Lob für die Person, Kritik am Verfahren

Die bisherige Beigeordnete Madlen Overdick wird vom Kreistag zur neuen Ersten Kreisbeigeordneten befördert

Direkt nach der Wahl führten der Kreistagsvorsitzende Wolfgang Männer (l.) und Landrat Michael Cyriax die neue Erste Kreisbeigeordnete Madlen Overdick in das Amt ein.

Natürlich lief diese Bestätigungswahl letztlich genau so ab, wie die Kreistagskoalition sich das vorgestellt hatte. Die bisherige Beigeordnete Madlen Overdick (Grüne) wurde am Montag in der Hofheimer Stadthalle für die kommenden sechs Jahre zur Ersten Kreisbeigeordneten des Main-Taunus-Kreises gewählt. Das Verfahren, nach dem der Wahlvorbereitungsausschuss den Wahlvorschlag machte, geriet vor der Abstimmung allerdings in die Kritik durch die Opposition. Dies und die in der Koalition beschlossene Aufstockung der hauptamtlichen Beigeordnetenstellen waren der Grund, warum die Minderheitsfraktionen geschlossen gegen die Berufung stimmten.

Warum Overdick nur auf 46 der 54 Stimmen des CDU/Grüne/FDP-Bündnisses kam, lässt sich wegen der geheimen Abstimmung nicht eindeutig aufklären. Aber von den 81 Abgeordneten waren nur 72 anwesend. Alle acht fehlenden Stimmen lassen sich darauf zwar nicht zurückführen, aber der Verlust muss und wird die Koalition nicht näher beschäftigen. Overdick scheint fraktionsübergreifend beliebt und anerkannt. Selbst die Redebeiträge von Andreas Nickel (Freie Wähler), Michael Antenbrink, Philipp Neuhaus (beide SPD), Barbara Grassel (Linke) und sogar Hendrik Lehr (AfD) hoben hervor, dass sie ihren Job bisher recht gut gemacht habe.

„Sie macht ihre Aufgabe ordentlich und unaufgeregt, hat das falsche Parteibuch, ist aber ansonsten wählbar“, gab Lehr zum Besten. Das nun fällige, schmerzverzerrte Gesicht der Bewerberin gab es nicht zu sehen, Overdick hatte den Sitzungssaal für die Dauer der Diskussion über ihre Person verlassen. Da gab es allerdings nichts zu hören, was sie hätte wegschlucken müssen. Auch Antenbrink bekannte, mit der grünen Beigeordneten keine Probleme zu haben. „Ihre Eignung und Leistung als Kreisbeigeordnete stellen wir nicht in Frage – auch, wenn in der Pandemiebekämpfung nicht alles Gold ist, was zum Glänzen gebracht wurde.“

SPD-Fraktionschef Philipp Neuhaus betonte, dass es „keine zwei Meinungen geben kann, dass Overdick ihre Aufgabe, auch, was die Kommunikation mit der Opposition angeht, sehr gut ausführt“. Aber auch er sieht beim Feld der Pandemiebekämpfung, das Overdick als Gesundheitsdezernentin zufällt, Verbesserungsbedarf im Kreis. „Mein Vater, ich selbst, wir warten alle noch auf einen Impftermin“, schilderte Neuhaus familiäre Erfahrungen mit dem Versuch, der Aufforderung zum Boostern nachzukommen. Overdick sei sowieso weniger als Pandemiebekämpferin zu sehen, „das sind nicht die Hauptamtlichen, sondern die Menschen, die in der Krankenpflege und Erziehung tätig sind“.

Damit reagierte Neuhaus auf eine entsprechende Lobeshymne des Grünen Albrecht Kündiger, der von der fachlichen Arbeit der Beigeordneten geschwärmt hatte. Mehrere „gute Gründe für die Wahl“ Overdicks hatte er in petto. So habe sie in der „nicht einfachen Zusammensetzung“ großen Anteil an dem guten Verlauf der Koalitionsgespräche gehabt. „Sie hat auch außergewöhnlich gute Arbeit in dem Bereich geleistet, dem sie zugeordnet ist.“ So habe im Main-Taunus-Kreis der Klimaschutz einen hohen Stellenwert bekommen, die Besserung der schwierigen Situation der kreiseigenen Gesellschaften sei auf einem gutem Weg. Beim Thema Flüchtlingsunterbringung „weiß man jetzt, dass man damit sensibel umgehen kann, anders als in anderen Landesteilen“.

So weit, so einig. Aber die nicht neue Diskussion um die beschlossene Schaffung einer weiteren hauptamtlichen Beigeordnetenstelle für die CDU und der erstaunliche Haltungswandel zu der Frage der für den Landkreis passenden Anzahl hauptamtlicher Stellen, der sich bei den Grünen im Laufe von wenigen Monaten vollzogen hatte, brachte die Opposition natürlich bei dieser Gelegenheit erneut auf den Tisch. Für einen so kleinen Landkreis sei die Ausweitung unangebracht. „Ein Ausnahmezustand einer politisch überrepräsentierten Spitze soll nun zur Regel werden“, sagte Antenbrink. Das werde die Bürgerinnen und Bürger in den nächsten sechs Jahren deutlich mehr als eine Million Euro kosten, „und das bei der gleichzeitigen Erhöhung der Schulumlage“. Die Grünen hätten noch im April den Verzicht auf eine weitere hauptamtliche Stelle zur Bedingung für den Eintritt in die Koalition gemacht. Die Übertragung von festen Aufgabengebieten an ehrenamtliche Beigeordnete sei zulässig, „warum man dies nicht tut, erschließt sich dem Bürger nicht“.

Die Grünen gestehen der CDU zum Dank für den Posten der Ersten Beigeordneten eben zu, einen weiteren Beigeordnetenposten zu besetzen, „der völlig überflüssig ist“, erklärte Barbara Grassel, warum das Thema anlässlich der Wahl Overdicks erneut angesprochen gehöre, „das hängt natürlich zusammen“. Es sei aber auch klar gewesen, „dass der Wahlvorbereitungsausschuss nur eine Farce ist, weil von vorneherein das Ergebnis feststand“. Das Gremium hätte auch sagen können, „die weiteren Bewerber kommen nicht in Betracht, weil sie nicht Mitglied der Grünen sind“.

Damit sprach Grassel den zweiten Kritikpunkt der Opposition an der Wahl an: den Umstand, dass die Öffentlichkeit aus dem Kreisgremium selbst nichts Näheres dazu erfahren hätte, dass es auf die ausgeschriebene Stelle neben Overdick noch zwei andere Bewerber gegeben hatte. Alleine die Beigeordnete wurde von dem Gremium vorgeschlagen, nachdem die Konkurrenten in den nichtöffentlichen Sitzungen als unqualifiziert identifiziert worden waren. Ein Urteil, dessen Motivation und damit Wahrhaftigkeit man ohne Informationen über die Hintergründe der externen Bewerber kaum überprüfen kann.

Vor allem Andreas Nickel (Freie Wähler) beschäftige diese Intransparenz. „Es hätte dem Verfahren nicht entgegengewirkt und der Akzeptanz unserer Entscheidung geholfen, die anderen Bewerber sich vorstellen zu lassen“, betonte der Fraktionschef. Dies sei auch keine Randnotiz. „Das Testat darüber, ob diese Bewerber die Anforderungen erfüllten, ist formal nicht haltbar und rechtlich angreifbar“, vermutet Nickel. Da das Profil in der Ausschreibung „sehr weich“ gewählt worden sei, „hätten wir hier im Kreistag einen guten Score, wer die Voraussetzungen alles erfüllt hätte“.

Die komplette inhaltliche Einlassung des Wahlvorbereitungsausschusses zum Verfahren lautet:

Es hätte sich „niemand einen abgebrochen sie vor den Wahlvorbereitungsausschuss zu laden“, kritisierte auch AfD-Sprecher Lehr, dass der Ausschuss die Externen nicht einmal anhören wollte. Dies waren der Flörsheimer Martin Skalsky, der hauptamtlich im Vorstand der TG Rüsselsheim arbeitet, und der Hattersheimer Jan Knop, Researcher von Beruf. Beide hätten Erfahrungen im Personalbereich, da könne es nicht sein, sie pauschal als nicht geeignet hinzustellen, sagte Nickel. „Man kann es auch nicht zur Bedingung machen, dass jemand so ein Amt schon ausgeführt hat, das ist gegen jede Philosophie zum Zugang zu öffentlichen Ämtern“, kritisierte er. Man müssen sich die Frage stellen, „was haben diese Menschen getan, dass man so mit ihnen umgeht?“ Dass man sie am Ende nicht wähle, sei auch ihm klar, „das entspricht den politischen Verhältnissen“.

Antenbrink hingegen, selbst im Ausschuss vertreten, steht hinter der Entscheidung des Gremiums. „Der Wahlvorbereitungsausschuss hat in meinen Augen formal korrekte und inhaltliche Arbeit geleistet, es gibt nichts zu beanstanden“, betonte er. „Der Ausschuss hat sich mit allen Bewerbern auseinandergesetzt, aber es greift eben manchmal der Schutz der Bewerber, sie nicht an die Öffentlichkeit zu bringen.“ Kündiger kritisierte, dass die Opposition „bei einer Wahl, die auch bei ihr völlig unstrittig ist, den großen Hammer rausholt, um sie in einem anderen Licht erscheinen zu lassen, obwohl das unangemessen ist“. Dass der Ausschuss eine Empfehlung abgebe, sei völlig normal. „Das sind Versuche, untadelige Person zu diskreditieren.“

Overdick trat bereits mit Wirkung vom Dienstag ihre neu bezeichnete, eigentlich nur aufgewertete Stelle an, denn an den Aufgabengebieten wird sich nichts ändern. Ihrem Dezernat sind die Bereiche Gesundheit, Bauen und Umwelt, öffentliche Sicherheit und Ordnung, Verbraucherschutz und Veterinärwesen zugeordnet. 2017 war die 51-jährige gebürtige Hofheimerin zur Beigeordneten gewählt worden, als Erste Beigeordnete nun folgte die Verwaltungsfachangestellte dem bereits im April 2020 in den Ruhestand gegangenen Wolfgang Kollmeier (CDU).

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