Sonnental ist auch bei Regen bunt

Bei den Ferienspielen auf dem Abenteuerspielplatz entfaltet sich das Dorfleben ganz allmählich

Der Hüttenbau fiel diesmal aus. Wer dennoch mit Holz handwerken wollte, konnte einen Job im Bauhof annehmen.

Zu befürchten war nach den vergangenen Wochen, dass die Flörsheimer Ferienspiele in diesem Jahr eine wahre Hitzeschlacht werden. „Sonnental“, so lautet schließlich sogar der Name des Abenteuerspielplatzes in Keramag/Falkenberg in den ersten beiden Ferienwochen. An den ersten Tagen brachte allerdings unerwarteterweise der Regen die Abläufe beim erstmals unter der Regie des Mehrgenerationentreffs laufenden Programms ins Stocken. Aber die 250 Kinder haben am Montag damit begonnen, sich in ihrem Spielreich einzurichten und ihre Aufgabe in der Stadtsimulation – so das Thema der Wochen – zu finden.

Am Dienstag kam dann einiges durcheinander. Schon am Morgen begannen heftige Regenfälle, die bis zum frühen Nachmittag anhielten. Danach hatte sich die Gruppe ungefähr halbiert, da manche Kinder angesichts der Wetterlage gar nicht erst erschienen, andere wurden von ihren Eltern im Laufe des Vormittags abgeholt. Dabei ist „Sonnental“ viel besser gegen Wetterunbill geschützt als es das gute alte „Hüttenbach“ war. Alleine das große Festzelt, genannt „Stadthalle“, könnte die gesamte Bevölkerung des Feriendorfes aufnehmen.

Mit den geplanten Aktivitäten auf dem Gelände war es am Dienstag aber lange Essig. Am Montag wurden die Grundlagen eines funktionierenden Dorflebens gelegt: Beim Arbeitsamt suchten die Kinder sich eine Beschäftigung aus, der sie zunächst nachgehen wollten und registrierten sich dafür. Grundlage des Zugangs zu den „Sonnentalern“, mit denen auf dem Gelände bezahlt wird, wenn nicht gerade der Eiswagen kommt. Pro Arbeitsstunde an dem gewählten Projekt oder in einer Funktion stehen den Kindern fünf Taler zu.

Die staatlichen Gesetze gegen solche Beschäftigungsverhältnisse Minderjähriger müssen für die beiden Wochen nicht ausgesetzt werden, weil es sich lediglich um symbolisches Papiergeld handelt. Übrigens müssen die Kinder keineswegs arbeiten – wer einfach nur die zahlreichen Spiel- und Spaßangebote nutzen will, braucht kein Geld. Und es gibt auch keine Stechuhren oder die Verpflichtung, länger als es Spaß macht bei der gewählten Arbeit zu bleiben. „Es soll alles nicht so schwierig sein, auch wenn ein Kind seine Aufgabe nicht zu Ende führt, bekommt es sein Geld“, betont Roland Ditinger vom Mehrgenerationenhaus.

Das wäre schon mal eine erfrischende, kindgerechte Abweichung vom Ernst des Lebens, mit dem Sieben- bis Zwölfjährige bei den Ferienspielen nicht unbedingt konfrontiert werden müssen. Letztlich hängt es von der Lust, dem Einfallsreichtum und der Hartnäckigkeit der Kinder ab, was aus den Projekten wird. Das Betreuerteam hilft, berät, regt gerne an, greift aber nur ein, wenn die nötige Erfahrung und das Einschätzungsvermögen fehlt, so etwa bei der Preisgestaltung der Café-Crew. Für die Waffel (ohne Puderzucker!) fünf Taler, das Topping extra – das war einfach etwas zu hoch gegriffen für das kleine Sonnentaler-Portemonnaie.

Am Dienstag waren noch nicht alle der aufgestellten Holzhütten, die die Stadt sich für die Ferienspiele ausgeliehen hat, belegt, das Wetter am zweiten Ferienspieltag war nicht dazu geeignet, weitere Aufgaben zu verteilen. Jederzeit können sich Kinder eine „Geschäftsidee“ einfallen lassen und eine freie Hütte als Firmensitz erhalten. Materialien, die benötigt werden, erhält man (umsonst) im „Kaufhaus“ in der Grillhütte. Das ist allerdings nicht frei zugänglich für die Kinder, vielmehr geben sie Zettel mit ihren Wünschen bei Betreuern ab.

Eine andere Quelle, sich fit für das gewählte Etablissement zu machen, ist der Besuch im Bauhof, der das südliche Ende des Geländes belegt. Am Dienstagmorgen lieferte der – echte – Baubetriebshof der Stadt eine Ladung Holz: Teile von Stämmen wie Latten und Paletten, aus denen die Bauhof-Kinder die Bestellungen abarbeiten können, die ordnungsgemäß per Formular bestellt wurden. Tisch, Stühle und das Rednerpult für den/die Bürgermeister/in entstanden als erstes. Wer der Verwaltung von „Sonnental“ vorsteht, wurde erst am Mittwochmorgen entschieden, weil Bernd Blisch, der Mann, der sonst über alle Flörsheimer Spielplätze bestimmt, am Wochenbeginn noch im Urlaub weilte und seine kindlichen Amtskollegen gerne persönlich in die Aufgabe einführen wollte.

Das Rathaus verfügt übrigens im Sonnental über kein eigenes „Gebäude“, sondern bespricht sich nach Bedarf bei ihren Treffen und Besprechungen. Fünf Bewerbungen um den Leitungsposten der Verwaltung lagen am Dienstagnachmittag vor, dann zogen drei Kinder zurück, zuletzt waren es doch wieder fünf. Einer der Kandidaten wurde von einem Betreuer zu den einzelnen Stationen geführt, um im Stile der guten alten Hausbesuche seine Vorzüge anzupreisen. Die bestanden offenbar vor allem darin, alles das tun zu wollen, was ihn an Wünschen zugetragen wird. Kaum einen Posten im Blick, schon Populist, das soll es im wahren Leben durchaus auch geben.

Am Mittwoch (nach Redaktionsschluss) durften alle Sonnentaler Kinder abstimmen, mithilfe farbiger Bälle, die für je eine/n Bewerber/in standen. Darüber wird natürlich ganz ausführlich die Sonnentaler Presse berichten. Das Redaktionsteam wird im Laufe der Ferienspiele drei oder vier Zeitungen herausbringen, in denen nicht nur geschildert wird, was in Sonnental alles so passiert, die Gewerbetreibenden können im „Sonnentalerblatt“ auch Anzeigen schalten, um auf ihre Angebote aufmerksam zu machen. Macht vier Taler für eine normale und fünf für eine großformatige Annonce. Genau so viel, wie die Zeitung auch kostet. Artikel kann jedes Kind einreichen, wie in jedem guten Zeitungshaus trennt ein Chefredakteur Erhellendes von Blödsinn – da muss mit Teamleiter Hendrik Steffens natürlich ein Erwachsener drüberblicken.

„Manche Taxifahrer werfen Kinder von ihren Fahrzeugen“, berichtet das Sonnentalerblatt auf der Titelseite der ersten Ausgabe. Freunde ließen sie gelegentlich kostenlos fahren, während sie ansonsten stolze sieben Sonnentaler Fahrgeld für ihre Transportleistung auf beschränkt komfortablen Sackkarren verlangten - und auch schon mal Beleidigungen ausstießen. Die Stellungnahme der Attackierten fehlt in dem Bericht leider, da ist Bedarf für eine Nachberichterstattung. Am Dienstag war das kritisierte Business allerdings verwaist, das Regenwetter verdarb den vermeintlichen Gaunern das Geschäft.

Am Mittwoch wollte Steffens mit seiner Pressegruppe den ersten Podcast erstellen und veröffentlichen, ein zweites Standbein, das über ein Radiogerät mit USB-Eingangsbuchse ausgestrahlt werden soll. Hier wird es etwas schwerer, die Einnahmen zu erzielen, lauschen kann man auch von weiter weg. Ein schwieriges Geschäft eben.

Andere Geschäftsideen wollen gut überlegt sein, wie sie sich in der lockeren Form einer Ferienspielaktion umsetzten lassen. Der Beauty Salon etwa bietet Haare färben an – die Alarmglocken, die bei den Eltern nun schrillen, können wieder verstummen. „Gefärbt wird hier mit Haarkreide“, beruhigt Ditinger. Noch wenig zu tun hatten, aber unverzichtbar im Dorf sind die Polizei- und die Krankenstation. Großen Zuspruch findet, wenn das Wetter es zulässt, der „Freizeitpark“, der eine ganze Menge Spielmaterialien bereithält.

Es sei völlig in Ordnung, wenn Kinder sich völlig aus dem Berufsleben heraushielten und für sich alleine im Freizeitpark oder sonstwo auf dem Gelände eine interessante Beschäftigung suchen, betonen die Organisatoren Ditinger und Lucia Haug. Anders, als man es noch vor wenigen Tagen gedacht hätte, lohnt sich das auch am direkt am Gelände vorbeifließenden Wickerbach, denn der bietet nach den jüngsten Regenepisoden aktuell einen recht ordentlichen Wasserpegel und ist somit ein prima Spielort.

Mit welchen Angeboten die noch unbesetzten Hütten gefüllt werden könnten, darüber soll noch in dieser Woche im Gespräch mit den Kindern eine Entscheidung fallen, erläutert Ditinger. Letztlich wird nicht mehr und nicht weniger geschehen und entstehen als die Teilnehmerinnen und Teilnehmer interessant und spannend finden.

Bisweilen bekommen eben selbst die Ablenkungen aus dem realen Leben die Präferenz: Die geplante Vorstellungsrunde der Bürgermeister-Kandidaten musste am Dienstagnachmittag entfallen, da wenige Minuten vor der geplanten Veranstaltung in der „Stadthalle“ zwei echte Eiswagen auf dem Spielplatz auftauchten und lange Schlangen verursachten, so dass die Zeit einfach nicht mehr reichte. Mit den Sonnentalern war da übrigens nichts zu wollen, aber offenbar hatten die allermeisten Kinder auch genügend europäische Währung in der Tasche.

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