Tatkraft und Tempo in einer feststeckenden Stadt

Flörsheimer SPD stellt Wahlprogramm und Kandiddatenlisten für die Kommunalwahl vor

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Es gibt einfachere Aufgaben für den Vorstand einer politischen Partei, als gut gefüllte Wahllisten für die nächste Kommunalwahl zusammenzustellen. Dabei lautet die Mission vor allem, die Überredungskunst zu schärfen und manche/n, der/die sich eher zurückhalten möchte, zum Kandidieren zu überreden. Das ist längst nicht mehr nur ein Problem von neueren oder kleineren Parteien. Auch der Sozialdemokratie zu ihrem Recht zu verhelfen, gestaltet sich für die Ortsvereine der altehrwürdigen SPD nicht alleine aufgrund der auf allen Ebenen schwächelnden Wahlergebnisse und Mitgliederbestände schwierig.

Die Flörsheimer SPD legte nun die Bewerberliste für die Kommunalwahl am 15. März vor und kann immerhin zufrieden vermelden, genügend Kandidatinnen und Kandidaten gefunden zu haben, um keine Mandate unbesetzt lassen zu müssen. Doch die Verluste sind nicht zu übersehen: Weder die aktuelle Fraktionsvorsitzende Melanie Ernst, noch ihr Stellvertreter Markus Ochs wollen weiter für die Flörsheimer SPD aktiv sein und finden sich weder auf der Liste der Stadtverordnetenversammlung, noch auf jener für die vier Ortsbeiräte. Ernst ziehe sich aus persönlichen Gründen von der Kommunalpolitik zurück, erläuterte Ortsvereinsvorsitzender Michael Antenbrink den Komplettabtritt, während Ochs als Beisitzer im Vorstand zumindest über diese Funktion noch angebunden sein wird.

Aber die SPD nutzt dies als Chance, sich neu aufzustellen. Klar abzusehen: Philipp Moritz wird als neuer führender Kopf der Flörsheimer Sozialdemokraten aufgebaut. Der 33-jährige Verwaltungsbeamte hat sich in seiner Funktion als Vorsitzender des Haupt- und Finanzausschusses in den vergangenen Jahren in einer hervorgehobenen Position der Flörsheimer Gremien bewiesen. „Unsere Liste bietet eine gute Mischung aus Erfahrenen und Neuen, mit einem breiten beruflichen Spektrum“, betont Moritz. Das verkörpert auch die Frau auf Platz zwei, Neuzugang Galina Putjata. Seit 2020 ist die Professorin für „Literalität und migrationsbedingte Mehrsprachigkeit“ an der Frankfurter Goethe-Universität tätig. Der Job brachte sie vor fünf Jahren auch erst in die Rhein-Main-Region, über Franz Kroonstuiver kam der Kontakt zum Ortsverein zustande. Jetzt ist die in Odessa geborene 40-jährige Deutsche bereit, sich in ihrem Wohnort politisch zu engagieren.

Ein Forschungsschwerpunkt der Professorin ist die Bildungsteilhabe, in dem Bereich sieht sie sich auch in der Kommunalpolitik am besten aufgehoben. Sie habe Erfahrung mit der Ausbildung von Lehrkräften und Erzieher/innen und selbst in Schule und Kita gearbeitet, „der Transfer zwischen Theorie und Praxis“, wie sie ihr Erfahrungsfeld beschreibt.

Auf der SPD-Liste findet sich auf Platz sieben mit dem 55-jährigen Geschäftsführer Thomas Maaß ein weiterer Einsteiger. Er bringt viel Erfahrung aus der Kommunalpolitik mit, war er doch über Jahrzehnte in Wiesbaden für die SPD aktiv. Nun entschied er sich, in die Flörsheimer Politik einzusteigen.

Auch ein Comeback Michael Antenbrinks in der Stadtverordnetenversammlung ist angesichts des neunten Platzes auf der Liste nicht auszuschließen, dazu müsste die SPD allerdings ihr Wahlergebnis von 2021 (19,0 Prozent, sieben Sitze) deutlich steigern – was natürlich der Plan ist.

Insgesamt hat die Flörsheimer Liste ein Problem laut SPD-Parteistatuten, denn die verlangt eine Quote von mindestens 40 Prozent für Männer wie Frauen und soll möglichst 50 Prozent erreichen. Der übliche Wechsel zwischen weiblichem und männlichen Bewerber, genannt Reißverschluss-System, endet bei dieser Wahlliste schon auf Platz vier. Insgesamt kandidieren nur zwölf Frauen auf 32 Plätzen, womit die Mindestquote knapp verpasst wird (37,5 Prozent). Auf den ersten 16 Plätzen vertreten nur Putjata und die auf Position vier gesetzte Annemarie Dicks die weibliche Seite. Sie werden, wenn sich nicht Entscheidendes über das Kumulieren oder Panaschieren verschiebt, die einzigen SPD-Frauen im kommenden Stadtparlament sein.

Eine Bewerberin von den hinteren Plätzen, denen diese Situation nicht passt, könnte sich über das Statut auf einen vorderen Platz „einklagen“, ist dem Ortsverein klar. Alleine, die Frauen wurden bei der Listenaufstellung nicht niedergestimmt, außer Putjata und Dicks wollten einfach keine weiteren Bewerberinnen auf einem aussichtsreichen Platz auftauchen – so ist es diesmal eben. Man habe versucht, der Pflicht zum Reißverschluss-System nachzukommen, „persönliche Gründe ließen das nicht zu“, betont der Vorstand.

Die ersten zwölf Bewerber/innen:

1. Philipp Moritz

2. Galina Patjata

3. Hasan Aggül

4. Annemarie Dicks

5. Uwe Dicks

6. Klaus Störch

7. Thomas Maaß

8. Ali Ekber Dogan

9. Michael Antenbrink

10. Peter Lemb

11. Daniel Dicks

12.Deniz Günel.

Alle auf realistischen Plätzen Kandidierenden möchten unbedingt in die Stadtverordnetenversammlung einziehen, versichert Antenbrink. Dahinter, ab Position 13, folgen drei Nichtmitglieder, „die sich von uns haben ansprechen lassen und bereit sind, Zeit für die SPD Flörsheim zu investieren“, erläutert er. Mit Heinz-Gerhard Adam auf Rang 16 beginnen die Listenplätze mit Aktiven des Ortsvereins, die mehr aus Solidarität denn mit der Absicht, ins Parlament einzuziehen, kandidieren. Die Liste endet auf Platz 32 mit einer Ehrenbesetzung durch Anneliese Wann, „sie ist uns seit vielen Jahren treu“.

Die Ortsbeiräte

Dass es auch in den Ortsteilen bisweilen nicht so einfach ist, die Kandidatenlisten zu füllen, erfuhr die SPD in Keramag/Falkenberg. Bei drei Mitgliedern im Ortsteil ist die Quote von einem Bewerber zwar gar nicht einmal schlecht, aber sollte das Wahlergebnis den Sozialdemokraten zwei der fünf Plätze zugestehen, würde ein Platz im Beirat unbesetzt bleiben, denn Ali Ekber Dogan ist Einzelkämpfer im Ortsteil.

In den nördlichen Stadtteilen sieht es deutlich besser aus, und hier stehen mit Katharina Hauzel (Wicker) und Martina Pokowietz (Weilbach) auch in ihren Gremien erfahrene Vertreterinnen oben auf der Liste sowie je zwei weitere Bewerber bereit, sollte es in Wicker einen und in Weilbach zwei Plätze Zugewinn geben. In der Stadtmitte schließlich führt Uwe Dicks eine Liste von sechs Bewerber/innen für den Ortsbeirat an, daher könnte die SPD dort ihre Präsenz glatt verdreifachen.

Die Themen

Auf dreieinhalb DINA-4-Seiten präsentiert die SPD ihren Themenkatalog und die damit verbundenen Zielsetzungen bis 2031. Es steht unter dem Motto „für mehr Transparenz, Tatkraft und Tempo“, denn „unsere Stadt steckt fest – nicht in ihren Möglichkeiten, sondern in der Art, wie Politik gemacht wird“, kritisiert die SPD einleitend. Die Grundannahme, so auch in vielen Statements in den Gremien immer wieder zu hören: Die Entscheidungswege seien in Flörsheim zu lange, Projekte versandeten. Diesen „Stillstand“ will die SPD beenden. Die Themenfelder und ihre Hauptthesen:

Stadtentwicklung & Wohnen

Mehr bezahlbare Wohnungen mit Quoten für geringe und mittlere Einkommen, in neuen Wohngebieten. Die Terra soll „zu einer leistungsfähigen Wohnungsbaugesellschaft“ weiterentwickelt werden.

Für alle Stadtteile strebt die SPD ein Konzept an, „das den Einzelhandel in unserer Stadt sichert und wiederbelebt“. In der Altstadt sollen „bauliche Maßnahmen“ die Aufenthaltsqualität verbessern, durch eine Förderung das gastronomische Angebot gestärkt werden.

Beim Thema Fluglärm besteht die SPD auf die zugesagte Absenkung der Abflüge auf der Nordwest-Landebahn auf zwei Prozent. Ein „Stadt-Check“ soll Schwächen beim Thema Barrierefreiheit aufdecken.

Soziales, Familie und Kultur

Eine „echte Personaloffensive“, bei gleichzeitig sozial verträglicher Beitragsgestaltung, ist für die Kinderbetreuungseinrichtungen geplant.

In allen Stadtteilen soll es künftig offene Mehrgenerationentreffs geben, ebenso Treffpunkte für die Jugend. Das Sozialkaufhaus soll erhalten bleiben, mehr Haus- und Fachärzte sollen die medizinische Versorgung verbessern. Dazu sind eine „wertschätzende Integration“ statt Parallelwelt sowie ein bezahlbares und barrierefreies Kulturangebot ein Ziel.

Energie, Klima & Naherholung

Das Klimaschutzkonzept soll fortgeschrieben werden, die kommunale Wärmeplanung genutzt werden, um Kosten zu senken. Die Entsiegelung, um Flörsheim zur Schwammstadt umzubauen, ist ein weiteres Ziel. Dort soll eine klimaresiliente Bepflanzung schattige Wege garantieren.

Wirtschaft und Arbeit

Bei der Wirtschaft setzt die SPD ganz auf die Entwicklung des Gewebegebiets West V.2 mit Angeboten vor allem an ansässige Firmen, „die einen Beitrag zur Stadtgesellschaft leisten“. Die Vergabe der innerstädtischen Einzelhandelsflächen soll transparenter werden.

Mobilität

Bei den Radwegen sollen Lücken geschlossen werden, Fahrradabstellplätze den Umstieg auf den ÖPNV erleichtern. Zugunsten der Fußgänger sind stärkere Kontrollen gegen das Parken auf Gehwegen vorgesehen.

Der ÖPNV soll bedarfsgerecht ausgestaltet werden, denn „ein zuverlässiger und zweckmäßiger ÖPNV wird genutzt“ und sei so finanzierbar.

Weiter fordert die SPD den Bau der Umgehung in Weilbach mit Entlastung des Ortskerns. Der Zustand der Flörsheimer Straßen soll generell verbessert werden.

Finanzen, Verwaltung, Digitalisierung

Ein allgemein verständlicher „Bürgerhaushalt“ soll Kosten und Folgekosten der Investitionen offenlegen. Der Online-Service der Verwaltung soll wachsen, Bürgerbeteiligungen die Einbindung sichern, deren Ergebnisse als verpflichtende Beschlüsse zu betrachten seien.

Der Wahlkampf

Die Wege, die Wahlberechtigten anzusprechen und von den eigenen Positionen zu überzeugen, haben sich in den jüngsten Jahrzehnten deutlich ausgeweitet – und damit auch ausgefranst. Es wird nicht einfacher, Bürgerinnen und Bürger zu erreichen und anzusprechen. Michael Antenbrink kündigt einen „klassischen Wahlkampf“ an, der ganz wie gehabt mit Plakaten wie Flyern die Haushalte erreichen will.

Zudem plant der Vorstand, die Internetseite und sozialen Medien des Ortsvereins in der Wahlkampfzeit aktuell zu bedienen. Aber auch eine öffentliche Wahlkampfveranstaltung, vermutlich thematisch gebunden an die als vorrangig gesehenen Themen Wohnen und Stadtentwicklung, soll es geben. Um das ganze personell stemmen zu können, soll eine Mobilisierungs-Kette aufgebaut werden.

Die Kreistagsliste

Auf der 80 Namen umfassenden SPD-Kandidatenliste zum neuen Kreistag belegt der Flörsheimer Ortsverein zehn Plätze. Angeführt wird die Liste von Fraktionschef Philipp Neuhaus (Hattersheim), gefolgt von Penelope Guckler und dem Unterbezirksvorsitzenden Bernhard Köppler (beide Hofheim).

Auf Platz sieben findet sich Ortsvereinschef Michael Antenbrink als erster Flörsheimer Kandidat und einziger auf einem sicheren Platz. Derzeit hat die SPD im Kreistag durch das schwache Wahlergebnis im Jahr 2021 (16,1 Prozent) nur 13 Mandate. Da bei den Kommunalwahlen kumuliert und panaschiert werden darf, kann sich die Reihenfolge durch entsprechendes Verhalten der Wählerinnen und Wähler noch verändern, das geschieht auch regelmäßig, gerade bei den hinteren Plätzen.

Die Positionen der weiteren Flörsheimer Bewerberinnen und Bewerber:

17. Philipp Moritz

19. Klaus Störch

24. Galina Putjata

46. Nadine Kirchheim

50. Katharina Hauzel

60. Ilkay Yücel

65. Uwe Dicks

74. Martina Pokowietz

76. Ursula Antenbrink.

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