Gefahr im Verzug

Nun ist es amtlich: Der zuständige Leiter des DB-Bahnhofsmanagements, Hartmut Schwarz, hat die ersatzlose Schließung des Eddersheimer Fussgängertunnels wegen, so die ursprüngliche Formulierung „gravierender baulicher Mängel“ bekanntgegeben. Nach jahrzehntelanger Schlamperei die nun denkbar kundenfeindlichste und gefährlichste aller Lösungen! Hier tickt eine Zeitbombe. Ich bin selbst RMV-Kundeund kenne die Verhältnisse vor Ort aus eigener Erfahrung. DieUnterführung selbst stammt noch aus den 30er Jahren des letztenJahrhunderts. Das Bauwerk ist schon seit 15 Jahren in einem maroden und desolaten Zustand. Nach einem Zeitungsbericht besitzt der Bahnhof Eddersheim mit seiner 65-jährigen Anlage die wohl ältesteBahntechnik Deutschlands! Die Eddersheimer Fussgängerunterführung ist in schlimmerem Zustand, als es manche DDR-Anlage vor der Wende je war! Eine Schande für das Ansehen dieser Stadt.

 

Die Bahn AG hat ihre Verkehrssicherungspflicht seit Jahrzehnten grob fahrlässig vernachlässigt. Die Stadt Hattersheim hat dem Vernehmen nach wohl mehrfach vergeblich bei der Bahn interveniert. Der Eddersheimer Tunnel ist seit nun circa 15 Jahren baufällig. Die Benutzer und die Zugpassagiere hatten keine Alternative zu demTunnel, wenn man die dauergeschlossene Schranke passieren wollte oder vielmehr musste.
Vor circa drei Jahren hat die Bahn in einer Art Pfusch- und Scheinreparatur die beidseitigen Wände des Tunnels mit Holzplatten verschalt, damit man den gotterbärmlichen Bauzustand dahinter nicht mehr sehen konnte! Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Regelmäßige Überprüfungen habe es gegeben, so derBahnmanager. Nun, dazu bedurfte es geradezu hellseherischerFähigkeiten, durch die Holzverschalungen hindurchzuschauen. Die Wände waren durchnässt, gerissen, die Fliesen herabgefallen, dieStahlträger der Decke waren korrodiert. Mit jeder Zugüberfahrt polterten die historischen Tunneldeckenträger aus Kaisers Zeiten. Nun, es ist ja nochmal gutgegangen.
Eddersheim ist mittlerweile der letzte Wohnort an der Bahnstrecke Wiesbaden–Frankfurt, der noch keine Unter- oder Überführung besitzt. Dafür hat Flörsheim nun deren zwei! Planungen aus dem Jahre 1978, eine Unterführung westlich Eddersheim neben der Neuen Heimat zubauen, gerieten in Vergessenheit. Ende der 90er Jahre gab es einen tragischen Unfall eines Eddersheimer Ehepaares, das bei geöffneter Schranke von einem Zug getötet wurde. Nichts ist seitdem passiert.
Es spricht Bände, dass die Eddersheimer Infrastrukturgeschichte nur noch aus Schließungsnachrichten besteht (Einzelhandel, Verwaltung, Kirche, Banken und nun auch noch die aus Kaisers Zeiten stammende Bahnunterführung). Obwohl die „Erneuerung“ unserer Personenunterführung Eddersheim seit 2011 auf der Prioritätenliste des Landes Hessen steht, ist hier zu fragen, wer es versäumt hat, bis heute die entsprechenden Förderanträge zu stellen und Mittel abzurufen. Selbst der RMV hat dasProjekt „Erneuerung der Eddersheimer Personenunterführung“ noch immer unter der Projektnummer 4998 aktuell auf der Agenda stehen (Anlage 7, geplante Maßnahmen an Stationen, Stand: 11. April 2013). Jetzt hat die DB die seit Jahren baufällige Eddersheimer Personenunterführung unter der Bahntrasse Hals über Kopf „auf Dauer wegen gravierender baulicher Mängel“ geschlossen. Der ganze Tross aus LKW, PKW, Schülern, Radfahrern und Passanten soll sich nun in gefährlicher Nähe und in größter Eile durch ein Nadelöhr von nur 5,5 Metern Breite zwängen. Und dass in beiden Richtungen. Betroffen sind neben den Eddersheimern auch die Weilbacher Bahnpendler und Schüler.
Die Schließung der Eddersheimer Unterführung rückt ein Tabuthema wieder in den Vordergrund: Warum hat der Hattersheimer Ortsteil noch immer keine eigene Bahnunterführung? Der damalige Wirtschaftsminister Karry hatte in einer Antwort auf die Anfrage des FlörsheimerAbgeordneten Georg Badeck den Baubeginn „nicht vor dem Jahr 1982“ angekündigt. Der Bahn ist der Vorgang offenbar inzwischen peinlich. Die ursprünglich weißen Schautafeln, die am 31. März 2015 noch freimütig von „gravierenden baulichen Mängeln“ und einer „Schließung auf Dauer“ sprachen, wurden inzwischen mit roten Tafeln und der unverfänglichen Formulierung „aus baulichen Gründen“ überklebt (!). Immerhin, von einer „dauerhaften Schließung“ spricht die Bahn nun nicht mehr.
In Kelkheim sind am Bahnübergang Gustav-Adolf-Straße bereits zwei Kinder durch die Bahn zu Tode gekommen. Notwendiges Handeln unterbleibt dort selbst nach diesen Todesfällen. Das Thema wird auch dort zerredet und zwischen den Verantwortlichkeiten hin- und hergeschoben. Ich möchte mir nicht vorstellen, was nach Ende der Osterferien nach Schließung der alten Unterführung am Eddersheimer Bahnübergang los sein wird. Ohne die Anwesenheit der Verkehrspolizei wird es dann nicht mehr gehen. Die Bahn vernachlässigt grob fahrlässig ihre elementarsten Verkehrssicherungspflichten. Man muss diesen Herrschaften mit der Wucht des deutschen Strafgesetzbuches zu Leibe rücken. Unserer Kinder wegen. Wieder einmal werden Bundes- und Landesmittel, welche für Eddersheim vorgesehen waren, für Prestigeprojekte andernorts abgezweigt. Lebensnotwendige Kleinprojekte wie etwa die Erneuerung der Eddersheimer Personenunterführung fallen dem Rotstift zum Opfer. Millionenprogramme werden wahlkampfträchtig geschnürt; hier vor Ort kommt kein Euro an. Diesen Effekt kannte man bisher nur bei versickernder Entwicklungshilfe in afrikanischen Diktaturen, nicht jedoch im gut situierten Main-Taunus-Kreis.
Wie hat ein Eddersheimer jüngst in Anlehnung an Ulrich Beck geschrieben: Hier waltet die organisierte Verantwortungslosigkeit. Dieser zutreffenden Beschreibung ist nichts mehr hinzuzufügen.
Frank Wolf, BfU Eddersheim

 

 

 

 

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