Das Misstrauen sitzt tief Zweites Bürgerforum zur Erweiterung der Deponie Wicker / RMD stellt sich kritischen Fragen der Bürgerschaft

Das Publikum durfte darüber abstimmen, welchen beiden Themen die meiste Diskussionszeit zugestanden werden sollte. Man entschied sich für die Bereiche "Gesundheit" und "Alternative Deponiekapazitäten".

Zweites Bürgerforum zur Erweiterung der Deponie Wicker / RMD stellt sich kritischen Fragen der Bürgerschaft

Das Interesse am zweiten Bürgerforum in Sachen Erweiterung der Deponie in Wicker war, dem nachmittäglichen Wintereinbruch zum Trotz, recht groß. Die Veranstaltung fand letzte Woche Donnerstag in der Massenheimer Sport- und Kulturhalle statt, etwa die Hälfte des Publikums hatte bereits das erste Bürgerforum in Wicker am 26. November 2019 besucht. Die meisten Besucher, darunter einige Kommunalpolitiker, kamen aus Wicker, Hochheim und natürlich Massenheim. Nachdem die erste Infoveranstaltung verrissen worden war, sollte nun alles besser werden. Die Veranstalter bemühten sich sichtlich, die Bürgerinnen und Bürger zu Wort kommen zu lassen und sie mit Informationen zu versorgen.

Sarah Ginski und Dr. Oliver Märker führten als Moderationsteam der „Agentur für crossmediale Bürgerbeteiligung“, zebralog, durch die etwa zweieinhalbstündige Veranstaltung. Das auf die Gestaltung des Austauschs zwischen verschiedenen Institutionen und Interessengruppen spezialisierte Unternehmen aus Berlin zeichnet auch für das Konzept, die Gestaltung, die Realisierung und den technischen Betrieb des Online-Infoportals zur Deponieerweiterung (www.rmd-erweiterung.de) verantwortlich.

Sieben konkrete Themen standen zur Diskussion, nämlich Staubbelastung (Wie und wo wird gemessen?), Nachtruhe und Verkehrsbelastung (Gibt es einen Nachbetrieb?), Gesundheit (Gibt es Auffälligkeiten?), Deponie in der Stilllegungsphase (Was bedeutet Stilllegungsphase?), Alternative Deponiekapazitäten (Wäre die Deponie Wiesbaden eine Option?), Plan B (Was passiert, wenn die Deponie nicht erweitert wird?), Visualisierung der möglichen Deponieerweiterung in einem 3-D-Film. Daneben gab es den sogenannten Themenjoker, der all jene Themen umfasste, die nicht zu den vorgenannten Kategorien passten.

Aus den Themenblöcken konnten die Bürgerinnen und Bürger in Form einer Abstimmung zwei Themen bestimmen, die einen längeren zeitlichen Rahmen für Fragen und Antworten bekommen sollten. Hierbei gab es deutliche Mehrheiten für die Themen „Gesundheit“ und „Alternative Deponiekapazitäten“; jeweils zehn Minuten wurden den Bürgerinnen und Bürgern für Fragen zugestanden, deren Beantwortung binnen zehn Minuten zu erfolgen hatte. Bei den restlichen Themenblöcken war die Frage-/Antwortzeit auf fünf Minuten begrenzt.

Prozessablauf und Teilhabe

Zunächst lieferte das Moderationsteam eine Übersicht über die bisherige und einen Ausblick auf die kommende Entwicklung. So sei beim ersten Bürgerforum der Bedarf nach einem umfassenderen Dialog deutlich geworden. Sarah Ginski erwähnte die in Wicker gesammelten 1.500 Unterschriften gegen die Deponieerweiterung, die an Landrat Michael Cyriax übergeben wurden (wir berichteten) sowie die von bislang 200 Personen besuchten Führungen auf der Deponie.

Berichtet wurde auch von der Einrichtung einer Begleitgruppe, die am 7. Februar erstmalig tagte. Grundsätzlich, so das Moderationsteam, soll nicht nur die Frage diskutiert werden, wie eine Erweiterung der Deponie Wicker technisch möglich wäre, sondern ob sie überhaupt notwendig ist und welche Alternativen es gibt. Auch zum laufenden Betrieb werde "transparent, offen und ehrlich informiert". In der Begleitgruppe sei gefordert worden, dass die Bürgerinnen und Bürger mehr zu Wort kommen sollen, außerdem sollte strenger moderiert und auf die Redezeiten geachtet werden. Sarah Ginski wies darauf hin, dass in der Begleitgruppe noch fünf Plätze frei seien; interessierte Zuschauer wurden gebeten, sich zu bewerben und hierzu einen Zettel mit Name und E-Mail in eine bereitstehende Box zu werfen oder sich bis zum 5. März per Mail (rmd-erweiterung[at]zebralog[dot]de) registrieren zu lassen. Aus den Bewerbern würden fünf Personen zur Belegung der Begleitplätze ausgelost.

In der Begleitgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Anspruchsgruppen aus der Zivilgesellschaft, der Politik, dem Deponiebetreiber und dem Moderationsteam werden die Vorgehensweisen des Beteiligungsverfahrens im Einvernehmen festgelegt. Als aktive Mitglieder der Begleitgruppe wurden die Bürgermeister und Ersten Stadträte von Flörsheim und Hochheim, die Ortsvorsteher von Wicker und Massenheim, die CDU Flörsheim, die Feuerwehr, die Bürgerinitiative Massenheim, Winzer, die Rhein-Main Deponie GmbH und – die noch auszulosenden – fünf Bürgerinnen und Bürger genannt.

Beim zweiten Bürgerforum sollten diejenigen Themen näher beleuchtet werden, die aus Sicht der Bürgerschaft bei der ersten Veranstaltung in Wicker zu kurz gekommen waren. Dabei sollte es auch, was die Anwesenden besonders interessierte, über Alternativen zur Erweiterung der Deponie gehen. Gesprochen und informiert werden sollte auch über Themen, die den laufenden Betrieb in der Gegenwart und in den nächsten Jahren betreffen. „Wir nehmen den Zeitdruck raus – das heutige Bürgerforum wird nicht das letzte Dialogangebot sein in einem länger andauernden Prozess“, wurde seitens der Moderation versprochen.

Der Ablauf dieses Prozesses wurde in einer Übersicht dargestellt. Begonnen wurde mit der Orientierungs- und Vorbereitungsphase, die im vergangenen Jahr gestartet wurde und sich bis ins dritte Quartal des laufenden Jahres ziehen wird. 2019 fanden erste Untersuchungen zur Machbarkeit statt, ein Online-Infoportal wurde eingerichtet, das erste Bürgerforum wurde abgehalten. Außerdem tagte die Begleitgruppe zum ersten Mal. Anfang 2020 wurde die Entscheidungsvorbereitung gestartet, in deren Rahmen das Bürgerforum vom 27. Februar angeboten wurde. Im zweiten Quartal soll es zu einer Entscheidung des RMD-Aufsichtsrates über die Einreichung des Genehmigungsantrags für die Deponieerweiterung kommen, bis einschließlich des dritten Quartals können weitere Bürgerforen und Begleitgruppensitzungen folgen. Ab viertem Quartal 2020 beginnt das mögliche Planfeststellungsverfahren, das 2025 mit dem Planfeststellungsbeschluss zur Deponieerweiterung zum Abschluss kommen könnte. Das Planfeststellungsverfahren, sofern es dazu kommen wird, beginnt mit der Einreichung des Genehmigungsantrages, dem sich die öffentliche Auslegung, das Anhörungsverfahren der Behörden sowie die Erörterung mit Behörden, Vorhabensträgern und Betroffenen anschließt. Diese Phase der formellen Beteiligung soll, wie auch die Auswertung der Anhörungsergebnisse, Mitte 2023 zum Ende kommen.

"Mit den Füßen im Grundwasser"

Der Diskussionsteil wurde mit dem Thema Gesundheit eröffnet. Dabei wurden von den Fragestellern in verschiedener Hinsicht gesundheitliche Belastungen vermutet, die sich aufgrund der bestehenden und erst recht bei einer erweiterten Deponie ergeben könnten. So wurde, gerade angesichts des Modells "Deponie auf Deponie" und der höheren Drucksituation auf den Untergrund, eine Vergiftung des Wassers befürchtet. Außerdem wurde gefragt, ob die aktuell bestehende Abdichtung unzureichend sei; die RMD hatte als Argument für die Deponieerweiterung nämlich auch einen abdichtenden Effekt angeführt. Klärungsbedarf gab es auch bezüglich der Stoffe, die in Form von Erdaushub und Schlacke auf die Deponie gelangen könnten. In diesem Zusammenhang wurde die Frage gestellt, ob der mit perfluorierten Chemikalien (PFC) belastete Erdaushub von der Terminal-3-Baustelle zur Wickerer Deponie transportiert werden soll. Des Weiteren wurde ein ursächlicher Zusammenhang von Deponiebetrieb und Krebserkrankungen in Wicker für möglich gehalten.

"Unsere Deponie steht mit den Füßen im Grundwasser", sagte der Sprecher der RMD-Geschäftsführung, Heino von Winning. Dies sei einer vor Jahrzehnten erfolgten Fehlplanung geschuldet. Die Grundwasserströme würden durch entsprechende bauliche Maßnahmen vorbeigeleitet, was trotzdem durchkomme, werde gereinigt. Die im Untergrund vorhandenen undichten Stellen, in denen das tiefere mit dem oberen Wasser in Kontakt kommt, würden sich durch eine Deponie auf der Deponie schließen, auch der Verunreinigung durch Sickerwasser könne auf diese Weise am besten begegnet werden. Alternativ müssten zur baulichen Abdichtung der Oberfläche etwa 20 Millionen Euro investiert werden, so von Winning. Es werde kein Erdaushub vom Terminal 3 in Wicker deponiert, betonte die Aufsichtsratsvorsitzende der RMD, Madlen Overdick. Dazu seien erstens die Kapazitäten nicht ausreichend und zweitens sei die Ablagerung von toxischen Abfällen auf der Wickerer Deponie nicht erlaubt. Angenommen würden neben Erdaushub auch in Zukunft ausschließlich Bauschutt und Hausmüllschlacke, die von der Müllverbrennungsanlage in Frankfurt stammt. Dr. Pia Berkefeld, Leiterin des MTK-Gesundheitsamtes, erklärte hinsichtlich der Krebserkrankungen in Wicker, dass gemäß Krebsregister keine erhöhte Fallzahl feststellbar sei.

Beim zweiten Hauptthema des Bürgerforums ging es im Kern um die Notwendigkeit einer verlängerten Laufzeit der Deponie und, in diesem Kontext, um die Glaubwürdigkeit der RMD. Der Deponiegesellschaft wurde vorgeworfen, sich nicht wirklich um Alternativen gekümmert zu haben. Dabei gebe es in Wiesbaden doch genügend Deponiekapazitäten, so ein Besucher aus Wicker. Tatsächlich hatte die RMD das Vorhaben, wie im Online-Infoportal zu lesen ist, ursprünglich damit begründet, dass bei ausbleibender Deponieerweiterung "die Reste aus der Hausmüllverbrennung in Wicker nicht mehr abgelagert werden können und die Schlacke Hunderte von Kilometern klimaschädlich transportiert werden müsste". Es seien bereits erste Gespräche mit Wiesbaden geführt worden, erwiderte Madlen Overdick, weitere müssten noch stattfinden. Wiesbaden als Option sei nach dem Stand der Dinge fraglich, so Overdick: "Genehmigte Verfüllabschnitte sind bis jetzt nicht dabei." In Wicker habe es seinerzeit dagegen illegale Verfüllung gegeben, es seien also "Stoffe, die dort nicht hingehören" abgelagert worden, merkte die RMD-Aufsichtsratsvorsitzende an und fügte hinzu: "Deshalb wurde ja vom Regierungspräsidium der Ausbau angeregt."

Heino von Winning erklärte, dass ohne eine Deponieerweiterung die im Zuge der Nachsorge über 2027 hinaus entstehenden Kosten von den beiden RMD-Gesellschaftern Main-Taunus-Kreis und Hochtaunuskreis gedeckt werden müssten. Und das werde mit Steuergeldern geschehen. Eine Bürgerin warf dem Sprecher der RMD-Geschäftsführung daraufhin Erpressung vor.

Das Meinungsbild im Publikum hatte sich nach der zweiten Ausgabe des Bürgerforums lediglich bezüglich der Qualität des Veranstaltungskonzepts gewandelt; die meisten Leute waren in dieser Hinsicht durchaus zufrieden, wie sich bei einer Umfrage nach dem Bürgerforum herausstellte. Was indes die Erweiterung der Deponie angeht, blieb das Meinungsbild unverändert. Nicht nur auf den Protestblättern, die an einer Hallenwand aufgeleint waren, sondern auch im Laufe der Diskussion wurde eines sehr deutlich: Das Misstrauen gegenüber der RMD und ihren Plänen sitzt tief.

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