Die Stadthalle ein einziges Wasserbassin

FCV wartet in seiner "Atlantis"-Sitzungsreihe mit vielen hochkarätigen Rednern und viel Auflockerung auf

Beim Eröffnungsspiel stehen neben vielen erwachsenen Protagonisten erstmals die Kinder des FCV-Nachwuchsballetts "Sternchen" auf der Bühne.

gus

Ob es das mystische Atlantis jemals gegeben hat, wie es der Philosoph Platon einst beschrieb, hat die Forschung leider noch immer nicht endgültig geklärt. Wenn, muss es wild und bunt zugegangen sein bei dem Seefahrervolk, dem eines Nachts der Legende nach die Insel von einer Naturgewalt genommen wurde – und seither hat auch niemand mehr etwas gesehen oder gehört von den einst stolzen Eroberern.

Der Flörsheimer Carneval Verein (FCV) widmet sich in seiner Kampagne 2025 dem geheimnisvollen Inselreich und der sie umgebenden Meereswelt durch das Motto „Atlantis wie es sinkt und lacht – im Ozean is’ Fassenacht“. Sehr vielseitig ist bekanntlich das Getier im Meer, und wenn das Leben in den Gewässern um Atlantis dem nahe kam, was die Närrinnen und Narren am Main in den fünf FCV-Sitzungen in der Stadthalle präsentierten, wäre nichts dagegen einzuwenden, würde das sagenumwobene Eiland samt seines Volkes eines Tages wieder aus den Tiefen des Meeres emporgehoben.

In den ausverkauften Sitzungen spiegelt sich das Motto in der Kostümierung vieler Gäste wider. Viel Wasserblau war bei der Bekleidung zu sehen, die verschiedensten Fischformen und Unterwasser-Menschen und -götter wie einst Poseidon. Der Gott mit seinem Dreizack selbst ist dann auch auf der Bühne sehr präsent. Gleich nach dem Eröffnungsspiel gibt Gregor Stark das Protokoll – dafür steige er gerne aus der Wasserwelt empor, in der er sich sonst aufhält, versicherte Poseidon dem Publikum. Vom seltsamen Rentnergesprächen auf einer Sitzbank am Mainufer und der Erfahrung mit der nervigem Verschlusskappe, die neuerdings an den Kunststoffflaschen hängt, kommt Stark schnell auf die Weltpolitik zu sprechen.

Der Trump, lobt er vergiftet, mache für die Fastnacht unheimlich was her, aber seine Ankündigungen zur Umwälzung der Welt bringen Poseidon auf eine Idee. „Ich glaub, ich lass mich im Atlantik mal blicke, um nach Mar-A-Lago ´nen Tsunami zu schicke.“ Das Ende der Ampel kam natürlich genauso zur Sprache. Mit viel Energie gestartet, sei immer weniger herausgesprungen. Dann habe die Regierung die Idee gehabt, „Fliegen teurer zu mache“. Eine prima Idee und nichts, was Poseidon groß anficht, „Zum Glück trag´ ich nicht Fliege, sondern meistens Krawatte“. Demokratie, schloss er, heiße auch die Dinge so zu nehmen, wie sie sind. „Auch, wenn uns manches nicht gefällt, wir sind nun mal nicht der Nabel der Welt.“

Bekannt war vor dem Start der Sitzungsreihe, dass Gregor Stark mit seinem 27. sein letztes Protokoll für den FCV gibt. Eine lange Zeit und eine Vielzahl politischer Krisenlagen, die er in Versen zu verarbeiten hatte. Auch Patricia Lowin hält einen sehr politischen Vortrag, arbeitet sich in einer Art Nachrichtenformat namens „Extra-11“ vor allem am Ampel-Aus und Donald Trump ab und setzt dabei sehr stark auf die Unterstützung durch die große Videowand, die oberhalb der Bütt hängt.

Nur in der ersten und letzten Sitzung ist Peter Kuhn als „Der Modedesigner“ bei der FCV-Sitzung zu sehen. Der Gast aus der fränkischen Fastnacht hat sich als Büttenredner der Schwarzen Elf Schweinfurt, einer Fastnachtsgesellschaft der dortigen Kolpingfamilie, einen Namen über die Region hinaus gemacht. Sein Vortrag zeigte, dass die Fachbegriffe der Modewelt und Schneiderkunst jede Menge Wortspiele zur politischen Einordnung der Parteien und Kanzlerkandidaten bietet.

Es folgten mit Jutta Schlosser und Hans-Joachim Kunz zwei Redner, die auf der FCV-Bühne zeigen, aus wie viel eigenem Potenzial die Fastnachtsszene der Stadt schöpfen kann. Eine wahre Plage sind für viele dagegen die Menschen, die sich für so wichtig und toll genug halten, dass sie ihr Leben über belehrende Videobotschaften teilen. Schlosser nimmt diese Zeiterscheinung in der Rolle der „Influencerin“ Betty Berzel aufs Korn.

Erst um den Jahresbeginn hatte der einstige Sitzungspräsident Kunz sich für eine Rückkehr als Redner auf der FCV-Bühne entschlossen, um die Lücke durch den Ausstieg von Hans-Joachim Greb zu füllen. Er widmete sich dem Sinnbild der als etwas verbohrt und unbelehrbar geltenden Menschengattung des „alten weißen Mannes“, der er sich mit seinem schlohweißen Haar inzwischen zugehörig fühlt.

Auf drei Sitzungen ist „Wirbel-Willi“ Maurice Müller auf der FCV-Bühne zu sehen, so noch einmal bei der letzten Sitzung. Der Shooting-Star von den Mombacher „Bohnebeitel“, Johannes Pschierer, trat in der ersten Sitzung in seiner Rolle als Betreuer einer Jugendfreizeit auf, an der er allerdings fast noch selbst teilnehmen könnte.

Nicht bei der ersten und nicht bei der letzten, aber dafür den drei Sitzungen dazwischen war „Ernst Lustig“ zu Gast beim FCV. Seit 2001 ist Jürgen Wiesmann bereits in der Paraderolle in einem sehr farbenfrohen Kostüm zu sehen. Der Rüsselsheimer, dort bei der „Schwarzen Elf“ aktiv, aber auch in einigen Mainzer Vereinen, gehört weiterhin zum Ensemble der Sitzung "Mainz bleibt Mainz“.

Da ist auch Johannes Bersch nicht mehr wegzudenken, aber der Zweite Vorsitzende des FCV ist auch bei den Sitzungen in Flörsheim inzwischen unverzichtbar. Wie er Figuren verinnerlicht und in seinen Wesenszügen entlarvt, zeigt sein Auftritt als „Elon Musk“. Das dunkle Outfit stimmt, die kindliche Hampelei auch, der rechte Arm fliegt schon mal wie aus Versehen steil nach oben – nur ein paar Kilos ist der DOGE-Vordenker seinem Nachmacher voraus, aber das lässt sich ja regeln.

Inwieweit Bersch mit dieser Figur über mehrere Kampagnen auftreten kann hängt davon ab, wie lange es dauert, bis es im Oval Office zwischen den beiden Revolutionären am Holztisch kracht. „Ein Promi will unbedingt zu Ihnen sprechen, der sich in den deutschen Wahlkampf einzumischen versucht“, kündigte Sitzungspräsident Sascha Jung "Elon Musk" an. Der identifizierte die „Town Hall“ sogleich als „Escape Room of the Fleerschemer Fassenacht“.

Als „X“-Besitzer hat er die Entwicklung in Flörsheim und den Stadtteilen sehr gut im Blick. Es scheint ihm zu gefallen, was sich zur Fassenacht tut. „In Weilbach wird jetzt auf X gepostet, früher nur geprostet.“ Den FCV hat er auch gekauft – natürlich per Bitcoin. Die Ökologie liegt Musk im Gegensatz zum Chef irgendwie immer noch am Herzen, und deshalb gibt es Minuspunkte für Flörsheim und die ganze Region wegen eines Punktes: „Euer Handkäs` mit Musik hat mehr CO2-Ausstoß als meine Autos.“

Bersch ist aber auch mit seinem Kompagnon Sebastian Kraus mit dem vertrauten Chanson-Duo „Zwei Kammersänger“ auf der Bühne zu sehen. „Das eine oder andere Lied von uns kann man sich anhören“, finden die beiden. Das Publikum kann teilweise mitsingen, so das Lied der vegangen Formation „4 non Plunz“ – der umgetextete Titel „What´s Up?“ der 90er-Jahre-Formation „4 Non Blondes“.

Wirken „Die Kammersänger“ gelegentlich ein wenig depressiv, ist es bei „Frl. Baumann“ das pure Alter, das deutlich verlangsamte Bewegungsabläufe bestimmt. Die Dame ist ja auch „114 Jahre geballte Energie – die letzte Überlebende aus der Johannes-Heesters-Krabbelgruppe“, wie Jung aus der Selbstdarstellung der älteren Frau zitierte. Es sollte einen zwar wundern, wenn der 1903 geborene Heesters und die 1910 geborene Baumann einst in einer holländischen Krabbelgruppe vereint mit Klötzchen warfen, aber lassen wir dieses Indiz eines großen Schwindels mal so stehen.

Der Weinheimer Markus Weber, zum zweiten Mal beim FCV dabei, spielt die „Grande Dame der Kurpfälzer Fastnacht“ eben schon viele Jahre. Irgendwann hat die Behauptung also wohl mal gestimmt, aber Frl. Baumann hadert schon sehr mit ihren Einschränkungen, den vielen Verblichenen um sie herum und mit den unverschämten Buchgeschenken des Bundespräsidenten wie „Hunde, wollt ihr ewig leben?“.

In drei der Sitzungen ist mit Alexander Leber als „Meenzer Polizist“ ein weiterer, dem FCV-Publikum bekannter Gast am Programm beteiligt, der mehr als fünf Jahrzehnte Bühnenerfahrung vorzuweisen hat. Eine Sitzung mit sehr vielen etablierten Büttenrednern also, aber auch immer wieder ganz anderen, musikalischen und tänzerischen Eindrücken. Schon beim Eröffnungsspiel, das den Zweck hat, auf das Motto hinzuführen und mit dem Erscheinen Poseidons seinen Höhepunkt findet, bekam die Darsteller-Gruppe, die aus Anette Astheimer, Heiner Engelter, Kevin Hammerschlag, Bärbel Heeg, Felix Heeg, Daniela Jost, Sascha Jung und Andreas Leist besteht, Verstärkung durch junge Debütantinnen, denn das FCV-Nachwuchsballett „Sternchen“ feierte seine Feuertaufe auf der Bühne, was natürlich einen Extraapplaus einbrachte.

Die Band „Handkäs’ und sei Musik“ um Frontmann Oliver Wiesmann kann zwar auch schunkeln lassen, hat aber eher rockig abgehende Songs im Repertoire. Wieder sehr fastnachtlich-klassisch, ist die Ginsheimer Altrheingarde unter Leistung von Christian Schäfer mit ihren bekannten Liedern auch in Flörsheim immer wieder gerne gesehen. Der FCV verfügt neben den „Sternchen“ natürlich auch über ausgereifte Showtanzgruppen, die natürlich im Programm nicht fehlen dürfen. „Inkognito“ zeigt, wie sich ein "Inselfieber" auswirken kann. „Die Piraten auf der Suche nach den leuchtenden Perlen“ lautete der Titel der Performance von „Cassiopeia“ , nach einer Choreografie von Tatjana Ritacco. Und schließlich bietet auch das Männerballett „Horny Hornets“ des TV Biebelnheim viel Action auf der Bühne, die Wikinger mussten sich mal wieder als Schwert schwingendes Urvolk beweisen.

Vielleicht, so der Hinweis an die Althistoriker und Archäologen, ergibt sich eine Erklärung, warum die Schiffe die Bewohner von Atlantis nicht zu retten vermochten, als ihre Insel versank: sie hatten einer ganz speziellen Handwerkskunst vertraut. Jens Meireis, Chef der FCV-Showband, und Katja Gorol leiten das Publikum an, den auch im Programmheft zu findenden Text des Mottoliedes mitzusingen, das von einem etwas unglücklichen U-Boot-Ausflug ins Foyer der Stadthalle berichtet, die ja bis Aschermittwoch ein großes Meer ist. Im Bassin der „großen Unterwasserschau“ drohte das Boot wegen eines Lecks abzusaufen. Doch im Lied heißt es:

Bitte nicht im eigenen U-Boot und auch nicht ersatzweise in der Badewanne ausprobieren. Es ist nur ein Fastnachtssong.

Korrektur

Im Anreißer-Artikel zur FCV-Sitzung der vergangenen Woche hatte sich leider eine Fehlinformation eingeschritten. Sascha Jung hat nicht vor, als Sitzungspräsident aufzuhören, wie es geschrieben stand, dies sei hiermit klargestellt.

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