spenden auf. Die eingegangenen Sachspenden sowie das, was von den Geldgaben eingekauft werden konnte, wie Hygieneartikel und Arzneimittel, brachten die Fahrzeuge der Firma ins polnisch-ukrainische Grenzgebiet. Insgesamt gingen rund 50 Tonnen Hilfsgüter in den Osten. Die Rückfahrt traten auch 17 Flüchtlinge mit an. Zurück in Flörsheim, gründete Göhlich die Initiative „TOM hilft – Integration in Flörsheim“, die nun Deutschkurse für ukrainische Geflüchtete anbietet.

Ausgangspunkt für eine besondere Aktion für die Flüchtlinge von Andrea Richter war die Aufnahme von Ukrainern in ihrem Zuhause. Die Kirchengemeinde St. Josef versorgte die Gäste über zwei Monate hinweg mehrfach in der Woche mit dem Nötigsten. Richter koordinierte schließlich die Unterstützung für die Kriegsflüchtlinge über eine Kontakt- und Nachrichtenbörse, sie konnte so in der ganzen Region Wohnungen an die Geflüchteten vermitteln.

Die „Stadtplakette“ schließlich ist eine Auszeichnung, die in Jubiläumsjahren laut Ehrenordnung sozusagen automatisch an Flörsheimer Vereine geht. Diesmal waren dies für 50 Jahre der Brieftaubenverein „Kehre Wieder“ (Stadtplakette in Bronze) sowie, vertreten durch die Vorsitzende Dagmar Kaufmann, der Flörsheimer VdK-Ortsverband. Der vertritt den bundesweit tätigen Verband in der Stadt seit bereits 75 Jahren, macht als Präsent die „Stadtplakette in Silber“.

Im Laufe der Jahrzehnte hat sich der mit 2,1 Millionen Bürgerinnen und Bürgern mitgliederstärkste Sozialverband Deutschlands von seinem ursprünglichen Label als „Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner“ entfernt. Auch in Flörsheim stehen heute Themen wie die soziale Sicherung, Unterstützung in Rentenangelegenheiten, Gesundheit und Pflege im Mittelpunkt der Arbeit von Dagmar Kaufmann und ihrem Team.

Die Krisenlage in der Welt spielte auch in die Redebeiträge beim Bürgerempfang hinein. Die Begrüßung durch Bürgermeister Bernd Blisch zeigte, dass der Rathauschef auf ein ganz anderes Jahr 2022 gehofft hatte. Zwar beschränkt die Coronapandemie das Leben längst nicht mehr so stark wie in den vergangenen beiden Jahren. „Wir wollten wieder ein normales Jahr erleben, aber die Freude drauf wurde im Februar durch den Krieg in Europa zerstört“, sagte Blisch.

Der Bürgermeister verlas ein Grußwort des Amtskollegen in der polnischen Partnerstadt Pyskowice, Adam Wójcik, der darin beteuerte, dass man trotz der rund 1.000 Kilometer Entfernung in die schlesische Stadt in Gedanken bei den Flörsheimern sei. Pyskowice ist durch die Partnerschaft zur ukrainischen Stadt Tscherwonohrad indirekt von den Kriegsgeschehnissen im östlichen Nachbarland betroffen.

Der Konflikt ist nicht überraschend auch ein Krieg um Wahrheiten und Glaubwürdigkeit, die über die Medien transportiert werden. Daher passte es zum Kriegsthema durchaus, dass die Ansprache beim Bürgerempfang von einem auf vielen Ebenen in den medialen Strukturen vertieften Redner gehalten wurde. Dirk Metz, einst Staatssekretär in der Staatskanzlei und Sprecher der Hessischen Landesregierung unter Roland Koch, beleuchtete das Thema „Nachrichtengut und Nachrichtenflut“ mit dem Ziel zum „Überblick behalten in verrückten Zeiten“.

Die Medienwelt, in der der 1957 geborene Kommunikationsberater aufwuchs, gibt es nicht mehr. „Es war früher eine bequemere Zeit, als das Fernsehen nur bis Mitternacht sendete und ich morgens meine Anfragen bekam, die ich dann im Laufe des Tages bearbeiten konnte.“ Heute würden Antworten umgehend erwartet, ein „Sofortismus“, der kaum noch Zeit zum Gedanken sortieren lasse. „Heute empfangen wir auch nicht mehr nur Nachrichten, wir erstellen sie selbst, etwa als Blogger.“ Die sozialen Medien sind für ihn allerdings „keine sozialen Netzwerke, weil sie zum sozialen Unfrieden beitragen“.

Das hat Metz als Sprecher der Familie des ermordeten Regierungspräsidenten Walter Lübcke deutlich zu spüren bekommen, „der Hass und die Hetze gegen ihn haben bis heute nicht aufgehört“, betonte der Redner. Kinder müssten, um die seriösen von den unseriösen Nachrichten unterscheiden zu können, "von frühester Jugend an wissen, worauf sie sich verlassen können“, ist er überzeugt. Bei aller Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk sieht Metz diesen immer noch als die verlässlichste journalistische Quelle, „sie haben die größte Glaubwürdigkeit und geben den besten Überblick“.

Allerdings seien nicht nur die Jugendlichen an klassischen Nachrichten immer weniger interessiert, auch Erwachsene mieden gerade in Zeiten wie jetzt mit dem Ukraine-Krieg Informationssendungen. „Die Bilder machen wütend und traurig“, da sei es nachzuvollziehen, dass die Menschen abschalten. Jede und jeder sei aber Frau und Mann genug um selbst zu entscheiden, wann und was man einschalte und konsumiere.

Das Abschlusswort hielt Stadtverordnetenvorsteher Michael Kröhle, der freimütig bekundete, durch seine Verpflichtung zur Neutralität in seinem Amt froh zu sein, sich bei dieser Gelegenheit politisch positionieren zu können. Er kritisierte die tiefe Krisenstimmung, die sich derzeit in vielen Kommunen breitmache, „manche haben sich mit dem bevorstehenden Zusammenbruch bereits abgefunden“. Er warnte davor, sich der Angst hinzugeben, „das spielt Putin in die Hände“.

Er halte Deutschland für eine wehrhafte Demokratie, „und das Land hat es verdient, dass wir uns engagieren“. Er wandte sich gegen die in der Krisenlage aktuell „wachsende Staatsgläubigkeit in der Wirtschaft“ und sähe es lieber, wenn der Staat sich auf das Lösen seiner Kernaufgaben konzentrierte. Die Entwicklungen müssten selbstverständlich „für alle, die es brauchen“ sozialpolitisch abgefedert werden. So kenne man die Probleme momentan zwar, „Wir dürfen uns aber nicht den Ast absägen, auf dem wir sitzen.“

Eingerahmt wurde das eineinhalbstündige Programm, das in einen Empfang im Foyer mündete, musikalisch durch das Bläserensemble des Musikvereins Flörsheim. Zur Einleitung ertönte ein Auszug aus Georg Friedrich Händels „Wassermusik Suite“, nach dem Festvortrag waren es „You’ve got a friend“ von Carol King und erneut Händel, diesmal der Marsch aus dem Oratorium „Joshua“. Schließlich leitete das Stück "Just for Fun" das Schlusswort ein. Beim Abschluss der Veranstaltung waren alle Gäste gefordert, denn sie endete wie gewohnt mit dem Singen der Nationalhymne.

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