Die in diesem Jahr zwölf Jahre alt werdende Erfolgsgeschichte des Flörsheimer Hospizes „Lebensbrücke“ rief nicht gerade nach einer einschneidenden strukturellen Veränderung. Die hat es nun dennoch mit dem Jahreswechsel gegeben, wie die Öffentlichkeit mit etwas Verspätung jetzt erst erfuhr. Die Einrichtung in der Dalbergstraße, bisher betrieben von der Hospiz Lebensbrücke gGmbH, deren Träger der Hospizverein Lebensbrücke ist, gehört seit 1. Januar zum regionalen Gesundheitsverbund „Varisano“. Der bemüht sich bei der Bekanntgabe der Übernahme darum, die eher geringen Auswirkungen auf die tägliche Arbeit und das Image des Betriebes zu unterstreichen: Alle 33 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden übernommen, die organisatorische Einbindung des Hospizes in das 2016 als Kliniken Frankfurt-Main-Taunus GmbH gegründete Unternehmen in öffentlicher Hand soll im Laufe des Jahres nach und nach erfolgen.
Der Hintergrund des Schrittes liegt in der nahenden Pensionierung von Lebensbrücke-Leiterin Christa Hofmann, gleichzeitig Vorsitzende des Hospizvereins. Am 1. Oktober scheidet die Geschäftsführerin aus dem Betrieb aus. Ihre Überlegungen, wie sie das Hospiz so übergeben könnte, dass es langfristig in soliden Bahnen weiterbestehen kann, führten sie zu dem Entschluss, sich um eine Einbindung in Varisano, wie sich die Kliniken Frankfurt-Main-Taunus GmbH seit November 2021 nennt, zu bemühen. Diesen Schritt trug der Vorstand einstimmig mit, wie Hofmann unterstrich.
Der Verbund nimmt denn auch Bezug auf die Geschichte des Hospizes und des Baus der Einrichtung, bei dem Hofmann von Beginn an treibende Kraft war. „Wir freuen uns, dass wir das Lebenswerk von Frau Hofmann und ihres Teams fortführen dürfen“, betont Varisano-Geschäftsführer Stefan Schad. Ein Hospiz gehörte bisher nicht zum Portfolio des Verbundes, der somit sein Spektrum erweitert.
Gegründet, um die beiden Krankenhäuser des Main-Taunus-Kreises in Hofheim und Bad Soden sowie das Höchster Klinikum organisatorisch zusammenzulegen und damit auf finanziell solidere Beine zu stellen, gehören inzwischen Medizinische Versorgungszentren an den drei Klinikstandorten und in Kelkheim sowie eine Seniorenresidenz in Eppstein zum Angebot unter dem Dach des Verbundes, der die gute Vernetzung seiner Einrichtungen hervorhebt.
Mit seinem gesamten Angebot bezeichnet sich Varisano dank rund 1.500 Betten und 3.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als „größter kommunaler Klinikverbund in der Region“. Womit klar ist, dass das Flörsheimer Hospiz künftig ein eher kleiner Faktor im Angebot der gGmbH sein wird. Schad hebt dennoch hervor, dass die Erweiterung „um das etablierte Hospiz“ einen großen Gewinn für das Unternehmen bedeute. „Frau Hofmann hat mit der Lebensbrücke einen wertvollen Platz für schwerstkranke Menschen geschaffen, die einer palliativen Versorgung bedürfen“, erläutert er. Schon beim Betreten des Gebäude merke man: „Hier zählt jeder Mensch.“ Daher passe das Hospiz, „das von vielen Menschen aus unserer Region unterstützt und mitgetragen wird“, auch gut zum Gesundheitsverbund.
Mit dem 1. Januar ist die Übernahme formal, aber noch lange nicht organisatorisch abgeschlossen. Die komplette Einbindung in die administrativen Vorgänge wie in die IT-Systeme des Verbundes, in die Abrechnungssysteme und die Anpassung an das Corporate Design werden nach und nach erfolgen. Dies alles erläuterte Schad den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erst vergangene Woche. Eine/n Nachfolger/in für Hofmann wird unterdessen noch gesucht, „um einen guten Übergang zu ermöglichen“.
Erst nach und nach klären wird sich, wie sich die neue organisatorische Struktur auf die Flörsheimer Spendenkultur rund um das Hospiz auswirken wird. Das Hospiz muss satzungsgemäß mindestens fünf Prozent aller Kosten des Betriebes selbst über von außen einzuwerbende Zuwendungen tragen, ansonsten sind die Krankenkassen der bis zu zwölf Bewohnerinnen und Bewohner für die Finanzierung der Sterbebegleitung zuständig. Dadurch hat es sich in den vergangenen Jahren eingebürgert, dass viele Vereine und Gruppen ihre Gewinne von Veranstaltungen zum Teil oder auch komplett zugunsten des Hospizes Lebensbrücke spenden. Auch wenn sich an dieser Fünf-Prozent-Regelung nichts ändern wird - dies ist eine bundesweit geltende Vorgabe für alle Hospize - bleibt es abzuwarten, ob sich die Spendenfreude gegenüber einem Betrieb eines regionalen Krankenhausverbundes in vergleichbarem Maße fortsetzen wird.
Da es nur um einen kleinen Teil der Finanzierung geht, dürfte das Spendenaufkommen kaum eine Rolle bei den Kalkulationen innerhalb des Varisano-Verbundes spielen. Der bereits 1998 gegründete Hospizverein „hat einen starken Bezug zur Stadt und ist hier als Leuchtturmprojekt sehr anerkannt“, sagt etwa Hans-Jürgen Wagner, seinerzeit ein Mitinitiator des Vereins. „Ich hoffe, dass das Hospiz so nahe an den Menschen bleibt.“ Dass die Änderung der Betriebszugehörigkeit so spät bekannt wurde, wundert auch ihn.
Der Verein verfolgte sein Bauprojekt ab dem Jahr 2008 und brachte es trotz einiger Probleme - so betont Hofmann, dass es seinerzeit keinerlei öffentliche Förderung für das Vorhaben gab - bereits drei Jahre später zum Anschluss. Rund 2000 Menschen haben seit der Eröffnung ihre letzte Lebenszeit im Hospiz zugebracht. Es werden 120 bis 140 Bewohnerinnen und Bewohner pro Jahr aufgenommen, bei einer durchschnittlichen Pflegedauer von 28 Tagen. Der Hospizverein wird kurz vor Hofmanns Ausscheiden aus dem Geschäftsführeramt am 24. September in der Stadthalle sein 25-jähriges Bestehen feiern - und bei der Gelegenheit nach dem coronabedingten Ausfall der Feierlichkeiten 2021 auch das zehnjährige Bestehen "plus 2" des stationären Hospizes nachholen.
Der Hospizverein hatte sich bei seiner Gründung auch Aufgaben gegeben, die nicht an das stationäre Hospiz gebunden sind, so die palliative Betreuung schwerkranker Menschen und ihrer Familien in Krankenhäusern oder im eigenen Zuhause, sowie Beratungsleistungen etwa zu Patientenverfügungen. Dafür beschäftigt der Verein eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
An der Arbeit des Vereins wird sich erst einmal nichts ändern, betont Hofmann, die auch Vorsitzende bleiben will. Die ehrenamtlichen Hospizhelferinnen und Hospizhelfer werden ebenso weiterhin in der stationären Einrichtung tätig sein, nun eben für Varisano. Die derzeit 35 Aktiven gehen mit den Bewohnern spazieren, lesen vor "oder halten auch einfach nur Händchen", berichtet Hofmann. Der Verein bildet auch weiter fleißig Hospizhelfer aus, "gerade sind wieder elf Leute in der Ausbildung, insgesamt haben wir schon 278 Leute ausgebildet". Es gibt also weiter gute Gründe, für den Hospizverein zu spenden, das will Hofmann in Flörsheim in den nächsten Monaten auch so in der Öffentlichkeit kommunizieren.