Inwieweit sich beim Großprojekt in der Hospitalstraße die Arbeiten nach Plan entwickeln, ist von außen nur schwer zu beurteilen. Sichtbare Fortschritte beim Umbau des ehemaligen Marienkrankenhauses in das Gesundheitszentrum „Mainmed“ waren jüngst das Entstehen des Rohbaus des künftigen Parkdecks an der Ecke Riedstraße/Kloberstraße sowie auf der Gebäudefront zur Hospitalstraße die Farbgestaltung der Geländer der Laubengänge und des westlich angrenzenden Gebäudeteils. Dieser sowie die Glasabtrennungen an den Gängen, wissen die Passantinnen und Passanten nun, sind in einem hellen Blauton gehalten, der leicht ins Türkise geht, "Eiblau" genannt. Der Rest des Komplexes wird im wohl unvermeidlichen Krankenhaus-Weiß erstrahlen.
Ansonsten sind die Flächen vor dem Gebäude auf beiden Längsseiten weiter mit den Baumaterialien und Gerätschaften zugestellt, sodass es alleine schon Respekt verdient, dass irgendjemand offenbar bei diesem Puzzle den Überblick hat, wo was zu stehen hat. Drinnen geht die „Operation am offenen Herzen“, wie Lars Heimann das Projekt nennt, mit Hochdruck weiter. Der Geschäftsführer der Ingelheimer J. Molitor Immobilien GmbH erläuterte nun den Sachstand der Arbeiten im Gebäudeinneren, die er deshalb so prägnant bezeichnet, weil es nicht alltäglich ist, dass die Gebäudestruktur im Inneren mithilfe des dazu notwendigen schweren Geräts komplett neugestaltet wird, während der Betrieb von sechs im Haus angesiedelten Arztpraxen weiterläuft. Absprachen, zu bestimmten Zeiten in einem Bereich der Baustelle die Arbeiten ruhen zu lassen, gehören zum Angebot von Projektleiter Andreas Diem an die Mieter.
Molitor ist eine Projekt-Entwicklungsgesellschaft des Ingelheimer Bauunternehmens Karl Gemünden und hat daher nicht vor, das Gesundheitszentrum später einmal selbst zu betreiben. Heimann verhandelt mit Interessenten an der Übernahme und Betreiben des Zentrums und ist ziemlich sicher, dass die Flörsheimer ihrem Ankerpunkt einer modernen medizinischen Versorgung im angedachten Rahmen und Umfang bekommen werden. Dabei gelte für sein Unternehmen der ethische Grundsatz, dass der Verkaufspreis nicht alles sein darf. „Wir haben die Verantwortung, das Haus in verantwortungsvolle Hände zu übergeben.“
Die erste Frage potenzieller Käufer, wann der Betrieb aufgenommen werden kann, beantwortet Heimann weiterhin mit Ende 2023. Letzte Nachwehen können aber auch ins Jahr 2024 hineinreichen. Im kommenden Frühjahr allerdings sollen bereits die ersten der neuen Facharztpraxen, das Bistro sowie das Parkhaus öffnen. Auch vier der elf Wohnungen, die das medizinische Angebot ergänzen werden, sollen dann bezugsfertig sein.
Die zweite Frage, was das Ganze den Erwerber kosten wird, beantwortet Heimann weiterhin nicht, widerspricht aber nicht der Einschätzung, dass es um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag gehen wird. Offenbar haben die Ingelheimer die Probleme, die in der Baubranche derzeit für Verzögerungen und deutliche Preisanstiege sorgen, recht gut im Griff.
Und für Leuchtturmprojekte ist auch noch Platz. So steht inzwischen fest, dass sich im Gesundheitszentrum ein Wundzentrum ansiedeln wird. Ein Deal, den der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft, Michael Osypka, eingefädelt hat, wie Heimann berichtet. Es wird aufgrund der Seltenheit solcher Fachzentren eine Klinik sein, die einen Einzugsbereich von rund 100 Kilometern haben dürfte.
Ansonsten ist das Zentrum auf die lokalen Bedürfnisse ausgerichtet. Am Ende der Neuausrichtung wird das „Mainmed“ an neuen Facharztpraxen eine Radiologie, Orthopädie, Physiotherapie, Kardiologie, Viszeralchirurgie und Neurochirurgie anbieten, dazu kommen ein ambulantes OP-Zentrum, ein Dialysezentrum, das Wundzentrum sowie eine Apotheke und das Sanitätshaus, das derzeit im Container am Rande der Baustelle zu finden ist.
Was Bundespräsident Roman Herzog einst vergeblich von ganz Deutschland forderte, sieht Heimann im Flörsheimer Gesundheitszentrum entstehen. „Es geht ein Ruck durch die Ärzteschaft“, beobachtet er ein gutes Miteinander der verschiedenen Einrichtungen und im Verhältnis zur Projektleitung. Womit sich auch erklärt, warum die Praxen die schwierigen Bedingungen weitgehend klaglos akzeptieren. „Es ist bewundernswert, was die Patienten in Kauf nehmen und die Ärzte mitmachen“, betont der Molitor-Geschäftsführer.
Die elf Wohnungen, die Teil des Projekts sein können, weil vertragsgemäß mehr als 70 Prozent der 6.200 Quadratmeter zu vermietender Nutzfläche im Gebäude für die medizinische Versorgung zur Verfügung stehen werden, sind noch nicht vergeben, es werden noch Interessenten gesammelt. Die Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen sind 40 bis 80 Quadratmeter groß, haben allesamt einen Balkon zu bieten und sind schwellenlos zugänglich. Auch für sechs der künftigen Einheiten für Praxen werden noch Mieter gesucht. Auch hier erlaubt die Quotenregelung, dass sie aber auch als Büroräume in Frage kommen.
Ein großes Thema ist bei solch einem Komplex die Energieversorgung. Ausgebaut und entsorgt wurden beim Umbau die beiden im Boden vergrabenen Öltanks. Für die Energieversorgung wird im Bereich vor dem Haupteingang in der Hospitalstraße eine geothermische Anlage eingesetzt, allerdings ist wegen des Grundwasserspiegels keine Tiefengeothermie möglich. Die Heizungsanlage wird zu 50 Prozent mit regenerativen Energien betrieben werden, erwartet Heimann. Selbstverständlich wird das Gebäude mit dem Umbau einen modernen energetischen Standard erhalten, derzeit werden Dämmarbeiten an der Außenwand durchgeführt.
Im und am Zentrum wird es rund 70 Parkplätze geben, 60 davon durch das öffentlich zur Verfügung stehende Parkdeck, das je eine Zufahrt von der Kloberstraße und der Riedstraße erhält. Die Nutzung wird kostenpflichtig sein, die Preise sind noch nicht festgelegt. Wohl aber das technische Verfahren, denn an den Einfahrten wird eine automatische Kennzeichenerfassung die Fahrzeuge registrieren. Bezahlt wird am Automaten über die Eingabe des Kennzeichens statt über ein Ticket. Das Parkhaus wird auch Ladestationen für Elektrofahrzeuge anbieten.