Auf ein Wort Christlicher Aufbruch!?

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Christlicher Aufbruch!?

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Die Messehalle in Augsburg ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Weil nicht alle hineinpassen, gibt es noch eine andere Halle auf dem Messegelände, in der alles zeitgleich auf einem großen Bildschirm übertragen wird. Auch diese Halle ist voll besetzt. Den verkauften Tickets nach sind es an die 12.000 Menschen, die sich in Augsburg versammelt haben. Dann beginnt es. Die riesige Bühne wird in Dunkel getaucht, auf dem Bildschirm erscheint ein großer Countdown, der langsam hinunterzählt. Tausende rufen die letzten zehn Sekunden mit, bis eine grelle leuchtende Null durch die Halle scheint und wieder verblasst. In einem Lichtkegel erscheint ein einzelner Sänger, der ruhig ein Lied anstimmt. Nach und nach wird die ganze Bühne erleuchtet und immer mehr Sänger stimmen ein. Langsam fängt auch die Halle an mitzusingen. Tausende schließen sich dem Gesang an. Jubel bricht aus und verebbt wieder.

Bis zu diesem Moment könnte man noch meinen, man befinde sich auf einem Pop- oder Rock-Konzert, und offensichtlich muss es eine bekannte Band sein, wenn sie es schafft, 12.000 Menschen zu versammeln. Doch dann geschieht etwas, was normalerweise auf Konzerten nie passiert. Einer der Sänger fängt an zu beten: „Halleluja, das ist der Grund warum wir heute hier sind, um Dich zu verehren, Gott, um Dich in die Mitte zu stellen. Wir wollen Dich ehren in diesen Tagen. Danke, Gott!“ Spätestens dann ist klar, dass hier etwas deutlich anderes passiert als ein Konzert. Was hier geschieht, ist die MEHR-Konferenz, und die 12.000 Menschen, die sich dort im Süden Deutschlands versammelt haben, verbindet eine einzige Tatsache: Sie alle sind Christen und sie wollen gemeinsam beten!

Wie sehr sind wir in den Kirchen um Änderung und Aufbruch bemüht. Die Katholiken starten gerade den Synodalen Weg; einen synodalen Prozess, der nun endlich die Kirche erneuern soll, so die Hoffnung vieler. Persönlich muss ich gestehen, dem kritisch gegenüber zu stehen. Nicht gegenüber der Intention, sondern gegenüber dem Modus. Denn wie soll diese „Erneuerung“ geschehen? Wie so viele Male an anderen Stellen und Zeiten zuvor, indem man sich an einen Tisch setzt und darüber redet. Maßgeblich redet man dann darüber, was gerade schlecht läuft und sucht sich selber Ideen, wie es besser sein könnte. In den katholischen Diözesen sind die Bischöfe schon seit einigen Jahren dabei, genauso die Strukturen der Kirche zu „erneuern“, was sich maßgeblich in der Zusammenlegung der Pfarreien äußert. Erfahrungsgemäß trägt das nicht wirklich dazu bei, den Glauben neu zu wecken. Wo man zur Zeit hinschaut, so scheint es mir, ist die Stimmung des Glaubens vergleichsweise mies. Und das nicht nur wegen solch objektiver und kirchlich selbstverschuldeter Faktoren wie der Missbrauchskrise, sondern aufgrund einer Krise des Glaubens. Denn über den Glauben selber, das was uns verbinden, stärken und beleben sollte, über das wird kaum geredet. Über die Kirche sehr viel. Über Gott herzlich wenig.

In Augsburg war das erfrischend anders. Ich selbst bin dieses Jahr zum ersten Mal dabei gewesen. Die MEHR-Konferenz fand vom 3. bis 6. Januar statt und sie hat mich sprachlos gelassen, im guten Sinne. Denn was dort passierte, war das, wie Kirche eigentlich sein sollte. Wie das erste Gebet schon ausdrückte: Gott wurde in die Mitte gestellt. Und trotz faszinierender Lichtershows, bombastischer Lobpreiskonzerte, vieler Vorträge mit gefeierten Referenten, bestand genau daran nie ein Zweifel, dass Gott in der Mitte stand.

Die Konferenz ist ökumenisch. In den 12.000 anwesenden Christen waren alle Konfessionen und viele Freikirchen vertreten. Was an einem Tisch nie klappt, das hat dort völlig unkompliziert und inspirierend schön funktioniert. Es waren allen die Unterschiede der Konfessionen bewusst, und sie wurden als solche respektiert. Doch die gemeinsame Freude am Gebet hat alle verbunden. Ökumene wurde dort nicht verhandelt, Ökumene wurde dort gebetet. Und über allem stand so etwas wie eine freudige und belebende Ernsthaftigkeit des Glaubens, weil Gott in die Mitte gestellt wurde.

Gibt es einen christlichen Aufbruch in Deutschland? Ich habe das Gefühl, in diesen Tagen in Augsburg zum ersten Mal wirklich einen erlebt zu haben.

Kaplan Nikolaus von Magnis

St. Gallus Flörsheim

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