Ein unbekannter Zusammenschluss

Stadtverordnetenversammlung diskutierte den Beitritt der Stadt zum "Frankfurter Bogen"

Auch ohne Teleobjektiv wird auf der Flörsheimer Warte beim Blick nach Osten klar, dass die Stadt zum Frankfurter Raum zu zählen ist.

Am Ende der 33. und letzten Sitzung der 18. Wahlperiode der Flörsheimer Stadtverordnetenversammlung innerhalb von fünf Jahren konnten nicht alle Fragen geklärt und alle Beschlüsse gefasst sein. Die Dinge sind eben im Flusse, manche Themen werden die Gremien der Stadt auch in der neuen Zusammensetzung beschäftigen und gegebenenfalls auf den Weg gebracht werden. Drei Anträge wurden aus Zeitgründen von der Tagesordnung genommen und damit automatisch in die nächste Sitzungsrunde geschoben.

Dann werden sich die 37 Parteienvertreterinnen und -vertreter mit dem SPD-Vorschlag beschäftigen, den Magistrat mit der Suche nach neuen Flächen im Stadtgebiet zu beauftragen, die sich für privat nutzbare Kleingärten eignen. Hier denken die Sozialdemokraten vor allem an eine Erweiterung der Kleingartenanlage „In den Auwiesen“ , aber auch Flächen der RMD, sprich im Bereich der Wickerer Deponie.

Auch der Entwurf des Stadtentwicklungskonzeptes 2040 unterstütze den Gedanken, betont die SPD. Kleingärten seien ein Gewinn für die gesamte Gesellschaft, böten Erholungs- und Rückzugsräume, seien Treffpunkt von Familien und Freunden.

Die GALF darf im Frühjahr ihren Antrag näher präsentieren, den Magistrat zu beauftragen, Kontakt mit der Stadt Hattersheim aufzunehmen, um das künftige Weilbacher Neubaugebiet „Krimling“ mit dem geplanten Rechenzentrum am Kastengrund (derzeit das Kreis-Impfzentrum) so zu vernetzten, dass die Abwärme des Zentrums zum Neubaugebiet abgeführt wird.

Weiterhin soll der Magistrat nach Vorstellungen der GALF, so ein weiterer verschobener Antrag, die Landesregierung dazu bewegen, auf die Fraport AG einzuwirken, angesichts der coronabedingt drastisch gesunkene Flugbewegungen am Rhein-Main-Flughafen freiwillig das Nachtflugverbot von auf 22 Uhr bis 6 Uhr auszuweiten. Zudem soll die Nordwest-Landebahn dauerhaft stillgelegt „und für eine Wohnbebauung im Zuge des 'Frankfurter Bogens' zur Verfügung gestellt“ werden“.

Wohnungsbau im Bogen

Und da ist er, der Bogen zum Antrag, der als allerletzter in der Geschichte der 18. Wahlperiode diskutiert, aber nicht angenommen wurde. Gestellt hatte ihn die SPD, die einen Beitritt der Stadt Flörsheim zur Wohnungsbauinitiative „Großer Frankfurter Bogen“ fordert. Dies ist ein Zusammenschluss von bisher 35 der 55 Kommunen im größeren Umkreis Frankfurts, die laut Eigenbeschreibung „freie Flächen für neuen Wohnraum in lebenswerten Quartieren“ finden wollen. Dies verknüpft mit einer guten Anbindung an den Nahverkehr, „die nahe Kita oder Grünfläche oder ein energieeffizientes Zuhause“. Hinter der Initiative steckt das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen unter Tarek Al-Wazir (Grüne).

Eine Zielrichtung ist der Neubau von 200.000 Wohnungen im "Bogen". Deren Bewohner sollen allesamt in höchstens einer halben Stunde mit der S-Bahn oder Regionalbahn den Frankfurter Hauptbahnhof erreichen können. Das ist mal ein Lebensziel: Die Innenstadt der Mainmetropole scheint für de Initiatoren so etwas wie der Nabel des Glücks zu sein. Genau genommen wird mit solchen Projekten aber nur die Vorgabe des Regionalen Flächennutzungsplan verfolgt. Der verlangt tatsächlich: "Das Oberzentrum Frankfurt soll seine hervorgehobene Funktion als Standort mit eurozentraler Bedeutung erhalten und ausbauen." Denn Frankfurt sei ein „Aushängeschild und Mittelpunkt der Region“.

Gegen die auf diese Weise unterstützte Staubsaugerwirkung der Mainmetropole scheint kein Kraut gewachsen. Die Flörsheimer Sozialdemokraten verweisen darauf, dass im Main-Taunus-Kreis bereits die Städte Hochheim, Hofheim, Kelkheim, Eppstein und Kriftel zum Kreis der Erlauchten gehört, Flörsheim könnte das halbe Dutzend vollmachen.

Neben dem Beitritt zum Frankfurter Bogen enthält der SPD-Antrag das Ziel, das geplante Baugebiet an der Wickerer Goldbornhalle in Richtung Norden zu erweitern. Das ist als Vorschlag einer Antwort auf die Frage zu verstehen, welche potenzielle Baugebietsfläche die Stadt in das Bündnis einbringen könnte.

Katharina Adam begründete den Antrag für die Fraktion. „Wir können nur bauen, wenn wir auch die Flächen dazu haben“, sagte sie. Die Möglichkeiten, die eine Innenentwicklung in der Stadtmitte bietet, reiche nicht aus, weil es durch die Fluglärmsituation mit der Siedlungsbeschränkung als Folge nicht genügend Flächen gebe. Also müsse man sich in den Stadtteilen umsehen.

Die Fläche an der Goldbornhalle ist im Flächennutzungsplan bereits als Reservefläche für den Wohnbau eingetragen und soll nun eben größer ausfallen. Eine Grundvoraussetzung für die Förderung durch die Programme des Frankfurter Bogens wäre durch die S-Bahn-Verbindung vom Flörsheimer Bahnhof aus gegeben, die direkte Nähe des Wickerer Gebiets zum Bahnhof (maximal ein Kilometer) allerdings nicht.

In die Neufassung des Flächennutzungsplans sollte das Areal samt der Erweiterung unbedingt hinein, betonte Adam. Da könne man die Fertigstellung des Stadtentwicklungskonzepts nicht abwarten.

Die Erste Stadträtin Renate Mohr (GALF) berichtete, dass die Stadt mit dem Ministerium wegen des Themas Frankfurter Bogens in Kontakt stehe und sie nach den ersten Gesprächen davon ausgehe, dass Ausnahmen von den genannten Grundregeln möglich seien. Ein geplanter Gesprächstermin in Wiesbaden sei durch die Pandemie aber nicht zustandegekommen.

Die SPD scheiterte mit ihren Doppelantrag an allen anderen Fraktionen, die nicht einmal einer Verweisung des Themas an den Bau- und Umweltausschuss zustimmen wollten. So erklärte Tobias Ruppert (CDU), dass er wenig Erhellendes dazu gefunden haben, „was es bedeutet dem Frankfurter Bogen beizutreten“. Auch die Verbindung des Themas mit dem Wickerer Baugebiet sei ihm nicht schlüssig.

GALF-Fraktionschef Frank Laurent monierte, dass der Antrag Festlegungen vorschlage, „die wir zu diesem Zeitpunkt nicht wollen“. Es könne sein, dass der Siedlungsdruck im Rhein-Main-Gebiet in Zukunft sinke, „weil die Leute nicht mehr in der Nähe ihrer Arbeitsplätze wohnen müssen“, verwies er auf die aktuellen Entwicklungen mit der Ausweitung der Heimarbeit am PC.

Thomas Probst (dfb) schlug in die gleiche Kerbe und verwies darauf, das er die Studien, auf die sich der Frankfurter Bogen berufe, durch die Digitalisierung für inzwischen überholt halte. Das wahre Thema beim Wohnungsbau in Flörsheim sei weniger der Eigenheimbau, wie er der SPD in Wicker vorschwebe, sondern der bezahlbare Wohnbau, „da müssen wir ganz andere Wege gehen“.

Thorsten Press (FDP) schließlich sieht Flörsheim im Dilemma, die vom Frankfurter Bogen geforderte Nähe der neuen Wohngebiete zum Bahnhof zu finden. Gebe es Fördermittel für Projekte, sei das sicher ein Argument mitzumachen. Aber auch ihm war zu wenig klar, was für die Stadt der Beitritt zum Frankfurter Bogen bedeute. Erst wolle er darüber ein klareres Bild gewinnen, „dann können wir darüber entscheiden“.

Press befürwortete die Überweisung des Antrags in den Ausschuss für Bau-, Verkehrs-und Umweltfragen, wo der Magistrat nach weiteren Gesprächen mit dem Ministerium den Fraktionen mehr zu dem Zusammenschluss berichten könnte. Mit 15 gegen 20 Stimmen lehnte eine Mehrheit die Verweisung jedoch ab. Den somit direkt abzustimmenden Antrag in seiner vorliegenden Form unterstützten nur die Sozialdemokraten.

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