Zweites "Ghostbike" in Hattersheim

ADFC stellte Weißes Fahrrad in Gedenken an im Mai getötete 73-jährige Radfahrerin auf

Am Samstag hatte der ADFC eingeladen zur Aufstellung dieses "Ghostbikes" an der Ecke Niedeckerstraße/Lindenhof.

Am Samstag, 12. November, versammelten sich auf Einladung des ADFC etwa 50 Menschen an der Ecke Niedeckerstraße/Lindenhof in Hattersheim, um das zweite Weiße Fahrrad ("Ghostbike") in der Stadt aufzustellen. Sie gedachten des schrecklichen Unfalls, bei dem genau dort am 19. Mai 2022 eine 73-jährige Radfahrerin durch ein Auto getötet wurde - das zweite Todesopfer der Rad fahrenden Hattersheimer Bevölkerung innerhalb von weniger als anderthalb Jahren. Viele kannten sie persönlich als freundliche und für das Gemeinwohl engagierte Mitbürgerin. Der Witwer ist sich mit dem ADFC Hattersheim einig: „Bei geeigneter Verkehrsführung hätte dieser Unfall nicht passieren müssen.“

Nur wenige Wochen später, am 20. Juli, wurde nur gut 200 Meter weiter, an der Ampelkreuzung, ein weiterer Radler von einem Auto angefahren. Wer das Bild des unter dem Fahrzeug verkeilten Rades gesehen hat, weiß, dass nur durch großes Glück das Opfer keine lebensgefährlichen Verletzungen davontrug.

Können wir wirklich nur darauf hoffen, dass diese Serie sich nicht fortsetzt? Sind solche schweren Unfälle und ihre dramatischen Auswirkungen auf die betroffenen Familien wirklich der unvermeidliche Tribut, den wir unserem Bedürfnis nach Mobilität zollen müssen? Ist die "Vision Zero", das heißt "Null Getötete und möglichst wenige Schwerverletzte im Straßenverkehr", zu der sich das Land Hessen im "Verkehrssicherheitskonzept 2035" bekennt, ein unrealistisches Fantasiegebilde?

Sicher ist:

  • Wenn sich in Hattersheim bei der Straßenplanung nichts ändert,
  • wenn weiter der ungehinderte Fluss des Kraftverkehrs faktisch Priorität über die Sicherheit hat,
  • wenn Verkehrsanlagen für zu Fuß Gehende und Radfahrende nur als störend angesehen werden,
  • wenn selbst einfachste Maßnahmen zur Erleichterung des Fuß- und Radverkehrs nicht umgesetzt werden, ist die "Vision Zero" hier nicht erreichbar.

Querungsstellen wie diese haben sich - nicht nur in Hattersheim - als Brennpunkte gerade für schwere Unfälle herausgestellt. Gefährliche Querungen gibt es noch etliche weitere im Stadtgebiet - der ADFC stellt derzeit eine Liste auf.

Nach Begutachtung der Querung, an der der Unfall geschah, kommt der Magistrat der Stadt Hattersheim in seinem Bericht an die Stadtverordneten zu folgenden Schlüssen:

"Die Querung ist übersichtlich und eine gute Einsehbarkeit der Verkehrsteilnehmerinnen und ‑teilnehmer in beide Richtungen gegeben." Kein Wort davon, dass der tödliche Unfall gerade wegen fehlender Einsehbarkeit durch rückgestaute Kraftfahrzeuge passierte. Kein Wort auch davon, dass durch den Kundenverkehr des dort betriebenen Verkaufsstandes sowie die nahe Ampel gefährliche Situationen vorhersehbar wieder entstehen werden.

"Eine Querungshilfe in Höhe der Zufahrt zur Tierklinik ist verkehrstechnisch nicht möglich. Diese würde das Ein- und Ausfahren, insbesondere größerer Fahrzeuge oder mit Anhänger nicht mehr ermöglichen." Dabei existieren frei zugängliche Musterlösungen auch zur Gestaltung von Verkehrsinseln für derartige Querungsstellen, zum Beispiel die der Arbeitsgemeinschaft Nahmobilität Hessen (AGNH). Die Stadt Hattersheim ist übrigens dort Mitglied. Entsprechende Hinweise des ADFC werden ignoriert.

"Die Hauptroute des Fuß- und Radverkehrs wird weiterhin – wie auch im Radverkehrskonzept des Main-Taunus-Kreises dargestellt – über die Querung auf Höhe der Schulstraße geführt. Hier befindet sich eine Querungshilfe, so dass insbesondere Schulkinder die Niedeckerstraße sicher queren können." Nicht erwähnt wird, dass der betroffene Weg laut Fahrradstadtplan Teil des Hattersheimer Radwegenetzes ist. Über die Schulstraße zu fahren, hätte für das Unfallopfer einen Umweg von mehr als einem halben Kilometer bedeutet.

"Für diesen Bereich ist eine zusätzliche Hinweisbeschilderung auf den querenden Radverkehr möglich und wird angeordnet werden." Dies ist die einzige Maßnahme, zu der die Stadt Hattersheim sich durchringen konnte. Sie ist zu begrüßen, wurde allerdings immer noch nicht umgesetzt - und reicht aus unserer Sicht auch nicht aus.

Leider sind wir auf den guten Willen und die Einsicht der Administration unserer Stadt angewiesen. Aber wir können etwas dafür tun, dass die Opfer nicht vergessen werden und sichtbar bleiben. Deshalb stellen wir gemeinsam mit den betroffenen Hinterbliebenen dieses Weiße Fahrrad auf als Mahnung für alle, die diese Stelle passieren. Wir wollen keine weiteren aufstellen müssen. Die ADFC-Ortsgruppe Hattersheim fordert deshalb im Namen aller Radfahrenden in Hattersheim von den Verantwortlichen der Stadt, an allen einschlägigen Querungen die Sicherheit für die schwächeren Verkehrsteilnehmer konsequent zu erhöhen. Es muss möglich gemacht werden, dass auch Kinder, ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger und Menschen mit Behinderungen sich zu Fuß oder mit dem Rad in und zwischen den drei Hattersheimer Stadtteilen sicher und komfortabel bewegen können. "Jetzt ist die Zeit, damit zu beginnen. Wir sind es den Opfern schuldig", so der ADFC in seiner Pressemitteilung.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X