Besserer Hochwasserschutz für Eddersheim und Flörsheim

Kommunale Deichrückverlegung soll auch vor Ereignissen schützen, die statistisch nur alle 200 Jahre auftreten

Der Übersichtslageplan des Projektgebietes von der Artelbrückstraße in Flörsheim bis zur Eddersheimer Ankerstraße.

Die Informationsveranstaltung zum Thema Deichrückverlegung zwischen Flörsheim und Eddersheim lockte am vergangenen Freitag knapp 20 Bürgerinnen und Bürger zur Mittagszeit in das Okrifteler Haus der Vereine. Gemeinsam mit Flörsheim am Main hat Hattersheim das Land Hessen (vertreten durch das Regierungspräsidium Darmstadt) mit Planung und Bau beauftragt.

Der Maindeich im Abschnitt zwischen Flörsheim und Hattersheim soll sowohl die Bevölkerung als auch landwirtschaftliche Flächen vor starkem Hochwasser, wie es statistisch gesehen alle 200 Jahre auftreten könnte (der Fachbegriff hierfür lautet "HQ 200"), schützen. Zu Hattersheim gehört dabei der 2,8 Kilometer lange Abschnitt zwischen dem Flörsheimer Artelgraben und der Ankerstraße in Eddersheim, ein Abschnitt von 1,7 Kilometern Länge liegt auf Flörsheimer Gemarkung, und wohlgemerkt besteht entlang der Ankerstraße und der Mönchhofstraße in Eddersheim bislang noch gar kein Hochwasserschutz. Die Sicherstellung des Hochwasserschutzes wird durch den Umbau des Deiches nach dem aktuellen Stand der Technik und der Schaffung von Retentionsräumen erfolgen.

Thomas Kettenbach vom Dezernat Bauen, Planen, Umwelt der Stadt Hattersheim begrüßte das interessierte Publikum zu dieser freiwilligen Erstinformation - es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese frühe Öffentlichkeitsbeteiligung die spätere formale Beteiligung inklusive Anhörungstermin im noch ausstehenden Planfeststellungsverfahren keinesfall ersetzt. Vielmehr ging es an diesem Tag darum, den aktuellen Bearbeitungsstand des Projekts schon einmal vorzustellen.

Holger Densky, zuständiger Dezernatsleiter bei Regierungspräsidium Darmstadt, beschrieb die doppelte Funktion, die das Regierungspräsidium hier einnimmt: Zum einen führt es für beide Kommunen das Projekt durch, zum anderen ist es auch für die Deichaufsicht zuständig. Und in dieser Funktion wurde seinerzeit festgestellt, dass die Deiche nicht mehr ausreichend standsicher sind. Geahnt hatte man dies schon früher, durch Untersuchungen endgültig festgestellt wurde die Sanierungsbedürftigkeit 1997.

Im Jahre 2008 ergab ein Ingenieurgutachten, dass eine zeitnahe Sanierung empfehlenswert sei. Dennoch wurde diese wiederholt verschoben; die potenziellen Kosten der Maßnahme waren zu hoch, als dass diese durch die Städte Hattersheim und Flörsheim alleine hätten getragen werden können.

Lohnende Kooperation

Nach den gewaltigen Hochwasserereignissen an Oder und Elbe rund um die Jahrtausendwende beschloss die Umweltministerkonferenz 2013 die Erarbeitung eines Nationalen Hochwasserschutzprogramms (NHWSP), das dann auch bereits im Folgejahr schon endgültig verabschiedet werden konnte. Ziel des Programms ist eine beschleunigte Umsetzung prioritärer und überregional wirkender Maßnahmen des vorsorgenden Hochwasserschutzes im gesamten Bundesgebiet. Infolgedessen beschlossen die Kommunen Hattersheim und Flörsheim eine Zusammenarbeit bezüglich ihrer Deichprobleme im Rahmen einer sogenannten Verbundmaßnahme, und erst so erreichte das Projekt „Deichrückverlegung Hattersheim/Flörsheim" eine ausreichende Größe, um überhaupt für die Aufnahme im NHWSP in Frage zu kommen. Schon im Folgejahr stellte sich der gewünschte Erfolg ein: Die Verbundmaßnahme fand im NHWSP Berücksichtigung. "Das ist übrigens die kleinste Maßnahme, die reingekommen ist - da haben wir Glück gehabt", so Densky.

Jedoch bezahlt der Bund auch diese Hochwasserschutzmaßnahmen nicht komplett - in Sachen Finanzierung war für die Kommunen daher die Kuh immer noch nicht vollständig vom Eis. 2016 entschied sich dann schließlich auch noch das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz für eine anteilige Förderung der NHWSP-Maßnahmen durch das Land Hessen.

Im März 2018 konnte Staatsminister Axel Wintermeyer bei einer Ortsbegehung in Eddersheim somit bekanntgegen, dass der Bund und das Land Hessen die Sanierungsarbeiten übernehmen werden: Mit 60 Prozent wird sich der Bund an der Finanzierung der Maßnahmen beteiligen, die übrigen 40 Prozent gibt das Land Hessen als Investitionszuwendung über den Kommunalen Finanzausgleich hinzu. Die Gesamtkosten für das Sanierungsprojekt belaufen sich auf rund acht Millionen Euro.

Beauftragt hat das Regierungspräsidium schließlich das Karlsruher Ingenieurbüro Queißer Gschwandtl GmbH (IQG), das unter anderem schon bei diversen Deichbauarbeiten am Rhein beteiligt war.

Schutz für 200 Jahre

IQG-Projektingenieurin Sina Wunder stellte dem Publikum im Haus der Vereine sodann den aktuellen Planungsstand vor, wagte aber zunächst noch einen kurzen Ausflug in die Historie: Anhand einer archäologischen Fundkarte des Mainmündungsgebietes mit den Altarmen des Mains zeigte sie auf, was der Main "eigentlich natürlicherweise gerne machen würde". Der alten Verzweigung des Mains entsprechend liegen Flörsheim und Eddersheim im natürlichen Überflutungsgebiet des Flusses, und deshalb wurde der Deich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert zum Schutz der Städte errichtet - und hat nun nach weit über 100 Jahren seine Lebensdauer überschritten. "Der Aufbau, der damals errichtet wurde, entspricht nicht mehr dem Stand der heutigen Technik", erläuterte Sina Wunder. Grundlagenuntersuchungen, unter anderem in Form von geotechnischen Bohrarbeiten, stellten den Damm selbst wie auch dessen Untergrund auf die Probe, und demnach würde der Deich heute einem Hochwasserereignis mit einer Intensität, wie sie aus statistischer Sicht alle 50 Jahre auftreten kann, noch begegnen können - bei einem noch stärkeren Hochwasser steht jedoch zu befürchten, dass der Damm unkontrolliert bricht.

Zur Verdeutlichung kann man sich noch einmal an das letzte größere Hochwasserereignis in Eddersheim im Januar 2011 erinnern: Damals berichtete der Hattersheimer Stadtanzeiger, dass man nochmal "mit einem blauen Auge davongekommen" sei. Laut der Freiwilligen Feuerwehr lag der Wasserpegel in Okriftel seinerzeit bei 4,50 Metern. Besonders die Mainufer in Eddersheim und Okriftel waren betroffen, aber auch das Wäldchen in Okriftel, an dem der Schwarzbach entlang fließt. Dieses Hochwasser entsprach einem Ereignis, mit dem alle zehn bis zwanzig Jahre zu rechnen sei, stellte Wunder fest. Nun hat man sich vorgenommen, zwischen Eddersheim und Flörsheim einen Damm zu errichten, der die Bevölkerung selbst vor einem Hochwasser effektiv schützt, wie es nur alle 200 Jahre zu erwarten ist.

Die Auswirkungen einer solchen Überflutung für Eddersheim wären potenziell gewaltig: Stand jetzt würde es dabei zu einer Überflutung der Gebäude entlang der Ankerstraße und der Mönchhofstraße kommen, das Stadtgebiet südwestlich der Ankerstraße wäre ebenfalls überflutet. An Gebäuden wäre mit einer Wassertiefe von bis zu 1,6 Metern zu rechnen, im Park und an der Straße würde das Wasser gar zwei Meter tief stehen.

Um ein solches Schreckensszenario künftig dauerhaft ausschließen zu können, hat IQG nun ein Planungskonzept erarbeitet, demzufolge der Deich entlang der Stadtgrenze von Flörsheim und nördlich der Bahnlinie rückverlegt werden soll. Ab einem 50-Jahres-Hochwasser soll ein ausreichender Retentionsraum für den Main kontrolliert geflutet werden können, so dass das Hochwasserrisiko für das rückwärtige Land im Vergleich zum heutigen Stand nicht verschärft wird.

In Eddersheim wird ebenfalls eine Deichrückverlegung zwischen der ICE-Trasse und der Kläranlage notwendig sein. Auch an der Ankerstraße wird der Deich nach dem aktuellen Stand der Technik ertüchtigt, und entlang der Ankerstraße und der Mönchhofstraße ist die Herstellung eines sogenannten linienhaften Hochwasserschutzes geplant, bestehend aus einer kombinierten Hochwasserschutzwand aus fester Wand und mobilem Aufbau. Der Retentionsraum des Mains bleibt dabei ebenso erhalten wie das Stadtbild mit Parkanlage.

Neuorganisation des Damms

Der neue Deich in Eddersheim wird nach dem aktuellen Stand der Technik vom wasserseitigen Böschungsfuß her entwickelt, weil man dem Main keinen Platz mehr nehmen darf. Derzeit sind die Böschungen noch zu steil, "da müssen wir ein bisschen flacher werden", stellte die IQG-Projektingenieurin in Aussicht. Der obere Weg auf der Deichkrone muss etwas erhöht werden, damit das Freibord (der Bereich über dem Bemessungswasserstand) angehoben und somit auch ein Schutz vor Wellenschlag gewährleistet werden kann. Auch die Neigung des Deichs auf der Landseite muss etwas verflacht werden, und man benötigt einen Deichverteidigungsweg, der im Hochwasserfall Fahrzeugen ein leichtes Fahren am Deich ermöglicht (beispielsweise zur Deichkontrolle) und auf dem gegebenenfalls mit Sandsäcken gearbeitet werden kann.

Auf beiden Seiten des Deichs muss es zudem Deichschutzstreifen geben, die nicht bebaut oder bepflanzt werden dürfen - ansonsten würde die Gefahr bestehen, dass Wurzeln den Deichkörper beschädigen.

Nächste Schritte

Die tatsächlichen Arbeiten werden noch ein Weilchen auf sich warten lassen: Die Planungsarbeiten zur Deichrückverlegung sind nach wie vor in vollem Gange und werden mit dem Fokus auf die technische Detailplanung, die Umweltplanung und Grunderwerbsplänen bis Anfang des nächsten Jahres andauern. Das Planfeststellungsverfahren soll dann voraussichtlich 2023 durchgeführt werden, den Planfeststellungsbeschluss erwartet man bis Anfang 2024. Mit dem Baubeginn rechnet man derzeit voraussichtlich im Jahre 2025, die Fertigstellung soll möglichst bis Ende 2027 erfolgen. Bis dahin bleibt zu hoffen, dass Eddersheim und Flörsheim noch ein paar Jahre lang kein 200-Jahr-Hochwasser erleben werden.

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